Bekanntmachung, betreffend allgemeine polizeiliche Bestimmungen über die Anlegung von Landdampfkesseln

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Titel: Bekanntmachung, betreffend allgemeine polizeiliche Bestimmungen über die Anlegung von Landdampfkesseln.
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Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1909, Nr. 2, Seite 3 - 50
Fassung vom: 17. Dezember 1908
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Bekanntmachung: 9. Januar 1909
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(Nr. 3556.) Bekanntmachung, betreffend allgemeine polizeiliche Bestimmungen über die Anlegung von Landdampfkesseln. Vom 17. Dezember 1908.

Auf Grund des § 24 Abs. 2 der Gewerbeordnung hat der Bundesrat nachstehende

Allgemeine polizeiliche Bestimmungen über die Anlegung von Landdampfkesseln

erlassen.

I. Geltungsbereich der Bestimmungen.[Bearbeiten]

§ 1.[Bearbeiten]

1. Als Dampfkessel im Sinne der nachstehenden Bestimmungen gelten alle geschlossenen Gefäße, die den Zweck haben, Wasserdampf von höherer als der atmosphärischen Spannung zur Verwendung außerhalb des Dampfentwicklers zu erzeugen.
2. Als Landdampfkessel (Dampfkessel) gelten außer den an Land benutzten feststehenden und beweglichen Dampfkesseln auch die vorübergehend auf schwimmenden und im Wasser beweglichen Bauten aufgestellten Dampfkessel.
3. Den Bestimmungen für Landdampfkessel werden nicht unterworfen:
a) Behälter, in denen Dampf, der einem anderen Dampfentwickler entnommen ist, durch Einwirkung von Feuer besonders erhitzt wird (Dampfüberhitzer);
b) Kessel, die mit einer Einrichtung versehen sind, welche verhindert, daß die Dampfspannung ½ Atmosphäre Überdruck übersteigen kann (Niederdruckkessel). Als Einrichtungen dieser Art gelten:
α) ein unverschließbares, vom Wasserraum ausgehendes Standrohr von nicht über 5.000 Millimeter Höhe und mindestens 80 Millimeter Lichtweite;
β) ein vom Dampfraum ausgehendes, nicht abschließbares Rohr in Heberform oder mit mehreren auf- und absteigenden Schenkeln, [4] dessen aufsteigende Äste bei Wasserfüllung zusammen nicht über 5.000 Millimeter, bei Quecksilberfüllung nicht über 370 Millimeter Länge haben dürfen, wobei die Lichtweite dieser Rohre so bemessen werden muß, daß auf 1 Quadratmeter Heizfläche (§ 3 Abs. 3) ein Rohrquerschnitt von mindestens 350 Quadratmillimeter entfällt. Die Lichtweite der Rohre muß mindestens 30 Millimeter betragen und braucht 80 Millimeter nicht zu überschreiten;
γ) jede andere von der Zentralbehörde des zuständigen Bundesstaats genehmigte Sicherheitsvorrichtung.
c) Zwergkessel, das heißt Dampfentwickler, deren Heizfläche 1/10 Quadratmeter und deren Dampfspannung 2 Atmosphären Überdruck nicht übersteigt, sofern sie mit einem zuverlässigen Sicherheitsventil ausgerüstet sind.
4. Für die Kessel in Eisenbahnlokomotiven bleiben die auf Grund der Artikel 42 und 43 der Reichsverfassung erlassenen besonderen Bestimmungen in Kraft.

II. Bau.[Bearbeiten]

§ 2. Kesselwandungen.[Bearbeiten]

1. Jeder Dampfkessel muß in Bezug auf Baustoff, Ausführung und Ausrüstung den anerkannten Regeln der Wissenschaft und Technik entsprechen. Als solche Regeln gelten bis auf weiteres die in den Anlagen I und II zusammengestellten Grundsätze, welche entsprechend den Bedürfnissen der Praxis und den Ergebnissen der Wissenschaft auf Antrag oder nach Anhörung einer durch Vereinbarung der verbündeten Regierungen anerkannten Sachverständigenkommission fortgebildet werden.
2. Die von den Heizgasen berührten Teile der Wandungen der Dampfkessel dürfen nicht aus Gußeisen oder Temperguß hergestellt werden; andere nur, sofern ihre lichten Querschnitte kreisförmig sind und ihre lichte Weite 250 Millimeter nicht übersteigt. Für höhere Dampfspannungen als 10 Atmosphären Überdruck ist Gußeisen oder Temperguß in keinem Teile der Kesselwandungen gestattet. Formflußeisen darf für alle nicht im ersten Feuerzuge liegenden Teile der Wandungen benutzt werden. Auf Gehäusewandungen von Dampfzylindern, die mit dem Dampfkessel verbunden sind, finden die vorstehenden Bestimmungen keine Anwendung.
3. Als Wandungen der Dampfkessel gelten die Wandungen derjenigen Räume, welche zwischen den Absperrventilen (§ 6 Abs, 1, 2 und 3) liegen. Den Kesselwandungen sind die mit ihnen verbundenen Anschlußteile gleich zu achten.
4. Die Verwendung von Messingblech ist nur für Feuerrohre gestattet, deren lichte Weite 80 Millimeter nicht übersteigt. [5]

