BLKÖ:Ujházy, Ladislaus

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 48 (1883), ab Seite: 278. (Quelle)
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Ujházy, Ladislaus (ungarischer Insurgent, geb. in der Zips im Jahre 1794). Ein Sohn Samuel Ujházy’s aus dessen Ehe mit Polyxena Radvanszky, ist er ein Sproß der Familie Ujházy von Budamér. Ueber dieselbe, aber nur über sie allein, gibt Iván Nagy in seinem ungarischen Adelswerke Nachrichten, doch sind dieselben höchst lückenhaft, obwohl gerade dieser Familie mehrere, wie unser Lexikon ausweist, ganz ausgezeichnete Sprossen entstammen. Ladislaus genoß eine sorgfältige Erziehung, beendete die juridischen Studien, und mit einem entschiedenen Rednertalente begabt, fand er auf den Comitatscongregationen Gelegenheit genug, dasselbe zu entfalten. Im Sároser Comitate, wo er ansehnlich begütert war und nach eingegangener Ehe mit einer Urenkelin des berühmten Grafen Benjowsky, nachmaligen Königs von Madagaskar [Bd. I, S. 272], seinen Wohnsitz nahm, schwang er sich bald zum Chef der Opposition empor, doch war seine dortige Stellung bei der vorwiegend streng katholischen und conservativen Gesinnung jenes Comitates – und er war Protestant und ein ausgesprochener heftiger Gegner der Regierung – eine doppelt schwierige, um so mehr, da ihm 1839 in Folge einer über ihn verhängten nota infidelitatis ein Hochverrathsproceß drohte. Dabei war er als Gatte und Vater musterhaft und in seiner Behausung in echt biblischem [279] Sinne ein Patriarch, Eigenschaften, die ihm als Mensch selbst die Achtung politischer Gegner verschafften. Im Nachmärz 1848 von dem neu ernannten ungarischen Ministerium, ohne sein Hinzuthun, zum Obergespan des Sároser Comitates ernannt, erschien er in Pesth, um in dieser Eigenschaft als Mitglied der Magnatentafel des Reichstages an den Verhandlungen desselben Theil zu nehmen. In demselben spielte er nun eine hervorragende Rolle, er ging direct auf sein Ziel los, um jeden Preis der gänzlichen Unabhängigkeit Ungarns eine freie Gasse zu bahnen. Was er im Hause sprach, zielte fest und entschieden nach dieser Richtung. Er wurde „der Wiedertäufer“ der Magnatentafel, denn auf seinen Antrag nahm man in der Sitzung vom 6. Juli 1848 die Bezeichnung „Oberhaus“ für die legislative Aristokratie an. Als drei Tage später, am 9. Juli, Eugen Beöthy [Bd. I, S. 286] seinen Antrag bezüglich der Unterordnung der Magnatentafel einbrachte, nannte Ujházy dieselbe „eine bloße geschichtliche Tradition. Das Haus bestehe aus so verschiedenen willkürlich zusammengesetzten Elementen, wie schon die einseitige Vertretung der Religionsparteien beweise, daß man mit einer derlei Tafel, welche nur auf historischem Rechte beruhe, durchaus nicht zufrieden sein könne. Er stimme zwar für den fraglichen Antrag, aber daraus folge noch nicht, daß er die Aufrechthaltung des Oberhauses für nöthig erachte“. Im Laufe der Verhandlungen sprach er seine Ansichten immer offener und unumwundener aus. So in der Adreßdebatte am 21. Juli. „Bei mehreren Nationen“, sagte er, „wo der Krone das Recht der Initiative zusteht, sind die Adressen von hochwichtiger Bedeutung. Wir zwar sind nicht in solcher Lage, dessenungeachtet verdient die Adresse Beachtung; denn erstens debutiren wir mit ihr vor Europa, zweitens liefern wir unsere Kritik der Politik des Ministeriums Batthyány. Schweigen und Mysticismus gefährden Nation wie Thron. Unsere Portefeuilles finden Ungarn der pragmatischen Sanction gemäß verpflichtet, die österreichischen Provinzen gegen den äußeren Feind zu vertheidigen. Ich habe keine Sylbe davon in der pragmatischen Sanction gelesen. Diese besteht aus zwei Abschnitten. Im ersten steht der Dank für den Schutz des Königs gegen feindliche Angriffe; im