Bekanntmachung, betreffend die Einrichtung und den Betrieb der Zinkhütten

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Titel: Bekanntmachung, betreffend die Einrichtung und den Betrieb der Zinkhütten.
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Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1900, Nr. 5, Seite 32–36
Fassung vom: 6. Februar 1900
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 12. Februar 1900
Inkrafttreten:
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(Nr. 2649.) Bekanntmachung, betreffend die Einrichtung und den Betrieb der Zinkhütten. Vom 6. Februar 1900.

Auf Grund der §§. 120e und 139a der Gewerbeordnung hat der Bundesrath über die Einrichtung und den Betrieb der Zinkhütten folgende Vorschriften erlassen:

§. 1.

Die Räume, in denen Zinkerz kalzinirt oder geröstet oder Rohzink durch Destillation gewonnen wird, müssen geräumig, hoch und so eingerichtet sein, daß in ihnen ein ausreichender beständiger Luftwechsel stattfindet.
Sie müssen mit einem ebenen und festen Fußboden versehen sein, der eine leichte Beseitigung des Staubes auf feuchtem Wege gestattet.
Die Wände müssen, um eine Staubansammlung zu vermeiden, eine ebene Oberfläche haben; sie müssen, soweit sie nicht mit einer abwaschbaren Bekleidung oder mit einem Oelfarbenanstriche versehen sind, mindestens einmal jährlich mit Kalk frisch angestrichen werden.
Das Dachgebälk und die Kappen der Destillationsöfen sind mindestens einmal jährlich von Staub gründlich zu reinigen.

§. 2.

In den im §. 1 bezeichneten Räumen muß in der Nähe der Arbeitsstellen gutes, gegen Eindringen von Staub geschütztes Trinkwasser in reichlichen Mengen für die Arbeiter derart bereitgehalten werden, daß sie es jederzeit bequem erreichen können, ohne ins Freie zu treten.
In der Nähe der Oefen sowie in den Röschen sind Einrichtungen zum Besprengen des Fußbodens anzubringen.
Der Fußboden in den im §. 1 bezeichneten Räumen ist mindestens einmal täglich feucht zu reinigen.

§. 3.

Die Zerkleinerung der Zinkerze darf nur in Apparaten erfolgen, die so eingerichtet sind, daß das Eindringen von Staub in die Arbeitsräume verhindert wird.

§. 4.

Die Röstöfen sowie die Kalziniröfen sind mit wirksamen Abzugsvorrichtungen für die entweichenden Gase zu versehen. Der Arbeitgeber ist dafür verantwortlich, daß die Wirksamkeit der Abzugsvorrichtungen während des Ofenbetriebs nicht unterbrochen wird.

§. 5.

Die zum Beschicken der Destillationsöfen bestimmten Erze dürfen zur Vermeidung der Staubbildung nur in angefeuchtetem Zustande vor den Oefen gelagert, mit anderem Materiale gemischt und in die Oefen eingeführt werden. [33]
Diese Vorschrift bleibt außer Anwendung, soweit in einer Zinkhütte große sogenannte schlesische Muffeln im Gebrauche sind. In einem solchen Falle kann jedoch die höhere Verwaltungsbehörde bei besonders gesundheitsschädlicher Beschaffenheit des Beschickungsmaterials dessen Anfeuchtung anordnen.

§. 6.

Staub, Gase und Dämpfe, die den Destillationsöfen entweichen, müssen durch wirksame Einrichtungen möglichst nahe an der Austrittsstelle abgefangen und zum Hüttenraume hinausgeführt werden.
Durch geeignete Abführungsvorkehrungen muß auch das Eindringen der Feuerungsgase in den Hüttenraum thunlichst verhindert werden.

§. 7.

Die Räumasche darf nicht in den Hüttenraum gezogen werden; sie muß in geschlossenen Kanälen unter den Oefen aufgefangen und aus diesen Kanälen unmittelbar in Wagen entleert werden, die sich in Gängen (Röschen) unterhalb der Destillationsräume befinden.
Diese Vorschrift kann für bestehende Anlagen mit Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde außer Anwendung bleiben, sofern Einrichtungen der im Abs. 1 bezeichneten Art nicht oder nur durch unverhältnißmäßig kostspielige Umbauten hergestellt werden können.