§ 3. Feuerzüge.[Bearbeiten]

1. Die Feuerzüge der Dampfkessel müssen an ihrer höchsten Stelle mindestens 100 Millimeter unter dem festgesetzten niedrigsten Wasserstande liegen. Bei Dampfkesseln, deren Wasseroberfläche kleiner als das 1,3fache der gesamten Rostfläche ist, muß dieser Abstand mindestens 150 Millimeter betragen. Bei Innenzügen ist der Mindestabstand über den von den Heizgasen berührten Blechen zu messen.
2. Die Bestimmungen über die Höhenlage der Feuerzüge finden keine Anwendung auf Dampfkessel, deren von den Heizgasen berührte Wandungen ausschließlich aus Wasserrohren von weniger als 100 Millimeter Lichtweite oder aus derartigen Rohren und den zu ihrer Verbindung angewendeten Rohrstücken bestehen, sowie auf solche Feuerzüge, in welchen ein Erglühen des mit dem Dampfraum in Berührung stehenden Teiles der Wandungen nicht zu befürchten ist. Die Gefahr des Erglühens ist in der Regel als ausgeschlossen zu betrachten, wenn die vom Wasser bespülte Kesselfläche, welche von den Heizgasen vor Erreichung der vom Dampfe bespülten Kesselfläche bestrichen wird, bei natürlichem Luftzuge mindestens zwanzigmal, bei künstlichem Luftzüge mindestens vierzigmal so groß ist als die gesamte Rostfläche. Bei Dampfkesseln ohne Rost ist der 4fache Betrag des Querschnitts des ersten Feuerzugs, unter Ausschluß des verengten Querschnitts über der Feuerbrücke, als der Rostfläche gleichstehend zu erachten.
3. Als Heizfläche der Dampfkessel gilt der auf der Feuerseite gemessene Flächeninhalt der einerseits von den Heizgasen, andererseits vom Wasser berührten Wandungen.
4. Als künstlicher Luftzug gilt jeder durch andere Mittel als den Schornsteinzug erreichte Luftzug, welcher bei saugender Wirkung in der Regel mehr als 25 Millimeter Wassersäule, gemessen hinter dem letzten Feuerzuge, bei Preßluft mehr als 30 Millimeter Wassersäule, gemessen unter dem Roste, beträgt.

III. Ausrüstung.[Bearbeiten]

§ 4. Speisevorrichtungen.[Bearbeiten]

1. Jeder Dampfkessel muß mit mindestens zwei zuverlässigen Vorrichtungen zur Speisung versehen sein, die nicht von derselben Betriebsvorrichtung abhängig sind. Mehrere zu einem Betriebe vereinigte Dampfkessel werden hierbei als ein Kessel angesehen.
2. Jede der Speisevorrichtungen muß imstande sein, dem Kessel doppelt so viel Wasser zuzuführen, als seiner normalen Verdampfungsfähigkeit entspricht. Bei Pumpen, die unmittelbar von der Hauptbetriebsmaschine angetrieben werden (Maschinenspeisepumpen), genügt das 1½fache der normalen Verdampfungsfähigkeit. [6] Zwei oder mehrere Speisevorrichtungen, die zusammen die geforderte Leistung ergeben, sind als eine Speisevorrichtung anzusehen. Maschinenspeisepumpen werden, wenn die Kessel beim Stillstande der Maschine auch noch anderen Zwecken dienen, nur dann als zweite Speisevorrichtung angesehen, wenn es dem regelmäßigen Betrieb entspricht, daß die Maschinen zum Speisen in Gang gesetzt werden.
3. Handpumpen sind nur zulässig, wenn das Produkt aus der Heizfläche in Quadratmeter und der Dampfspannung in Atmosphären Überdruck die Zahl 120 nicht übersteigt.
4. Die unmittelbare Benutzung einer Wasserleitung an Stelle einer der Speisevorrichtungen ist zulässig, wenn der nutzbare Druck der Wasserleitung am Kessel jederzeit mindestens 2 Atmosphären höher als der genehmigte Dampfdruck im Kessel ist.

