ADB:Schwabe, Heinrich Samuel

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Artikel „Schwabe, Heinrich Samuel“ von Siegmund Günther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 159–161, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schwabe,_Heinrich_Samuel&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 03:59 Uhr UTC)
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Schwabe: Heinrich Samuel S., Astronom, geboren am 25. October 1789 zu Dessau, † ebendaselbst am 11. April 1875. S. war der Sohn des herzoglichen Leibarztes und, von mütterlicher Seite, Enkel des Apothekers Häseler, welch letzterer jenen von Anfang an für den eigenen Beruf zu gewinnen bestrebt war. Dies gelang ihm, und der junge S. trat 1806 als Gehülfe in die Dessauer Mohrenapotheke ein, wo er die nächsten drei Jahre verblieb. Hierauf bezog er die Universität Berlin, um sich unter Klaproth und Hermbstädt in der Pharmacie auszubilden. Zwei Jahre studirte er hier, indem er auch Astronomie und Botanik betrieb, aber schon bald rief ihn die Kränklichkeit seines Großvaters wieder in die Heimath zurück, und als dieser im Mai 1812 das Zeitliche segnete, sah sich unser S., nicht ohne inneres Widerstreben, genöthigt, die Apotheke als Eigenthümer zu übernehmen. Doch verblieb er in diesem Verhältnisse nur so lange, als es ihm die Pflicht zu gebieten schien, d. h. bis er seine sämmtlichen Geschwister gut versorgt wußte; nunmehr verkaufte er das Geschäft und widmete sich ganz als Privatmann den wissenschaftlichen Beschäftigungen, welche bisher schon seine Mußestunden ausgefüllt hatten. Von 1829–71 hat er unermüdlich, durch eine dauerhafte Gesundheit begünstigt, gearbeitet; erst als Zweiundachtziger beginnt [160] er in Briefen über die Schwäche zu klagen, welche seinen Füßen das Ersteigen der Sternwarte nach und nach unmöglich mache. Zwar hatte er regelmäßig an Gichtanfällen zu leiden, aber nach einem solchen fühlte er sich nur um so wohler, und sein so stark in Anspruch genommenes Auge blieb bis in die letzten Tage das eines Jünglings. Alleinstehend und ohne Erben, vermachte S., der in späteren Jahren den Titel eines Hofraths erhalten und sein geliebtes Dessau niemals für längere Zeit verlassen hatte, seinen reichen wissenschaftlichen Apparat zum Theile dem Gymnasium, zum Theile dem naturhistorischen Vereine genannter Stadt.

Um jenen hatte er sich große Verdienste auch sonst erworben; er hatte ihn mit begründet, viele Jahre hindurch die Stelle eines Vorsitzenden bekleidet und schon bei Lebzeiten eine schöne Mineraliensammlung für denselben zusammengebracht. Eingehend beschäftigte er sich mit Botanik, wie seine „Flora Anhaltina“ und verschiedene Aufsätze in der „Linnaea“ beweisen. Aber das Hauptziel seiner Thätigkeit blieb doch immer die Sternkunde, die ihn früher schon angezogen hatte, die er aber durch eigene Beobachtungen zu fördern vielleicht erst dann sich angeregt fühlte, als durch die Lotterie ein gutes Fernrohr in seinen Besitz gekommen war. Im J. 1825 hat er als praktischer Himmelsforscher seine ersten Proben abgelegt, doch dauerte es ziemlich lange, bis auch andere Leute etwas von seinen in tiefster Verborgenheit betriebenen Studien erfuhren. Erst Professor Harding in Göttingen gab weiteren Kreisen Nachricht von denselben, und 1833 erschien seine erste Veröffentlichung, ein Brief an Schumacher, den dieser in Nr. 239 seiner „Astron. Nachrichten“ zum Abdrucke brachte. Doch hatte S. überhaupt keine rechte Lust zum Publicieren, aber um so mehr Stoff häufte er in seinen Tagebüchern auf, die er deshalb auch, wie Wolf bezeugt, nur höchst ungern aus den Händen gab, deren reicher Inhalt nach seinem Tode aber von der englischen astronomischen Gesellschaft in großen Zügen bekannt gemacht wurde.