zweiten wird deshalb das Recht der ungarischen Thronfolge auch auf die weibliche Linie der Dynastie übertragen. Hieraus folgt aber durchaus nicht, daß sich die Nation verpflichtet habe, Oesterreich zu vertheidigen; diese Verpflichtung der Nation aufzubürden, war nicht einmal der damalige Reichstag berechtigt. Darum stimme ich gegen jedes Bajonnet, das man nach Italien senden will“. In der Sitzung vom 25. August stimmte er dem Biharer Obergespan Beöthy bei, als dieser meinte, mit den Worten: „da die Ereignisse von Tag zu Tag drückender werden“, sei Alles gesagt und alles Uebrige durchwegs Phrase, und dann schloß er lakonisch: „Jedermann weiß, was diese Ereignisse bedeuten“. In der Sitzung vom 29. August, in der Militärdebatte aber sprach er ganz offen heraus: „Ich will entschieden wissen, ob die magna charta des März zur Wirklichkeit werde, oder ob auf einem Blatte des Gesetzbuches nur so viel aufgezeichnet stehe, daß es der Nachkommenschaft vorbehalten werde, das zu thun, wozu wir entweder nicht den Willen oder nicht den Muth hatten. Wenn einmal eine Revolution eingetreten ist, so müssen alle ihre Folgen angenommen werden, sonst war jede [280] Mühe vergebens“. Als dann der Krieg zum Ausbruch kam, im September 1848, vertauschte auch Ujházy die Magnatentafel mit dem Werbetisch und schlug letzteren in der Üllőerstraße Nr. 814 in Pesth auf. Dorthin berief er alle Kampflustigen, die sich auf seinen Aufruf in ein neues auf eigene Kosten sich ausrüstendes Freicorps sammeln wollten. Er selbst mit seinen drei Söhnen trat in diese Freischaar. Denselben Aufruf wiederholte er am 5. December in Preßburg, wohin er an der Seite [BLKÖ:Csányi, Ladislaus|Csányi’s]] [Bd. III, S. 42] gegangen war. Dieser Aufruf war schon insofern verlockender, als die Werbung für ein Jägercorps erfolgte, welches vom Staate aus mit Ausrüstung, Equipirung und Bewaffnung versehen werden, bis zum Schlusse des Krieges dienen und per Mann außer der reglementmäßigen Brot- und Fleischration auch noch eine tägliche Löhnung von zwölf Kreuzern erhalten sollte. Als dieses Corps dann aufgestellt war, nahm er im Winterfeldzuge Görgey’s unter Guyon an der Erstürmung des Branyiskopasses thätigen Antheil. Bei der Annäherung des Feldmarschalls Windischgrätz zog er mit der revolutionären ungarischen Regierung nach Debreczin und lebte daselbst in Dürftigkeit, sah Frau und Töchter die niedrigsten häuslichen Arbeiten besorgen und hatte als Vater die drückende Sorge um das Loos seiner im Revolutionsheere dienenden Söhne. Später wurde er zum Civilgouverneur der Festung Komorn ernannt. Er blieb es bis zur erfolgten Capitulation, in welche er mitinbegriffen war, worauf er dann mit seiner Gattin, drei Söhnen und zwei Töchtern auswanderte. Er ging nach Nordamerika, und zwar nach dem Staate Iowa, um sich dort im County Decatur anzusiedeln. Die amerikanische Regierung wies ihm und denen, die mit ihm gekommen, in der damals noch völlig brachliegenden Gegend Gründe an, und sie nahmen davon so viel in Beschlag, als sie von einem Punkte aus übersehen konnten, etwa vierzigtausend Morgen Landes. Mit großer Mühe und nach einer langwierigen beschwerlichen Reise waren sie an Ort und Stelle angelangt, und unter furchtbaren Anstrengungen mit an so schwere Arbeit doch nicht gewöhnten Händen brachten sie es dahin, einen Theil des Bodens aufzubrechen und ein paar Blockhütten zu errichten. Bis dahin hatten sie in Zelten gewohnt. Ujházy nannte die neue Colonie „New Buda“, und die ersten Ansiedler hegten keine geringere Hoffnung, als daß in der neuen Welt eine ungarische Stadt erstehen werde. Die Nachricht von dem neuen ungarischen Heim verbreitete sich, und von sanguinischen Hoffnungen angespornt, kamen aus allen Welttheilen, in