§ 5. Speiseventile und Speiseleitungen.[Bearbeiten]

1. In jeder zum Dampfkessel führenden Speiseleitung muß möglichst nahe am Kesselkörper ein Speiseventil (Rückschlagventil) angebracht sein, das bei Abstellung der Speisevorrichtungen durch den Druck des Kesselwassers geschlossen wird.
2. Die Speiseleitung muß möglichst so beschaffen sein, daß sich der Dampfkessel bei undichtem Rückschlagventil nicht durch die Speiseleitung entleeren kann. Haben Speisevorrichtungen gemeinschaftliche Sauge- oder Druckleitung, so muß jede Speisevorrichtung von der gemeinschaftlichen Leitung abschließbar sein. Übereinander liegende Verbundkessel mit getrennten Wasserräumen sowie Dampfkessel mit verschieden hohem Betriebsdrucke müssen je für sich gespeist werden können.

§ 6. Absperr- und Entleerungsvorrichtungen.[Bearbeiten]

1. Jeder Dampfkessel muß mit einer Vorrichtung versehen sein, durch die er von der Dampfleitung abgesperrt werden kann. Wenn mehrere Kessel, die für verschiedene Dampfspannung genehmigt sind, ihre Dämpfe in gemeinschaftliche Dampfleitungen abgeben, so müssen die Anschlüsse der Kessel mit niedrigerem Drucke an die gemeinsame Dampfleitung unter Zwischenschaltung eines Rückschlagventils erfolgen. Durch die Anwendung von Druckminderventilen oder Druckreglern wird das Rückschlagventil nicht entbehrlich gemacht.
2. Jeder Dampfkessel muß zwischen dem Speiseventil und dem Kesselkörper eine Absperrvorrichtung erhalten, auch wenn das Speiseventil abschließbar ist.
3. Jeder Dampfkessel muß mit einer zuverlässigen Vorrichtung versehen werden, durch die er entleert werden kann. [7]
4. Die Speiseabsperrvorrichtungen und die Entleerungsvorrichtungen müssen gegen die Einwirkung der Heizgase geschützt sein und ebenso wie alle anderen Absperrvorrichtungen (§ 5 Abs. 2, § 6 Abs. 1) so angebracht werden, daß der verantwortliche Wärter sie leicht bedienen kann.

§ 7. Wasserstandsvorrichtungen.[Bearbeiten]

1. Jeder Dampfkessel muß mit mindestens zwei geeigneten Vorrichtungen zur Erkennung seines Wasserstandes versehen sein, von denen wenigstens die eine ein Wasserstandsglas sein muß. Schwimmer und Schmelzpfropfen sowie Spindelventile, die nicht durchstoßbar sind oder sich ganz herausdrehen lassen, sind als zweite Vorrichtung nicht zulässig. Die Vorrichtungen müssen gesonderte Verbindungen mit dem Innern des Kessels haben. Es ist jedoch gestattet, sie an einem gemeinschaftlichen Körper anzubringen, oder, falls zwei Wasserstandsgläser gesondert voneinander durch Rohre mit dem Kessel verbunden werden, die Dampfrohre durch eine gemeinsame Öffnung in den Kessel zu führen, wenn die Öffnung mindestens dem Gesamtquerschnitte beider Rohre gleich ist.
2. Werden die Wasserstandsvorrichtungen an einem gemeinschaftlichen Körper angebracht, so müssen dessen Verbindungen mit dem Wasser- und Dampfraume mindestens je 6.000 Quadratmillimeter lichten Querschnitt haben. Werden die Wasserstandsvorrichtungen einzeln durch Rohre mit dem Kessel verbunden, so müssen die Verbindungsrohre ohne scharfe Krümmungen geführt sein, unter Vermeidungen von Wasser- und Dampfsäcken. Gerade, nach dem Kessel durchstoßbare Verbindungsrohre müssen mindestens 20 Millimeter, gebogene Verbindungsrohre bei Kesseln bis zu 25 Quadratmeter Heizfläche mindestens 35 Millimeter, über 25 Quadratmeter Heizfläche mindestens 45 Millimeter lichten Durchmesser haben. Verbindungsrohre sind gegen die Einwirkung der Heizgase zu schützen. Gebogene Zuleitungsrohre im Innern des Kessels zum Anschluß an die Wasserstandsvorrichtungen sind nicht gestattet.
3. Die Lichtweiten der Wasserstandsgläser sowie die Bohrungen der Wasserstandsvorrichtungen müssen mindestens 8 Millimeter betragen. Die Hähne und Ventile der Wasserstandsvorrichtungen müssen so eingerichtet sein, daß man während des Betriebs in gerader Richtung durch die Vorrichtungen hindurchstoßen kann. Wasserstandshahnköpfe müssen so ausgeführt sein, daß das Dichtungsmaterial nicht in das Glas gepreßt werden kann.
4. Alle Hahnkegel der Wasserstandsvorrichtungen müssen sich ganz durchdrehen lassen. Die Durchgangsrichtung muß bei allen Hähnen deutlich auf dem Hahnkopfe gekennzeichnet sein. Die Bohrung der Hahnkegel an Wasserstandsvorrichtungen muß so beschaffen sein, daß sich der Durchgangsquerschnitt beim Nachschleifen nicht vermindert.
5. Werden Probierhähne oder Probierventile als zweite Vorrichtung angewendet, so ist die unterste dieser Vorrichtungen in der Ebene des festgesetzten [8] niedrigsten Wasserstandes anzubringen. Die Höhenlage der Wasserstandsgläser ist so zu wählen, daß der höchste Punkt der Feuerzüge mindestens 30 Millimeter unterhalb der unteren sichtbaren Begrenzung des Wasserstandsglases liegt. Dieses Erfordernis gilt nicht für Kessel, deren von den Heizgasen berührte Wandungen ausschließlich aus Wasserrohren von weniger als 100 Millimeter Lichtweite oder aus solchen Rohren und den zu ihrer Verbindung angewendeten Rohrstücken bestehen.
6. Es müssen Einrichtungen für ständige, genügende Beleuchtung der Wasserstandsvorrichtungen während des Betriebs der Dampfkessel vorhanden sein. Die Wasserstandsvorrichtungen müssen im Gesichtskreise des für die Speisung verantwortlichen Wärters liegen und von seinem Standorte leicht zugänglich sein.

