Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden/Zwei friesische Gesänge

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Abendgebet der Kinder Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden (1856)
von Friedrich Köster
Das kirchliche Leben in den Herzogthümern zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts
[134]
21.
Zwei friesische Gesänge.
Morgengesang.

1. Ick kon ich noog thonk sedje,   O Gott von hemmelriek,   So lung, als ick möth ledje   Af erden ön dü sick,   That in vergiengen naacht   Dü myn liff, siel ün leven   Un wat dü my hest jeeven,   So trawlick heest bewaagt.

2. Ick badde di vor allen   Jeff my thoch the min seen,   Dü ick wallen ün ünwallen,   Min leevedaag heef dahn.   Un beth ock delling my   Jaa nat ön unlack kamme,   Mi ock hat min nat namme,   That ick mey thonke dy.

3. Leeth my am mirn ün erne   Min tochte rocht dirhen,   That ick mi wahr veer seene,   Un alltidd seeth min senn   Aff di, that ick allgeh   Mei wallig dühn clan walle,   Un du mi meist ün alle,   Behüdde erd ün leh.

4. Leeth nat apthien ün kamme   Fiürwere un grawlich win.   Hat üsse leth nat namme   Dü flödh, störm un gothrinn.   Behüdd ver krigh ün brön,   Ver schelme, thieff ün heien.   Erhiul ja liud un löen.

5. Min hüss, min hoef, miu leeven.   Min göd

lönn ün söen Uen wat du mi örs jeeven, Wüff beern
göe wenn Min fründ

ün hiele kern.   Nam du, i Godd, in aacht,   That awr mi ün hat minne,  Di böse gist ich finne  Meg ynigh waalt ün macht.


Abendgesang.

1. Ick thonck dy, lieve Hiere,   That ick an dessen däy,   The min netten, üm die ihre   Min weerck voldeen, ün mey   Uthraw min traate lee   Un schleepe me min mann,   Diever schall ick dy thonck wee   All di hee wat ün sann.

[135] 2. Voll lock heest du mi iefen   That ick vollbrocht min werck,   Bewahrt min liff ün leeven   Als Noah ön sin erk.   Din gnae heest dü nat sparet   Us her bethürt dyn hön   So mächtig weel bewaaret   Ver unweer, krigh ün brön.

3. Ick badd, that dü min seene,   Dü ick begiengen heff   Min leefdegh, dessen erne   Werst my thehup thejeff,   That ick di kü thonk sedje,   That ick dirven befreit,   Un rawlick mi kü ledge   Un bliffe ma ünheit.

4. Ver unweer, ström ün slaggen’   Ver ongst ün tröngigheit,   Ver driemen ün ver waagen,   Ver all massmödigheit,   Ver pest, krigh, börn ün flöhde,   Ver öhre nudh ün klagt,   Ver sörgen ün unmöde,   Behüdd us deese nacht.

5. Laath trinam by mi waage   Din ingel, that ick mey   Mi oller tochte maage   Von ynigh thing ver dey,   That ick mey rawlick ledje   Un schleep ohn alle plaag   Un miren di mey sedge voll   Thonck, wenn ick apwaagh.

Die vorstehenden beiden friesischen Gesänge sind aus Heimreich’s Nordfriesischer Chronik, abgedruckt in Pratje’s historischen Sammlungen, Band 3. S. 207. Daß sie den ersten Zeiten der Reformation angehören, beweist der Inhalt sowohl als die Melodie, und sie scheinen bekannten deutschen Kirchenliedern jener Zeit nachgebildet zu sein. Die folgende Uebersetzung, in der allein eine möglichst wortgetreue Uebertragung erstrebt wird, verdankt der Leser dem Herrn Pastor Vogelsang in Stade, welcher dazu das Plattdeutsche und Englische benutzt hat. Demselben sind jedoch einige Stellen dunkel geblieben, weil sie unbekannte Wörter enthalten: auch fragt sich, ob die Lesart überall richtig ist? Einzelnes scheint aus dem Dänischen erläutert werden zu können.


