BLKÖ:Molitor, Simon

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Molitor, Martin von
Band: 18 (1868), ab Seite: 464. (Quelle)
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Molitor, Simon (Tonsetzer, geb. zu Neckarsulm im heutigen Königreich Württemberg im November 1766, gest. zu Wien 21. Februar 1848). Sein Vater war Schullehrer und wahrscheinlich, wie dieß bei Landschulen schon üblich ist, Chorregent der Ortskirche, später übersiedelte er nach Mergentheim und starb dort als Capell- und Concertmeister des deutschen Ordens. Der Sohn Simon, der sich auch öfter Franz Simon unterschrieb, erhielt den ersten Unterricht in der Musik von seinem Vater, und zwar sowohl im Clavier- und Violinspiele, wie auch in der Tonsetzkunst, jedoch in virtuoser Weise behandelte er Guitarre und Violine. Ungeachtet der vorherrschenden Neigung des Sohnes für die Musik, sollte er doch einen anderen Lebensberuf ergreifen, und so ließ ihn denn der Vater studiren, das Studium wollte aber dem Sohne nicht recht zusagen, ohne Wissen seiner Eltern entfernte er sich von der Universität und begann, 18 Jahre alt, ein fahrendes Virtuosenleben. So durchzog er Deutschland nach allen Richtungen, spielte in Orchestern, gab Concerte, componirte Concert- und Kammermusik u. dgl. m. Gegen das Ende der Achtziger-Jahre kam er nach Wien, wo er seine Compositionsstudien fortsetzte, ging dann von Wien nach Italien und war in den Jahren 1796 und 1797 als Orchesterdirector in Venedig thätig, und als trefflicher Violinspieler in vielen Häusern ein willkommener Gast. Als die französische Revolution auf ihrem Zuge durch Europa auch in Italien siegreich vordrang, beschloß M., der sich indessen ein kleines Vermögen erspart hatte, in seine [465] Heimat zurückzukehren. Da ein Bruder seines Vaters als Oberkriegscommissär in österreichischen Diensten stand, so gab M. den Wünschen seiner Familie nach und trat im Jahre 1798 als Beamter bei dem kaiserlichen Kriegscommissariate ein, trat aber später von demselben zum Verpflegswesen über. In seinem Dienste tüchtig und zuverlässig, rückte er zur Stelle eines Oberverpflegs-Verwalters vor und blieb bis zum Jahre 1831 im Staatsdienste, in welchem er sich in den Ruhestand zurückzog und dann seiner Lieblingsneigung, der Tonkunst, ausschließlich lebte. Es war ihm gegönnt, noch 17 Jahre dieses otium operosum zu genießen. Molitor war nach drei Richtungen hin für seine Kunst thätig, als Musikhistoriker, als Quartettspieler und als Componist. Als Musikschriftsteller beschäftigte er sich vorherrschend mit Forschungen und Ansammlung von Materialien zu einer Geschichte der Wiener Hofcapelle und der früheren Hof-Oper. Er durchsuchte zu diesem Zwecke die reichen Sammlungen der Hofbibliothek und die Archive der Hofämter. Er kam jedoch – da er mit großer Gewissenhaftigkeit arbeitete – ungeachtet seines hohen Alters von 82 Jahren, damit nicht zu Stande. Molitor’s Materialien benützte dann nach dessen Tode der als Musikschriftsteller ebenso gewissenhafte Dr. Leop. v. Sonnleithner, der sie dann ergänzte, erweiterte, bis auf die neueste Zeit fortführte und so ein umfangreiches Material für eine künftige Geschichte der Oper in Wien verbreitet hat. Ueberdieß war Molitor ein fleißiger Mitarbeiter der „Leipziger allgemeinen musikalischen Zeitung“ und hat in derselben Herrn F. J. Fétis, den immerhin schätzenswerthen Bearbeiter der „Biographie universelle des musiciens“, sowohl in Unrichtigkeiten bei Erzählung von Thatsachen, wie in seinen Ansichten berichtigt, wobei Fétis