§ 8. Wasserstandsmarke.[Bearbeiten]

1. Der für den Dampfkessel festgesetzte niedrigste Wasserstand ist durch eine an der Kesselwandung anzubringende feste Strichmarke von etwa 30 Millimeter Länge, die von den Buchstaben N. W. begrenzt wird, dauernd kenntlich zu machen. Die Strichmarke ist bei der Bauprüfung des Dampfkessels unter Berücksichtigung des dem Kessel bei der Aufstellung etwa zu gebenden Gefälls festzulegen. Ihre Höhenlage ist durch Angabe ihres Abstandes von einem jederzeit erreichbaren Kesselteil in der über die Abnahmeprüfung aufzunehmenden Bescheinigung dann zu sichern, wenn die Marke nicht sichtbar bleibt.
2. Werden die Wasserstandsvorrichtungen unmittelbar an der Kesselwandung angebracht, so ist neben oder hinter jedem Wasserstandsglas in Höhe der Strichmarke ein Schild mit der Bezeichnung „Niedrigster Wasserstand“ mit einem bis nahe an das Wasserstandsglas reichenden wagerechten Zeiger anzubringen. Werden die Wasserstandsvorrichtungen an besonderen Wasserstandskörpern oder Rohren befestigt, so ist mit diesen in Höhe der Strichmarke neben oder hinter jedem Wasserstandsglase das vorbezeichnete Schild mit dem Zeiger zu verbinden. Für Dampfkessel mit weniger als 25 Quadratmeter Heizfläche kann, wenn es an Platz mangelt, die Bezeichnung „Niedrigster Wasserstand“ in N. W. abgekürzt werden. Die Schilder sind dauerhaft, aber weder mit den Schrauben der Armaturgegenstände noch an der Bekleidung zu befestigen.

§ 9. Sicherheitsventil.[Bearbeiten]