welche die ungarischen Verbannten zerstreut waren, Flüchtlinge herbei, um sich in New Buda anzusiedeln, dessen gebirgige waldige Gegend mit dem Heveser und Neograder Comitate einige Aehnlichkeit hat. Mittlerweile aber waren die Ansiedler erst auf die Bedingungen aufmerksam gemacht worden, unter welchen die amerikanische Regierung Land vertheilt. Jeder einzelne Colonist hatte nur auf 160 Morgen Anspruch, und so bildete das durch die ungarischen Pioniers von Horizont zu Horizont in Beschlag genommene Land kein Eigenthum derselben. Die sich schon eine Hütte errichtet und Felder urbar gemacht hatten, blieben, alle Andern zogen wieder fort, um anderwärts ihr Glück zu versuchen. Auch Ladislaus Ujházy, der eigentliche Gründer von New Buda verließ die Colonie und siedelte sich später in Texas [281] an. Von dort gab er 1861 seinem Vaterlande ein Lebenszeichen von sich. Das Sároser Comitat wählte ihn zum Mitgliede der Comitatscommission und gab ihm diese Wahl nach Texas bekannt. Er richtete demzufolge an das Sároser Comitat ein Schreiben, worin er vorerst seinen Dank für die Wahl ausspricht, dann aber, seiner alten politischen Richtung treu, hinzufügt, daß sein am 14. April 1849 in Debreczin abgelegter Eid ihm nicht gestatte, „wieder Unterthan der gegenwärtigen Regierung zu werden. Indessen hoffe er noch eine andere Gestaltung der politischen Verhältnisse Ungarns zu erleben, die ihm die Rückkehr ermöglichen und ihn das Grab im geliebten Vaterlande finden lassen werde“. Der Comitatsausschuß nahm von diesem Briefe mit großer Rührung Kenntniß und beschloß, das Bild Ujházy’s gleich denen der übrigen Obergespäne im Comitatssaale aufzuhängen. In Texas hatte sich Ujházy in der Nähe der Stadt Antonio seßhaft gemacht und seiner Besitzung daselbst den Namen „Almos Creek“ gegeben. Als ihm die Nachricht von dem mittlerweile erfolgten ungarischen Ausgleich zugekommen war, richtete er an die Redaction der „New York Tribune“ im Mai des Jahres 1867 ein Schreiben, welches wir hier seinem vollen Wortlaute nach folgen lassen: „Ich, der Unterzeichnete, billige und unterschreibe bis zum letzten Buchstaben die kürzlich veröffentlichte Erklärung des Gouverneurs Ludwig Kossuth, welche beweist, daß die ungarische Nation durch die Annahme des neuen Compromisses oder Ausgleichs einen politischen Selbstmord begangen. Ich gebe daher auch keinen Pfennig für die in dieser Weise hergestellte Constitution, welche nach einem ebenso unglücklichen als lächerlichen, von Déak inaugurirten Plane die seit neun Jahrhunderten unbestrittene Unabhängigkeit des ungarischen Königreichs feige preisgibt. Die Nachwelt wird über diesen an den Rechten des ungarischen Volkes begangenen Hochverrath (!?) richten. Ihr ergebener Diener Ladislaus Ujházy, Almos-Creek in der Nähe der Stadt San Antonio. Texas am 19. Mai 1867“. Zugleich setzte er in einem längeren an die Redaction des „Magyar Ujság“ gerichteten Briefe die Gründe auseinander, die ihn veranlassen, von der Amnestie keinen Gebrauch zu machen. Die in diesem Schreiben enthaltenen Motive sind bezeichnend für seinen politischen Charakter. „Wer Sündenverzeihung annimmt“, schreibt er, „bekennt, daß er schuldig war; das stelle ich aber rundweg in Abrede. Wir waren keine Aufwiegler, wir griffen nicht die rechtlichen Zustände der Nation an, sondern wir haben die gesetzliche Constitution gegen Angriffe vertheidigt. Die Regierung war der Verletzende und wir die Verletzten. Aber auch sonst würde ich keine Lust haben, zurückzukehren unter dem Schild der von den Factoren der Legislative verkürzten Verfassung. Ich verstehe darunter immer nur die Majorität der Legislative, denn ich kann nicht glauben, daß das ungarische Volk zu allen diesen Rechtsaufopferungen Ja sagen würde. Uebrigens