ADB:Schulz, Friedrich (Romanschriftsteller)
Joh. Gottl. Schummel, späteren Gymnasialdirectors in Breslau, genoß und sich mit Vorliebe dem Studium der französischen Sprache zuwandte. Im J. 1779 ging er, im Vertrauen auf das Glück und auf seinen guten Kopf, ohne jegliche Aussicht auf Subsistenzmittel, nach Halle, wo er sich durch Uebersetzen aus dem Französischen, durch die Unterstützung anderer Studenten anderthalb Jahre forthalf und dabei nothdürftig einige theologische Vorlesungen besuchte. Als diese Hilfsquellen zu versiegen begannen, wanderte er mit seinem Landsmann Brennecke, der sich in ähnlicher Lage befand, auf Abenteuer aus. Beide kamen nach Dresden und ließen sich in die Schauspielergesellschaft des Directors Koppe aufnehmen; aber noch vor dem ersten Auftreten änderten beide ihren Entschluß, und während der Freund Soldat wurde, versuchte sich S. in Dresden als Schriftsteller fortzuhelfen. Sein erster Roman „Karl Treumann und Wilhelmine Rosenfeld“ (1781) war ganz in dem sentimentalen Tone der Miller’schen Romane gehalten, während der zweite „Ferdinand von Löwenhain“ (1781) in ganz entgegengesetzter Manier geschrieben war. Sein „Almanach der Belletristen und Belletristinnen für dieses Jahr“ (1782), eine Nachahmung des Kirchen- und Ketzeralmanachs von Karl Friedrich Bahrdt, enthält Charakteristiken und Klatschgeschichten im burschikosen Studententon, machte aber, besonders durch die Polemik für Lessing und gegen Herder, viel von sich reden und wurde noch in demselben Jahre nachgedruckt. [743] Ihm folgten „Fritz, oder Geschichte eines Belletristen“ (II, 1783) und „Leben und Tod des Dichters Firlifimini“ (1784). Daß S. der Verfasser dieses Curiosums ist, hat die Litteraturgeschichte erst neuerdings festgestellt. Durch solche Thätigkeit arbeitete sich der Dichter zu einem gewissen Ansehen und Wohlstande empor, so daß er größere Reisen durch Deutschland unternehmen konnte. Er hielt sich längere Zeit in Wien, Berlin, am längsten und liebsten aber in Weimar auf, wo er sich durch seine Talente und geselligen Eigenschaften Freunde und Gönner erwarb. Diese Periode gehörte mit zu der fruchtbarsten in Schulz’s kurzem Leben und gab eine reiche Ausbeute für die Litteratur. Seine Arbeiten aus dieser Zeit, die fast alle erst im „Deutschen Merkur“ zum Abdruck gelangten, sind theils Reisebeschreibungen, theils Bearbeitungen französischer und englischer Romane, theils Originalromane. Von den letzteren seien hier erwähnt „Moritz; ein kleiner Roman“ (1785) und „Leopoldine; ein Seitenstück zum Moritz“ (1790). Beide gehören zu den besseren Schriften des Dichters und wurden auch ins Französische, Englische und Dänische übersetzt. Die Revolution von 1789 zog S. nach Paris, wo er Augenzeuge und genauer Beobachter der außerordentlichen Begebenheiten jener Zeit war. Bei der großen Empfänglichkeit seines Gemüths für alle Ideen und Ereignisse, die sich hier vor seinen Augen entfalteten, blieb doch sein beobachtender Blick ungetrübt, so daß man seine „Geschichte der großen Revolution in Frankreich“ (1789) für ein objectives und unparteiisches Gemälde jener Zeit halten kann, wie auch sein Werk „Ueber Paris und die Pariser“ (1791) ein lebendiges und anschauliches Bild der großen Hauptstadt enthält. Im J. 1790 reiste S. von Paris über Weimar, wo ihm der Herzog den Titel eines