1. Jeder feststehende Dampfkessel ist mit wenigstens einem zuverlässigen Sicherheitsventil, jeder bewegliche Dampfkessel mindestens mit zwei solchen Ventilen zu versehen. Die Sicherheitsventile müssen zugänglich und so beschaffen sein, daß sie jederzeit gelüftet und auf ihrem Sitze gedreht werden können. Bei Ventilen, die durch Hebel und Gewicht belastet werden, darf der auf jedes Ventil [9] durch den Dampf ausgeübte Druck 600 Kilogramm nicht überschreiten. Die Belastungsgewichte der Ventile müssen je aus einem Stücke bestehen. Sind zwei Ventile vorgeschrieben, so muß ihre Belastung unabhängig voneinander erfolgen. Der Dampf darf den Ventilen nicht durch Rohre zugeführt werden, die innerhalb des Kessels liegen. Geschlossene Ventilgehäuse müssen in ihrem tiefsten Punkte mit einer nicht abschließbaren Entwässerungsvorrichtung versehen sein. Bei Hebelventilen ist die Stellung des Gewichts durch Splinte, bei Federventilen die Spannung der Federn durch Sperrhülsen oder feste Scheiben zu sichern.
2. Die Sicherheitsventile dürfen höchstens so belastet werden, daß sie bei Eintritt der für den Kessel festgesetzten Dampfspannung den Dampf entweichen lassen. Ihr Querschnitt muß bei normalem Betrieb imstande sein, so viel Dampf abzuführen, daß die festgesetzte Dampfspannung höchstens um 1/10 ihres Betrags überschritten wird. Sind zwei Sicherheitsventile vorgeschrieben oder bedingt die Größe des Kessels mehrere Ventile, so muß ihr Gesamtquerschnitt dieser Anforderung entsprechen. Änderungen in den Belastungsverhältnissen, die den Druck des Ventilkegels gegen den Sitz erhöhen, dürfen nur durch die amtlichen Sachverständigen vorgenommen werden. Über jede Änderung der bei der amtlichen Abnahme festgesetzten Belastung ist von dem dazu Berechtigten ein Vermerk in das Revisionsbuch (§ 19) aufzunehmen.

§ 10. Manometer.[Bearbeiten]

Mit dem Dampfraume jedes Dampfkessels muß ein zuverlässiges, nach Atmosphären (§ 12) geteiltes Manometer verbunden sein. Dieser Bestimmung wird auch durch Anschluß des Manometers an den Dampfraum eines dem § 7 Abs. 2 entsprechenden besonderen Wasserstandskörpers genügt. An dem Zifferblatte des Manometers ist die festgesetzte höchste Dampfspannung durch eine unveränderliche, in die Augen fallende Marke zu bezeichnen. Das Manometer muß die Ablesung des bei der Druckprobe anzuwendenden Probedrucks (§§ 12 und 13) gestatten. Es muß so angebracht sein, daß es gegen die vom Kessel ausstrahlende Hitze möglichst geschützt ist und daß seine Angaben vom Kesselwärter jederzeit ohne Schwierigkeiten beobachtet werden können. Die Leitung zum Manometer muß mit einem Wassersacke versehen und zum Ausblasen eingerichtet sein.

§ 11. Fabrikschild.[Bearbeiten]

1. An jedem Dampfkessel muß die festgesetzte höchste Dampfspannung, der Name und Wohnort des Fabrikanten, die laufende Fabriknummer und das Jahr der Anfertigung auf eine leicht erkennbare und dauerhafte Weise angegeben sein.
2. Diese Angaben sind auf einem metallenen Schilde (Fabrikschild) anzubringen, das mit versenkt vernieteten kupfernen Stiftschrauben so am Kessel befestigt werden muß, daß es auch nach der Ummantelung oder Einmauerung des letzteren sichtbar bleibt. [10]

IV. Prüfung.[Bearbeiten]

§ 12. Bauprüfung, Druckprobe und Abnahme neu oder erneut zu genehmigender Dampfkessel.[Bearbeiten]