könnten die letzten Mohikaner, die Getreuen der absoluten Unabhängigkeit ohnehin nichts mehr an den jetzigen Verhältnissen ändern. Was ein voreiliges Votum der Reichstagsmajorität niedergerissen, das kann nur die Zeit wieder aufbauen. Der größere Theil der Nation ist schon ermüdet durch die vielen Leiden und hat seine unveräußerlichen Rechte eingetauscht blos gegen die Hoffnung eines bischens Wohlfahrt. [282] Auch wir – die Verbannten – haben gelitten, aber die Leiden haben die Hoffnung in uns nicht unterdrückt. Wir erwarten unerschütterlich den glorreichen Tag, an dem die Fahne der ungarischen Unabhängigkeit aufs Neue aufgepflanzt wird. Jetzt ist unser Lager leider getheilt: in dem einen, nahe an der Leitha, ist der Wahlspruch: „Opportunität und Bequemlichkeit“; in dem anderen, nahe an der Theiß: „Rechtscontinuität und Ausdauer“. Die Geschichte wird über uns urtheilen, denn sie ist das Weltgericht“. Die ferneren Geschicke Ujházy’s sind uns nicht bekannt, wohl lebt er noch auf seiner Farm, nächst San Antonio in Texas. Bald nach Niederwerfung des Achtundvierziger-Aufstandes erschien eine Charakteristik Ujházy’s, der wir folgende bezeichnende Züge entnehmen: „Er gleicht jenen unscheinbaren Zwergbäumen, die ihre Wurzeln in den festesten Felsen langsam erstarken ließen, von aller Wett übersehen wurden, ihrerzeit aber die scheinbar allmächtigen Basaltgefüge zersprengen und stark genug sind, die Kluft täglich breiter zu gestalten. Er war der Hellseher, der die bereits auf dem Vierundvierziger-Reichstage geschehene Spaltung des österreichischen Kaiserthums mit scharfem Auge erfaßte und, dieses fait accompli sicher, entschlossen und um jeden Preis der gänzlichen Unabhängigkeit Ungarns eine freie Gasse zu bahnen strebte. Jedes Wort aus seinem Munde im Parlamente war eine Magnetnadel, die unverrückbar nach diesem Pole hinwies. Ujházy war übrigens weniger eine Figur aus der ersten französischen Revolution als ein Revenant aus den Tagen Cromwell’s. Wie die englischen Rundköpfe mehr auf das Schwert als auf die Debatte hielten, so vertauschte er auch im September die Magnatentafel mit dem Werbetisch. Für ihn gab es nur eine Logik: wenn es im Parlamente nicht nach seinem Sinne ging, dann sammelte er seine Haufen, um mit der rohen Gewalt die ihm mißliebigen Beschlüsse des Parlaments zu corrigiren. Er ging nie en masque auf die Tagesredoute im Pesther Museum und gab sich stets als das, was er war – eine lebendige Reliquie der Rákóczy-Zeit. Ujházy hatte sich, wie schon berichtet, 1826 mit einer Urenkelin Benjowsky’s, einer geborenen Szakmary (geb. 1797) vermält. Sie folgte mit ihren Kindern ihrem Manne ins Exil, in welchem sie zu New Buda im Jahre 1852 starb.

Janothyckh von Adlerstein (Johann). Chronologisches Tagebuch der magyarischen Revolution, und zwar bis zur ersten Wiederbesetzung Pesth-Ofens durch die k. k. Truppen (Wien 1851, Sollinger’s Witwe, 8°.) Bd. III, S. 11, 13, 20, 54, 155 und 156. – Levitschnigg (Heinrich Ritter von). Kossuth und seine Bannerschaft. Silhouetten aus dem Nachmärz in Ungarn (Pesth 1850, Heckenast, 8°.) Bd. II, S. 96. – Kertbeny (K. M.). Die Ungarn im Auslande. I. Namensliste ungarischer Emigration seit 1849, 2000 Namen mit biographischem Signalement (Brüssel und Leipzig 1864, Kießling und Comp., 12°.) S. 69, Nr. 1769–1776 [gibt in steckbriefartiger Weise Nachricht über acht Ujházy’s]. – Die Heimat (Wiener illustr. Blatt, 4°.) 1877, S. 424: „Eine ungarische Colonie in Amerika“. – Neue Freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1867, Nr. 1006 und 1061. – – Nagy (Iván). Magyarország családai czimerekkel és nemzékrendi táblákkal, d. i. Die Familien Ungarns mit Wappen und Stammtafeln (Pesth 1865, M. Ráth, gr. 8°.) Bd. XI, S. 385.