von der irrigen Ansicht ausging, daß dieser sein Gegner der bekannte Musikschriftsteller Hofrath Kiesewetter [Bd. XI, S. 252] sei, der sich hinter dem Pseudonym Simon Molitor verberge, wie dieß Sonnleithner in dem in den Quellen genannten Aufsatze des Näheren ausführt. Von den größeren musikgeschichtlichen Arbeiten Molitor’s im genannten Blatte sind anzuführen, im Jahre 1838: eine Ehrenrettung des kaiserlichen Hofcompositeurs Francesco Conti gegen eine von Mattheson verbreitete Anekdote, und im Jahre 1839: Bemerkungen zur Lebensgeschichte Emanuel’s, genannt der Baron von Astorga, welche beide Arbeiten, wie sein Biograph es ausdrücklich bemerkt, von Molitor’s gründlicher Forschung und Beurtheilung zeugen. – Was Molitor den Quartettspieler betrifft, so liebte er es, in seinem Hause Quartett-Abende durch ausgezeichnete Kräfte zu veranstalten. Man konnte Böhm, Jansa und andere Meister der Violine bei ihm hören, und auch unter den Zuhörern fanden sich die Ausgewählten der Kunstfreunde, wie z. B. Aßmayer [Bd. I, S. 80], Grillparzer [Bd. V, S. 338], Kiesewetter [Bd. XI, S. 252], Kuffner [Bd. XIII, S. 336], Mosel [s. d. Bd. XIX] u. A. Bei diesen Aufführungen wurden ebenso die Werke der neueren Zeit, wie auch ältere Quartette gespielt, die sonst nirgends zu hören waren. Dabei besaß Molitor eine ungemein reiche Sammlung von Trio’s, Quartuors und Quintuors für Streichinstrumente, die er vor Jahren anzulegen begonnen und immer noch durch eigenhändige Abschriften vermehrte. [466] Herr von Sonnleithner hat nach Molitor’s Tode diese Sammlung gekauft und sie später der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien verehrt. – Endlich als Componist war Molitor ungemein fruchtbar. Anfänglich schrieb er viele Stücke für die Guitarre und verfaßte auch in Gemeinschaft mit R. Klinger (pseudonym für Wilhelm Klingenbrunner) eine Guitarreschule, welche zu Ende des 18. Jahrhunderts im Stiche erschien und wesentlich dazu beitrug, diesem bald nachher zu großer Beliebtheit gelangten Instrumente die Bahn zu brechen. Außerdem schrieb er viele Stücke für die Guitarre und Solostücke für die Violine. Die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien besitzt in ihrem Archive 44 Musikstücke seiner Compositionen, deren Verzeichniß hier folgt [die mit einem Stern (*) bezeichneten sind nur in Handschrift vorhanden]: Orchestermusik: *„Ouverture in F“. – Concerte: *„Fünf Concerti per il Violino, in B, in D 4/4, in A, in D 3/4 und in C“, – *„Concerto per Clarinetto principale, in B“.– Quartette: *„Six Quatuors pour deux Violons, Alto et Violoncelle, in A, Es, B, F, G und C, bei dem zweiten Quartette vertritt die Clarinette die Stelle der ersten Violine. – Für die Guitarre: „Versuch einer vollständigen methodischen Anleitung zum Guitarrespielen, nebst einem Anhange, welcher das Nothwendigste von der Harmonielehre nach einem vereinfachten Systeme darstellt. Von S. Molitor und R. Klinger“ (Wien, in der chemischen Druckerei); – „Grande Sonate pour Guitarre et Violon concertants, in F“, Op. 3 (Vienne, imprimerie chimique); – „Sonate pour Guitarre et Violine concertans, in F“, Op. 5 (Vienne, Artaria et Comp.); – „Grande Sonate pour Guitarre seul, in A-moll“, Op. 7 (Vienne, Artaria et Comp.); – „Sonate pour Guitarre seul[WS 1], in C”, Op. 10 (Vienne, Thaddée Weigl); – * „Sonate pour Guitarre, in G“, Op. 15; – „Rondeau avec un Adagio pour Guitarre, in A-moll“, Op. 10? (Vienne, Thaddée Weigl); – „Marche funèbre à la mort de mon ami François Tendler” (Vienne, Thaddée Weigl); – „Réceuil