[136]
Morgengesang.
(Die Melodie des Originals ist: „Aus meines Herzens Grunde.“)

 1.
Ich kann nicht g’nug Dank sagen,
O Gott vom Himmelreich,
So lang’ als ich muß liegen
Auf Erden in der Tief’,
Daß in vergang’ner Nacht
Du mein’n Leib, Seel’ und Leben
Und was du mir gegeben
So treulich hast bewacht.

 2.
Ich bitte dich, vor Allem
Vergieb mir doch mein’ Sünd’,
Die willens und unwillens
Mein’ Lebtag ich gethan.
Und heiß’ auch, daß an mich
Ja nicht ein Unglück komme,
Mir auch das Mein’ nicht nehme,
Daß ich mög’ danken dir.

 3.
Laß Morgens mich und Abends
Mein Denken richt’n dahin,
Daß ich mich hüt’ vor Sünde
Und allzeit setz’ mein’n Sinn
Auf dich, daß ich allje
Mög’ willig thun dein’n Willen,
Und du mich mögst und Alle
Behüten, Erd’ und Land. (?)

 4.
Laß nicht aufzieh’n und kommen
Feu’rwetter, Gräuelwind;
Das Uns’re laß nicht nehmen
Die Fluth, Sturm, Regenguß.
Behüt’ vor Krieg und Brand,
Vor Schelmen, Dieb’ und Heiden;
Erhalt’ ja Leut’ und Land:

[137]

 5.
Mein Haus, mein’n Hof, mein Leben,
Mein’ Güter, Land und See
Und was du sonst gegeben
Weib, Kind und’s liebe Korn,
Nimm du, o Gott, in Acht,
Daß über mich und Meines
Der böse Geist nicht finden
Mög’ einig’ G’walt und Macht.


Abendgesang.
(Das Original kann gesungen werden nach der Melodie: „Befiehl du deine Wege.“)

 1.
Ich dank’ dir lieber Herre,
Daß ich an diesem Tag,
Mir nützlich, für die Erde
Mein Werk vollbracht, und mag
Ausruhn mein’ müde Glieder,
Schlaf’n mit den Leuten mein
Dafür soll ich Dank weihen,
So viel man weiß und denkt, (?)

 2.
Viel Glück hast mir gegeben,
Daß ich vollbracht mein Werk,
Bewahrt mein’ Leib und Leben
Als Noah in sein’ Arch.
Dein’ Gnad’ hast nicht gesparet,
Uns hier bezeugt dein’ Hut,
So mächtig wohl bewahret
Vor Wetter, Krieg und Gluth.

 3.
Ich bitt’, daß du mein’ Sünde,
Die ich begangen hab’
Mein Lebtag’, diesen Abend
Wollst mir zusammt verzeihn.

[138]

Daß ich dir kann Dank sagen,
Daß ich, davon befreit
Und ruhig, mich kann legen
Und bleiben mit Einfalt.

 4.
Vor Wetter, Sturm und Schlagen,
Vor Angst und Bangigkeit,
Vor Träumen und vor Wachen,
Vor all’r Schwermüthigkeit,
Vor Pest, Krieg Brand und Fluthen,
Vor ihrer Noth und Klag’,
Vor Sorgen und Mißmuthen
Behüt’ uns diese Nacht.

 5.
Laß drinnen bei mir wachen
Dein’n Engel daß ich mög’
Mich alles Tichtens trennen
Nach Einem Ding vor dir. (?)
Daß ich mög’ ruhig liegen
Und schlafen ohn’ all’ Plag’
Und morgen dir mög’ sagen
Viel Dank, wenn ich erwach!

Abendgebet der Kinder Nach oben Das kirchliche Leben in den Herzogthümern zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.