§. 8.

Das Sieben und Verpacken der bei der Zinkdestillation gewonnenen Nebenprodukte (Poussière, Flugstaub) darf nur in einem besonderen, von anderen Arbeitsräumen getrennten Raume ausgeführt werden, der den Vorschriften des §. 1 entspricht.
Das Sieben darf nur in Apparaten vorgenommen werden, die so eingerichtet sind, daß eine Verstäubung nach außen nicht stattfinden kann.

§. 9.

Vom 1. Januar 1902 ab darf Arbeiterinnen die Bedienung der Destillationsöfen sowie eine Beschäftigung beim Verladen und Abfahren der Räumasche oder der Asche aus den Feuerungen und bei den im §. 8 bezeichneten Verrichtungen nicht mehr gestattet werden.
Neue Arbeiterinnen dürfen vom Inkrafttreten dieser Bekanntmachung ab zu Beschäftigungen der im Abs. 1 bezeichneten Art nicht mehr herangezogen werden.
Eine Beschäftigung von Arbeiterinnen mit sonstigen im Abs. 1 nicht aufgeführten Arbeiten, die ein Betreten der Destillationsräume erforderlich machen, insbesondere mit dem Heranschaffen des Beschickungsmaterials an die Oefen, ist nur vor Beginn oder nach Beendigung des sogenannten Manövers an den Oefen gestattet. [34]

§. 10.

Jugendlichen Arbeitern darf die Beschäftigung und der Aufenthalt in den Destillationsräumen sowie die Beschäftigung beim Verladen und Abfahren der Räumasche oder der Asche aus den Feuerungen und bei den im §. 8 bezeichneten Verrichtungen nicht gestattet werden.
Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf die Verwendung jugendlicher Arbeiter zu den Mauerarbeiten bei Herstellung neuer oder Ausbesserung kalter Oefen.

§. 11.

Die Vorschriften der §§. 9, 10 haben bis zum 1. Januar 1910 Gültigkeit.

§. 12.

Arbeiter zwischen sechszehn und achtzehn Jahren dürfen zum Verladen und Abfahren der Räumasche sowie der Asche aus den Feuerungen und zu den im §. 8 bezeichneten Verrichtungen nicht herangezogen werden.
Zu anderen Arbeiten in dem Destillationsbetriebe dürfen sie nur zugelassen werden, wenn durch ein Zeugniß eines von der höheren Verwaltungsbehörde dazu ermächtigten Arztes bescheinigt wird, daß weder ihre Gesundheit noch ihre körperliche Entwickelung zu Bedenken gegen die Beschäftigung Anlaß geben. Die Bescheinigungen sind zu sammeln, aufzubewahren und dem Aufsichtsbeamten (§. 139b der Gewerbeordnung) auf Verlangen vorzulegen.
Für die bei Verkündigung dieser Bekanntmachung in der im Abs. 2 bezeichneten Weise beschäftigten Arbeiter unter achtzehn Jahren bedarf es der Beibringung eines ärztlichen Zeugnisses nicht.

§. 13.

In einem staubfreien Theile der Anlage muß für die Arbeiter ein Wasch- und Ankleideraum und getrennt davon ein Speiseraum vorhanden sein. Beide Räume müssen sauber und staubfrei gehalten und während der kalten Jahreszeit geheizt werden.
In dem Wasch- und Ankleideraume müssen Wasser, Seife und Handtücher sowie Einrichtungen zur Verwahrung derjenigen Kleidungsstücke, welche vor Beginn der Arbeit abgelegt werden, in ausreichender Menge vorhanden sein.
Der Arbeitgeber hat seinen Arbeitern wenigstens zweimal wöchentlich Gelegenheit zu geben, ein warmes Bad innerhalb der Betriebsanlage und, sofern nicht nach dem Urtheile des Gewerbeaufsichtsbeamten dringende Rücksichten auf den Betrieb dies ausgeschlossen erscheinen lassen, auch innerhalb der Arbeitszeit zu nehmen.

§. 14.