1. Jeder neu oder erneut zu genehmigende Dampfkessel ist vor der Inbetriebnahme von einem zuständigen Sachverständigen einer Bauprüfung, einer Prüfung mit Wasserdruck und der nach § 24 Abs. 3 der Gewerbeordnung vorgeschriebenen Abnahmeprüfung zu unterziehen. Die Bauprüfung und Druckprobe müssen vor der Einmauerung oder Ummantelung des Kessels ausgeführt werden; sie sind möglichst miteinander zu verbinden. Die Bauprüfung kann jedoch auf Antrag des Fabrikanten auch während der Herstellung des Dampfkessels vorgenommen werden. Bei neu zu genehmigenden Dampfkesseln kann, wenn seit der letzten inneren Untersuchung noch nicht zwei Jahre verflossen sind, nach dem Ermessen des Sachverständigen von der Durchführung dieser Bestimmungen insoweit abgesehen werden, als eine erneute Prüfung für die Erneuerung der Genehmigung nicht erforderlich ist.
2. Die Bauprüfung erstreckt sich auf die planmäßige Ausführung der Abmessungen, den Baustoff und die Beschaffenheit des Kesselkörpers. Bei ihrer Ausführung ist der Dampfkessel äußerlich und, soweit es seine Bauart gestattet, auch innerlich zu untersuchen. Vor Ausführung der Prüfung ist dem Sachverständigen bei neuen Dampfkesseln der Nachweis darüber zu erbringen, daß der zu den Wandungen des Kessels verwendete Baustoff nach Maßgabe der Anlage I geprüft worden ist. Aber die Bauprüfung hat der Sachverständige ein Zeugnis nach Maßgabe der Anlage III auszustellen und mit diesem den Materialnachweis und – falls nicht eine bereits genehmigte Zeichnung vorgelegt wird – die den Abmessungen des Dampfkessels zu Grunde gelegte Zeichnung zu verbinden. Vom Lieferer sind im letzteren Falle zwei Zeichnungen des Dampfkessels zur Verfügung des Sachverständigen zu halten. Bei erneut zu genehmigenden Dampfkesseln hat der Sachverständige in dem Zeugnis über die Bauprüfung zugleich ein Gutachten darüber abzugeben, mit welcher Dampfspannung der Kessel zum Betriebe geeignet erscheint.
3. Die Wasserdruckprobe erfolgt bei Dampfkesseln bis zu 10 Atmosphären Überdruck mit dem 1½fachen Betrage des beabsichtigten Überdrucks, mindestens aber mit 1 Atmosphäre Mehrdruck, bei Dampfkesseln über 10 Atmosphären Überdruck mit einem Drucke, der den beabsichtigten um 5 Atmosphären übersteigt. Die Kesselwandungen müssen während der ganzen Dauer der Untersuchung dem Probedrucke widerstehen, ohne undicht zu werden oder bleibende Formveränderungen aufzuweisen. Sie sind für undicht zu erachten, wenn das Wasser bei dem Probedruck in anderer Form als der von feinen Perlen durch die Fugen dringt. Über die Prüfung mit Wasserdruck hat der Sachverständige ein Zeugnis nach Maßgabe der Anlage IV auszustellen. [11]
4. Unter dem Atmosphärendrucke wird der Druck von einem Kilogramm auf das Quadratzentimeter verstanden.
5. Nachdem die Bauprüfung und die Wasserdruckprobe mit befriedigendem Erfolge stattgefunden haben, sind die Niete des Fabrikschildes (§ 11) von dem zu ständigen Sachverständigen mit dem amtlichen Stempel zu versehen, der in dem Prüfungszeugnis über die Wasserdruckprobe (siehe Anlage IV) abzudrucken ist. Einer Erneuerung des Stempels bedarf es bei alten, erneut zu genehmigenden Dampfkesseln nicht, wenn der alte Stempel noch gut erhalten ist und mit dem amtlichen Stempel des Sachverständigen übereinstimmt.
6. Die endgültige Abnahme der Dampfkesselanlage muß unter Dampf erfolgen. Dabei ist zu untersuchen, ob die Ausführung der Anlage den Bedingungen der erteilten Genehmigung entspricht. Nach dem befriedigenden Ausfalle dieser Untersuchung und der Behändigung der Abnahmebescheinigung (siehe Anlage V) oder einer Zwischenbescheinigung darf die Kesselanlage ohne weiteres in Betrieb genommen werden, soweit die baupolizeiliche Abnahme der etwa zur Kesselanlage gehörigen Baulichkeiten stattgefunden und zu keinen Bedenken Anlaß gegeben hat.

§ 13. Druckproben nach Hauptausbesserungen.[Bearbeiten]

1. Dampfkessel, die eine Hauptausbesserung erfahren haben, oder durch Wassermangel oder Brandschaden überhitzt worden sind, müssen vor der Wiederinbetriebnahme von einem zuständigen Sachverständigen einer Prüfung mit Wasserdruck in gleicher Höhe wie bei neu aufzustellenden Dampfkesseln unterzogen werden. Der völligen Bloßlegung des Kessels bedarf es in solchem Falle in der Regel nicht.
2. Von der Außerbetriebsetzung eines Dampfkessels zum Zwecke einer Hauptausbesserung des Kesselkörpers hat der Kesselbesitzer oder sein Stellvertreter der zur regelmäßigen Prüfung des Dampfkessels zuständigen Stelle Anzeige zu erstatten. Die gleiche Pflicht liegt dem Kesselbesitzer oder seinem Vertreter ob, wenn ein Dampfkessel durch Wassermangel oder Brandschaden überhitzt worden ist.