Er begann mit dem Monde und schritt dann bald zu der Sonne und den Planeten vor. Zumal Saturn zog seine ganze Aufmerksamkeit auf sich; er beschrieb eigenartige Lichtfunken, welche er in nächster Nähe dieses Wandelsternes wahrgenommen habe, und entdeckte 1827 die excentrische Lage der Planetenkugel zum Ringe – eine Thatsache, die allerdings bereits früher bekannt gewesen, dann aber in gänzliche Vergessenheit gerathen war. Mit Entschiedenheit leugnete er die Rotation des Saturnsringes, dem er nur eine durch jene eigenthümliche Lage des Kernes bedingte Schwankung zugestehen wollte. Vorkommende Schweifsterne wurden natürlich genau verfolgt, so der Halley’sche (Astr. Nachr. Nr. 298) und der Encke’sche (ebenda Nr. 372). Das Lieblingsobject von Schwabe’s Beobachtungen war jedoch stets die Sonnenoberfläche, und mit der Entwicklungsgeschichte der solaren Physik wird denn auch sein Name untrennbar verbunden bleiben. Volle 32 Jahre lang hat er sein Fernrohr tagtäglich auf die Sonne gerichtet, soweit nicht Unwohlsein oder Witterungsverhältnisse einen Riegel vorschoben und tausende von Zeichnungen machten es ihm möglich, Analogien der Fleckenbedeckung, wenn sie auch zeitlich weit auseinander lagen, wieder zu erkennen. Schon seit 1838 war er jener Periodicität im Auftreten der Flecke auf die Spur, von welcher vor ihm höchstens der einzige Horrebow eine Ahnung gehabt hatte, doch sprach er sich erst fünf Jahre nachher (Astr. Nachr. Nr. 495), und auch dann noch sehr vorsichtig, zu gunsten einer „ungefähr zehnjährigen Periode“ aus. Nur Julius Schmidt und Rudolf Wolf traten sofort auf seine Seite, während die übrigen Astronomen sich zunächst noch zuwartend verhielten; als aber durch die wenn auch unter sich unabhängigen Bemühungen von Wolf, Sabine, Gautier, J. v. Lamont mit immer größerer Bestimmtheit sowohl für [161] die Sonnenfleckenfrequenz, als auch für gewisse erdmagnetische Schwankungen eine völlig übereinstimmende Periode von etwas über elf Jahren außer Zweifel gestellt war, trat Schwabe’s vorher wenig gewürdigte Leistung auch wieder in den Vordergrund, und A. v. Humboldt, der S. seit 1833 kannte und ihn der regierenden Herzogin warm empfohlen hatte, zollte ihm im „Kosmos“ die gebührende Ehre. Wolf stützte sich bei seinen späteren Untersuchungen großentheils auf Schwabe’s Aufzeichnungen und auf die ihm von S. brieflich gemachten Mittheilungen; die Correspondenz zwischen beiden Männern enthält sehr viel interessantes für die astronomische Zeitgeschichte. Man ersieht aus ihr u. a., daß S. der Spectralanalyse und den theoretischen Speculationen über die Natur der Sonnenflecke nicht traute, denn er war in den Anschauungen W. Herschel’s alt geworden, zu denen ihm seine Beobachtungsergebnisse vortrefflich zu passen schienen, und da ist es natürlich, daß er sich in einen so ganz anders gearteten Gedankenkreis nicht mehr recht hineinzufinden vermochte. Zudem war er sich auch bewußt, mit seinen einfachen Hülfsmitteln tiefere Blicke in manches Geheimniß der Natur gethan zu haben, als es anderen mit weit vollkommneren Apparaten vergönnt war. Ueberaus bezeichnend ist in dieser Hinsicht ein Brief, den S. unterm 6. September 1872 an Wolf schrieb: er habe sich Secchi’s Werk „Die Sonne“ anschaffen wollen; nachdem er sich jedoch überzeugt, daß Jupiter, Saturn und einzelne Sonnenflecke mit so geringer Naturtreue abgebildet seien, habe er alle Kauflust verloren. Wir wissen, daß Schwabe’s Abneigung eine ungerechtfertigte war, allein wir können den conservativen Standpunkt eines Forschers wohl begreifen, dem lediglich sein Fleiß und sein geschärfter Gesichtssinn zu werthvollen Bereicherungen unserer Erkenntniß verholfen hatten.

R. Wolf, Astronomische Mittheilungen XL; Vierteljahrsschr. d. Naturf. Gesellsch. zu Zürich, 21. Jahrgang. – Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, Mai 1876. – A. G. Schmidt, Anhaltisches Schriftstellerlexikon, S. 382, 536. Bernburg 1830.