Der Arbeitgeber hat die Ueberwachung des Gesundheitszustandes seiner Arbeiter einem dem Gewerbeaufsichtsbeamten namhaft zu machenden approbirten Arzte zu übertragen, der mindestens einmal monatlich die Arbeiter im Betrieb [35] aufzusuchen und bei ihnen insbesondere auf die Anzeichen etwa vorhandener Bleierkrankung zu achten hat.
Auf Anordnung des Arztes sind Arbeiter, welche Krankheitserscheinungen in Folge der Einwirkung des Betriebs, namentlich Zeichen von Bleivergiftung aufweisen, bis zur völligen Genesung, solche Arbeiter aber, die sich diesen Einwirkungen gegenüber besonders empfindlich erweisen, dauernd von der Beschäftigung in den Destillationsräumen, von den im §. 8 bezeichneten Verrichtungen sowie von den Arbeiten bei der Beseitigung der Räumasche fernzuhalten.

§. 15.

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, zur Kontrole über den Wechsel und Bestand sowie über den Gesundheitszustand der Arbeiter ein Buch zu führen oder durch einen Betriebsbeamten führen zu lassen. Er ist für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Eintragungen, soweit sie nicht vom Arzte bewirkt werden, verantwortlich.
Dieses Kontrolbuch muß enthalten:
1. den Namen dessen, welcher das Buch führt,
2. den Namen des mit der Ueberwachung des Gesundheitszustandes der Arbeiter beauftragten Arztes,
3. Vor- und Zunamen, Alter, Wohnort, Tag des Ein- und Austritts jedes Arbeiters sowie die Art seiner Beschäftigung,
4. den Tag und die Art der Erkrankung eines Arbeiters,
5. den Tag der Genesung,
6. die Tage und Ergebnisse der im §. 14 vorgeschriebenen allgemeinen ärztlichen Untersuchungen.

§. 16.

Der Arbeitgeber hat für die Arbeiter verbindliche Bestimmungen über folgende Gegenstände zu erlassen:
1. Die Arbeiter dürfen Nahrungsmittel nicht in die Arbeitsräume mitnehmen. Das Einnehmen der Mahlzeiten ist nur außerhalb der Arbeitsräume gestattet.
2. Die Arbeiter dürfen erst dann den Speiseraum betreten, Mahlzeiten einnehmen oder die Anlage verlassen, wenn sie zuvor Hände und Gesicht sorgfältig gewaschen haben.
In den zu erlassenden Bestimmungen ist vorzusehen, daß Arbeiter, welche trotz wiederholter Warnung den vorstehend bezeichneten Bestimmungen zuwiderhandeln, vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit und ohne Aufkündigung entlassen werden können.
Ist für einen Betrieb eine Arbeitsordnung erlassen (§. 134a der Gewerbeordnung), so sind die vorstehend bezeichneten Bestimmungen in die Arbeitsordnung aufzunehmen. [36]

§. 17.

In jedem Arbeitsraume sowie in dem Ankleide- und dem Speiseraume muß eine Abschrift oder ein Abdruck der §§. 1 bis 16 dieser Vorschriften sowie der gemäß §. 16 vom Arbeitgeber erlassenen Bestimmungen an einer in die Augen fallenden Stelle aushängen.

§. 18.

Neu zu erbauende Destillationsöfen, hinsichtlich deren gemäß §§. 16 ff., §. 25 der Gewerbeordnung eine besondere Genehmigung erforderlich ist, müssen so angelegt werden, daß
1. vor ihren Beschickungsöffnungen ein lichter Raum von mindestens 6 Meter, bei Oefen, deren Beschickungsöffnungen sich gegenüberliegen, ein Zwischenraum von mindestens 10 Meter vorhanden ist;
2. die unter den Destillationsräumen befindlichen Gänge (Röschen) geräumig, im Scheitel mindestens 3,5 Meter hoch, hell und luftig sind.

§. 19.

Die vorstehenden Bestimmungen treten mit dem 1. Juli 1900 in Kraft.
Soweit zur Durchführung der Vorschriften der §§. 1 bis 4, 6 bis 8 und des §. 13 bauliche Veränderungen erforderlich sind, können hierzu von der höheren Verwaltungsbehörde Fristen bis höchstens zum 1. Juli 1901 gewährt werden.
Berlin, den 6. Februar 1900.
(L. S.)  Wilhelm.

  Graf von Posadowsky.