§ 14. Prüfungsmanometer.[Bearbeiten]

1. Der bei der Prüfung ausgeübte Druck muß durch ein von dem zuständigen Sachverständigen amtlich geführtes Doppelmanometer festgestellt werden.
2. An jedem Dampfkessel muß sich in der Nähe des Manometers (§ 10) am Manometerrohr ein mit einem Dreiwegehahn versehener Stutzen zur Anbringung des amtlichen Manometers befinden. Dieser Stutzen muß bei beweglichen Kesseln einen ovalen Flansch von 60 Millimeter Länge und 25 Millimeter Breite besitzen. Die Weite der Schlitze zur Einlegung der Befestigungsschrauben und die Öffnung des Stutzens muß 7 Millimeter, die Länge der Schlitze 20 Millimeter betragen. [12]

V. Aufstellung.[Bearbeiten]

§ 15. Aufstellungsort.[Bearbeiten]

1. Dampfkessel für mehr als 6 Atmosphären Überdruck und solche, bei welchen das Produkt aus der Heizfläche (§ 3 Abs. 3) in Quadratmeter und der Dampfspannung in Atmosphären Überdruck für einen oder mehrere gleichzeitig im Betriebe befindliche Kessel zusammen mehr als 30 beträgt, dürfen unter Räumen, die häufig von Menschen betreten werden, nicht aufgestellt werden. Das Gleiche gilt für die Aufstellung von Dampfkesseln über Räumen, die häufig von Menschen betreten werden, mit Ausnahme der Aufstellung über Kellerräumen. Innerhalb von Betriebsstätten und in besonderen Kesselräumen ist die Aufstellung solcher Dampfkessel unzulässig, wenn die Räume mit fester Wölbung oder fester Balkendecke versehen sind. Feste Konstruktionsteile über einem Teile des Kesselraums, die den Zwecken der Rostbeschickung dienen, sind nicht als feste Balkendecken anzusehen. Trockeneinrichtungen oberhalb des Dampfkessels sowie das Trocknen auf dem Kessel sind nicht zulässig. Bei eingemauerten Dampfkesseln, deren Plattform betreten wird, muß oberhalb derselben eine mittlere verkehrsfreie Höhe von mindestens 1.800 Millimeter vorhanden sein.
2. Dampfkessel, die in Bergwerken unterirdisch oder auf Kraftfahrzeugen aufgestellt werden, und solche, welche ausschließlich aus Wasserrohren von weniger als 100 Millimeter Lichtweite oder aus derartigen Rohren und den zu ihrer Verbindung angewendeten Rohrstücken bestehen, unterliegen den vorstehenden Bestimmungen nicht, Dampfkessel letzterer Art auch dann nicht, wenn sie mit Schlammsammlern und mit Oberkesseln, die nur als Dampfsammler dienen, versehen sind. Auf Wasserkammerrohrkessel mit Rohren unter 100 Millimeter Lichtweite finden die Bestimmungen des Abs. 1 dann keine Anwendung, wenn ihre Rohre nahtlos hergestellt sind, die Wandungen ihrer Oberkessel von den Heizgasen nicht berührt werden und ihr Dampfdruck 6 Atmosphären Überdruck nicht übersteigt.

§ 16. Kesselmauerung.[Bearbeiten]

Zwischen dem Mauerwerke, das den Feuerraum und die Feuerzüge feststehender Dampfkessel einschließt, und den dieses umgebenden Wänden muß ein Zwischenraum von mindestens 80 Millimeter verbleiben, der oben abgedeckt und an den Enden verschlossen werden darf. Die Feuerzüge müssen durch genügend weite Einfahröffnungen zugänglich und in der Regel so groß bemessen sein, daß sie befahrbar sind. Werden die Feuerzüge benachbarter Kessel durch eine gemeinsame Mauer getrennt, so ist diese mindestens 340 Millimeter dick herzustellen. Das Kesselmauerwerk darf nicht zur Unterstützung von Gebäudeteilen benutzt werden. [13]

VI. Bewegliche Dampfkessel und Kleinkessel.[Bearbeiten]

§ 17. Bewegliche Dampfkessel.[Bearbeiten]

Als bewegliche Dampfkessel gelten solche, deren Benutzung an wechselnden Betriebsstätten erfolgt. Als bewegliche Dampfkessel dürfen nur solche Dampfentwickler betrieben werden, zu deren Aufstellung und Inbetriebnahme die Herstellung von Mauerwerk, das den Kessel umgibt, nicht erforderlich ist.

§ 18. Kleinkessel.[Bearbeiten]

Kleinkessel, das sind Dampfentwickler, bei denen das Produkt aus der Heizfläche in Quadratmeter und der Dampfspannung in Atmosphären Überdruck die Zahl 2 nicht übersteigt, gelten hinsichtlich ihres Aufstellungsorts als bewegliche Kessel, auch wenn sie von Mauerwerk umgeben sind und an einem Betriebsorte zu dauernder Benutzung aufgestellt werden.

