Chamounix beym Sonnenaufgange

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Gedichte (Friederike Brun) Die Schwester und die Nymphe der Garonne »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern) am linken Seitenrand.
Textdaten
Autor: Friederike Brun
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Chamounix beym Sonnenaufgange
Untertitel: Im Mai 1791
aus: Gedichte, S. 1–3
Herausgeber: Friedrich von Matthisson
Auflage:
Entstehungsdatum: 1791
Erscheinungsdatum: 1795
Verlag: Orell, Geßner, Füßli & Comp.
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Zürich
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Motto von Metastasio
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]

[1]
                   Chamounix[1] beym Sonnenaufgange

                              (Im Mai 1791)

La Terra, il Mare, le Sfere
Parlan del tuo potere

METASTASIO


     Aus tiefem Schatten des schweigenden Tannenhains
Erblick’ ich bebend dich, Scheitel der Ewigkeit,
Blendender Gipfel, von dessen Höhe
Ahndend mein Geist ins Unendliche schwebet!
 

5
     [2] Wer senkte den Pfeiler tief in der Erde Schooß,

Der, seit Jahrtausenden, fest deine Masse stützt?
Wer thürmte hoch in des Aethers Wölbung
Mächtig und kühn dein umstrahltes Antlitz?
 
     Wer goß euch hoch aus des ewigen Winters Reich,

10
O Zackenströme, mit Donnergetös’ herab?

Und wer gebietet laut mit der Allmacht Stimme:
“Hier sollen ruhen die starrenden Wogen!“[2]

     [3] Wer zeichnet dort dem Morgensterne die Bahn,
Wer kränzt mit Blüthen des ewigen Frostes Saum?[3]

15
Wem tönt in schrecklichen Harmonieen,

Wilder Arveiron, dein Wogengetümmel?
 
     Jehovah! Jehovah! kracht’s im berstenden Eis;
Lavinendonner rollen’s die Kluft hinab;
Jehovah! rauscht’s in den hellen Wipfeln,

20
Flüstert’s an rieselnden Silberbächen.



  1. Chamounix ist eins der höchsten Bergthäler der Baronie Faucigny in Savoyen. Es wird seiner romantischen, im Kontrast der wildesten Naturszenen mit den sanftesten Schönheiten abwechselnden Lage wegen, vorzüglich von Reisenden besucht: Die Kette des Mont-Blanc begrenzt es; und ausser der Arve wird es von den Gletscherwassern des unaufhaltsam tobenden Arveiron, und vier andern, aus den sich ins Thal senkenden Gletschern entstehenden, Schneewassern durchrauscht. WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt
  2. Die aus schwindelnder Höhe in den ungeheuren Felsklüften herabgleitenden Gletscher gleichen gewaltigen Strömen, die mitten im Tumult der raschesten Bewegung von plötzlichem Froste gefesselt werden.
  3. Ich pflückte am Gletscher du Bosson, wenige Schritte vom ewigen Eise, die schöne Gentiana major in grosser Menge.