Hofraths verlieh, nach Berlin. Hier erhielt er auf Empfehlung der Herzogin Dorothea von Kurland einen Ruf als Professor am akademischen Gymnasium in Mitau, dem er im Januar 1791 folgte. Bald hatte er sich als Lehrer und Mensch die Werthschätzung seiner Mitbürger erworben, die ihm auch besonders dadurch kund gegeben ward, daß ihn der kurländische Bürgerstand im September 1791 als Deputirten auf den Reichstag zu Warschau sandte, wo er mit Kraft und Nachdruck die Rechte seiner Partei vertheidigte, sich aber dadurch den Adel zum Feinde machte. Im Juni 1792 kehrte er nach Mitau zurück; doch war es ihm nicht vergönnt, sein Amt ununterbrochen verwalten zu können. Häufig wiederkehrende Krankheit zwang ihn, einen Urlaub zu erbitten, um unter Italiens wärmerem Himmel (1793–94) seine verlorene Gesundheit wieder zu suchen. Auf der Rückreise aus Italien hielt er sich längere Zeit in Deutschland und zwar abwechselnd in Wien, Berlin, Jena, Weimar und Kissingen auf, bis ihn politische Verhältnisse Mitte 1795 wieder nach Mitau zurückriefen. Seine Feinde hatten seine Abwesenheit benutzt, ihn auf dem Landtage von 1793 als Jakobiner zu denunciren und auf seine Kassation anzutragen. Zwar blieben diese Anklagen wirkungslos; doch wurde S. in der Folge seines Lebens nicht mehr recht froh. Sein körperliches Leiden packte ihn mit verstärkter Gewalt und artete schließlich in Schwachsinnigkeit und Geisteszerrüttung aus. Er starb am 27. September a. St. (9. October n. St.) 1798. – Von Schulz’s Romanen seien noch erwähnt „Geradsinn und Aufrichtigkeit, ein Sittengemälde aus Wien“ (1788) – „Der Wittwer zweier Frauen“ (1788) – „Der Wüstling, eine Geschichte aus Pyrmont“ (1788) – „Albertine, Richardsons Clarisse nachgebildet“ (V, 1788–92) – „Zaide“ (1789) – „Die Prinzessin von Cleve“ (1790) – „Henriette von England“ (1794) – „William, oder Geschichte jugendlicher Unvorsichtigkeiten“ (1791) – „Gigri, eine Arabeske“ (1795), sämmtlich nach französischen oder englischen Vorbildern bearbeitet – „Martinuzzi, oder Leben eines geistlichen Parvenü’s“ (1791) – „Josephe“ (1791). S. hat als Romanschriftsteller eine sehr verschiedene Beurtheilung erfahren: seine Zeitgenossen [744] nennen seine Verdienste um die Gattung des Romans ausgezeichnet, selbst A. W. Schlegel spricht sich in der „Allgem. Litter.-Zeitg.“ lobend über ihn aus. Die Kritik der Neuzeit ist ihm weniger hold, und K. Goedeke beurtheilt ihn in seiner kurzen, präcisen Weise folgendermaßen: „Angeblich dem Geniewesen abhold, bewegte er sich im rüdesten Tone des Genies, nur ohne Genie.“
Schulz: Joachim Christoph Friedrich S., Romanschriftsteller, wurde am 1. Januar 1762 zu Magdeburg als der Sohn eines Bürgers und Branntweinbrenners geboren, der 1780 nach Ostindien ging und fortan verschollen blieb. Die strenge väterliche Zucht vermochte nicht, der Lebhaftigkeit und dem Muthwillen des Sohnes Schranken zu setzen, und so entlief dieser im zehnten Jahre seinem Vater, um Schauspieler zu werden. Er kehrte indessen bald wieder zurück und besuchte nun das Gymnasium Unserer Lieben Frauen in seiner Vaterstadt, wo er besonders den Unterricht des ersten Lehrers- Fr. Schlichtegroll’s Nekrolog a. d. J. 1797, II, 115 ff. – Jördens, Lexikon, IV, 658 ff. – Recke und Napiersky, Lexikon, IV, 141–152, wo auch sämmtliche Schriften genau aufgeführt sind.