VII. Allgemeine Bestimmungen.[Bearbeiten]

§ 19. Aufbewahrung der Kesselpapiere.[Bearbeiten]

1. Zu jedem Dampfkessel gehören:
a) Eine Ausfertigung der Urkunde über seine Genehmigung nach Maßgabe der Anlage VI nebst den zugehörigen Zeichnungen und Beschreibungen.
Mit der Urkunde sind die Bescheinigungen über die Bauprüfung, die Wasserdruckprobe und die Abnahme (§ 12) zu verbinden. Letztere Bescheinigung muß einen Vermerk über die zulässige Belastung der Sicherheitsventile enthalten. Gelangen in einer Anlage mehrere Dampfkessel von gleicher Größe, Form, Ausrüstung und Dampfspannung gleichzeitig zur Aufstellung, so ist für diese nur eine Urkunde erforderlich.
b) Ein Revisionsbuch nach Maßgabe der Anlage VII, das die Angaben des Fabrikschildes (§ 11) enthält. Die Bescheinigungen über die im § 13 vorgeschriebenen Prüfungen und die periodischen Untersuchungen müssen in das Revisionsbuch eingetragen oder ihm derart beigefügt werden, daß sie nicht in Verlust geraten können.
2. Die Genehmigungsurkunde nebst den zugehörigen Anlagen oder beglaubigte Abschriften dieser Papiere sowie das Revisionsbuch sind an der Betriebsstätte des Dampfkessels aufzubewahren und jedem zur Aufsicht zuständigen Beamten oder Sachverständigen auf Verlangen vorzulegen. Auf die Dampfkessel [14] von Kraftfahrzeugen und Feuerspritzen findet diese Bestimmung keine Anwendung, wenn ihr Betrieb den Polizeibehörden und den zuständigen Kesselsachverständigen ihres Heimatsorts angemeldet ist.

§ 20. Entbindung von einzelnen Bestimmungen.[Bearbeiten]

1. Bei Kleinkesseln (§ 18) ist es zulässig:
a) von der Anbringung einer zweiten Speisevorrichtung,
b) von dem Speiseventil (Rückschlagventil),
c) von der Anbringung einer zweiten Wasserstandsvorrichtung abzusehen,
d) nur ein Sicherheitsventil anzuwenden, auch wenn der Kessel beweglich betrieben wird,
e) die Lichtweiten der Wasserstandsgläser und die Bohrungen der Wasserstandsvorrichtungen auf 6 Millimeter zu ermäßigen.
2. Im übrigen sind die Zentralbehörden der einzelnen Bundesstaaten befugt, in einzelnen Fällen und für einzelne Kesselarten von der Beachtung der Bestimmungen der §§ 2 bis 19 und des § 21 zu entbinden.

§ 21. Übergangsbestimmungen.[Bearbeiten]

1. Bei Dampfkesseln, die zur Zeit des Inkrafttretens dieser Bestimmung auf Grund der bisher geltenden Vorschriften genehmigt sind, kann eine Abänderung ihres Baues, ihrer Ausrüstung oder Aufstellung nach Maßgabe dieser Bestimmungen so lange nicht gefordert werden, als sie einer erneuten Genehmigung nicht bedürfen.
2. Im übrigen finden die vorstehenden Bestimmungen für die Fälle der erneuten Genehmigung von Dampfkesseln mit der Maßgabe Anwendung, daß dabei von der Durchführung der Bestimmungen des § 2 Abs. 1 und 4 und des § 7 Abs. 5 zweiter Satz abgesehen werden kann. Bei der Genehmigung alter Dampfkessel, deren Materialbeschaffenheit nicht nachgewiesen wird, ist eine Festigkeit von höchstens 30 Kilogramm auf das Quadratmillimeter anzunehmen.

§ 22. Schlußbestimmungen.[Bearbeiten]

1. Die Bekanntmachung, betreffend allgemeine polizeiliche Bestimmungen über die Anlegung von Dampfkesseln, vom 5. August 1890, wird aufgehoben, insoweit sie nicht für bestehende Dampfkesselanlagen Geltung behält. [15]
2. Die Bestimmungen des § 21 Abs. 2 über die zulässige Materialbeanspruchung alter Dampfkessel treten sofort in Kraft. Im übrigen treten die vorstehenden Bestimmungen erst ein Jahr nach ihrer Veröffentlichung in Wirksamkeit. Dampfkessel, die bereits vor diesem Zeitpunkte nach den vorstehenden Bestimmungen gebaut und angelegt werden, sind nicht zu beanstanden.
Berlin, den 17. Dezember 1908.
Der Reichskanzler.

In Vertretung:
von Bethmann Hollweg.

Anlage I.[Bearbeiten]

Anlage II.[Bearbeiten]