de petites pièces faciles de differents auteurs et un Rondeau original pour la Guitarre d’une difficulté progressive“, 4 livraisons (Vienne, imprimerie chimique); – „Sechs Ländler für die Guitarre allein“ (Wien, bei Sauer). – Für das Pianoforte: *„Sextuor pour le Pianoforte, Flûte, deux Altos et Violoncelle, in G”; – „Six Polonaises pour le Pianoforte et le Violon concertants”, Op. 4 (Vienne, imprimerie chimique). – Tanzmusik: *„Six Menuets avec Trio’s für Orchester“, componirt in Donaueschingen 1799 zum Carneval; – *„Six Valses avec Trio’s für Orchester“, ebenda im Jahre 1799 componirt; – „Douze Menuets, exécutés dans la grande salle des Redoutes Impériales à Vienne a celle dite de St. Catherine, l’an 1804; arrangés pour le clavecin par l’auteur“, Op. 1 (gestochen ohne Angabe des Verlegers); – *„Douze Menuetto’s et Trio’s pour l’orchestre“; – *„Six Valses avec Trio’s pour l’orchestre“; – *„Zwölf deutsche Tänze sammt Trio’s und Coda für grosses Orchester“. – Für den Gesang: „(Vier) Siegeslieder für drei Singstimmen ohne Begleitung, dem Erzherzog Karl von Oesterreich gewidmet“ (Augsburg, bei Gombert); – *„Jünglings-Rundgesang im Frühlinge („Lös’t ab vom Stamm das Epheulaub“) für Tenor und Basssolo, vierstimmigen Männerchor und Clavierbegleitung“; – *„Das Alter, Gesang für zwei Tenore und Basssolo und vierstimmigen [467] Männerchor mit Clavierbegleitung“; – *„Die drei Unbekannten, ein Nachtgesang für drei Männerstimmen“, Gedicht von General Baron Koudelka; – „Arie aus dem Lustspiele: Der verliebte Verführer („Es will sich Amor rächen“),für Tenor mit Clavierbegleitung“ (Wien 1805, bei J. B. Wallishausser). – Lieder für eine Singstimme mit Clavierbegleitung: *„An die Göttin Musik“; – *„Der schöne Traum Phantasie“; – *“Am Scheideabend“, von C. G. Leitner; – *„Der Wunsch“, von Beranger; – *„Der blinde bettelnde Kriegsmann“; – *„Geisternähe“, von Mathisson; – *„Die Köhlerstochter“, Cantate von C. G. Leitner; – *„Der Senator“; – *„Das Alter“; – *„An meinen Arzt, zum Geburtstage“; – *„Des Sängers Beruf“; – *„Wenn ich ein Vogel wär’“; – *„Die Spätrose“; – *„Der Kranz“; – *„Frage“; – *„Vergänglichkeit“; – *„Lebensmüde“; – *„Todtengräberlied“, von Hölty; – *„Mädchenlaune“, von Schubart[WS 2]; – *„Das Schloss Dunbar“, von C. G. Leitner; – *„Des Schifferjungen Abendfahrt“, von C. G. Leitner; – *„Der Mann für uns“, von Boutterweck (mit Chor); – *„Der Rattenfänger von Hameln“, von Goethe; – *„Der Schottengruss“, von J. G. Seidl. Noch sei der Vollständigkeit wegen angeführt, daß Molitor dem Wiener Conservatorium eine Staats-Obligation von 1000 fl. C. M. zur Gründung eines Stipendiums für eine talentvolle Gesangschülerin widmete, sich aber dabei unter dem theilweisen Anagramm seines Namens, Rotil, verbarg, was erst später bekannt wurde.

Recensionen und Mittheilungen über Theater und Musik (Wien, Klemm, 4°.) 1864, Nr. 28, S. 435: „Simon Molitor“. Biographische Skizze von L. v. Sonnleithner. – Fétis und Schilling in ihren Musik-Lexicis führen zwei Musiker des Namens Molitor, und zwar einen B. Molitor und einen Sebastian Molitor auf. Betreffs derselben und ihrer Werke bemerkt Herr von Sonnleithner: „Die Werke, die diesen Beiden zugeschrieben werden, sind zuverlässig von dem obigen Simon Molitor, der seinen Vornamen oft nur mit dem Anfangsbuchstaben bezeichnete, dessen undeutlicher Schrift oder falscher Auslegung jene beiden Pseudo-Molitore ihre Scheinexistenz verdanken mochten“.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: seule.
  2. Vorlage: Schubert.