Die Dorfschenke – 2 (Gemälde der Dresdener Gallerie)

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Textdaten
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Autor: Adolph Görling
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Titel: Die Dorfschenke
Untertitel: Von A. Ostade
aus: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie
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Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1848–1851
Verlag: Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne
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Erscheinungsort: Leipzig und Dresden
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Quelle: Scan auf Commons
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Dutch Boors drinkig.     Holländische Bauernschenke.

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Die Dorfschenke.
Von A. Ostade.

Adrian von Ostade, obgleich ein Deutscher (er wurde zu Lübeck 1610 geboren), gehört dennoch, da er sich in Holland bildete und alle charakteristische Merkmale der Holländer in seinen Werken zeigt, der niederländischen Malerschule an. Er nimmt in dieser einen hervorragenden Rang ein. Franz Hals und Rembrandt waren seine Lehrer. In genauer Bekanntschaft mit dem talentreichen Brouwer lebte er zuerst in Haarlem, dann in Amsterdam. Hier starb er 1685.

Ostade malt das Landleben, das Innere von Bauerhütten und Schenken; seine Personen sind größtentheils derbe Bauern, Betrunkene, Tabaksraucher, Bettelmusiker, Bäuerinnen bei der Arbeit. Er hatte mit Teniers viele verwandte Züge; aber dieser ist origineller, humoristischer als Ostade. Teniers’ Composition hat mehr Einheit als die, welche die zuweilen ganz willkürlich zusammengestellten Personen Ostade’s verbindet. Sodann wiederholt sich Ostade nicht selten und kommt Teniers in der Zeichnung nicht gleich. Seine Ausführung aber übertrifft diejenige des Holländers.

Ostade erfand wenig; aber wo er die Komik im wirklichen Leben erfassen und in seine Gemälde übertragen konnte, da ist sie schlagend. Neben einem kleinen Gemälde, worin sich der Künstler neben seiner Frau und mit acht Kindern darstellte, welches das Pariser Museum besitzt, ist unser Bild eine seiner reizendsten Schöpfungen.

Es zeigt auf interessante Weise, wie Adrian von Ostade zu componiren pflegte. Adrian besaß einen 1612 geborenen Bruder, Isaak van Ostade. Dieser war sein Schüler und stand ihm in Zeichnung und Colorit weit nach, weswegen Adrian in der Regel der „gute Ostade“ genannt wird. Isaak machte unter der Aegide seines Bruders seine Naturstudien an den Orten, welche Adrian gewöhnlich darzustellen pflegte.

– Aber das ist ja noch immer kein Bild! klagte dann Isaak, wenn Adrian begeistert zu dem Stift griff, um die Scenen vor sich fest zu halten.

Eines Nachmittags, als die beiden Künstler zu einem Dorfe am Haarlemer Meer wallfahrteten, wurden sie von ihrem Nachbar begleitet, der Mappen und Zeichnengeräth trug. Dieser Nachbar war ein Schuster und dazu ein Franzose von Geburt. Damals war’s eben in der Zeit, daß König Ludwig XIV. von Frankreich die Niederlande mit seinen Heeren bedrohete. Der Schuster, welcher früher, sobald er Miene gemacht, als patriotischer Franzmann zu glänzen, von den Holländern regelmäßig mit Schlägen zur Ruhe gebracht war, faßte bei dieser Nachricht frischen Muth. Gleich als sei er König Ludwigs außerordentlicher Abgesandter, ging er Haus [70] bei Haus in seiner Nachbarschaft, machte sich wichtig, drohte in Frankreichs Namen, legte vorläufig Brandschatzungen auf, und hatte die Genugthuung, daß die erschreckten Holländer ihm erstaunt zuhörten, ohne ihn zu züchtigen.

Als der französische Fußbekleidungskünstler, die Mappen und Feldstühle schleppend und dazu heftig aus seiner Thonpfeife rauchend, hinter den beiden Malern herkeuchte, trieb er seinen Patriotismus so weit als möglich, indeß Adrian dem seufzenden Isaak die Geheimnisse der Kunst zu enthüllen bemüht war.

– Aber da habe ich immer noch kein Gemälde! bemerkte Isaak unverbesserlich.

– Ei, Gewitter! rief Adrian, in seiner Aufgeregtheit plötzlich deutsch fluchend und sprechend. Was giebt, was macht denn ein Bild? Alles, Alles – Schwachkopf – vom Blitze an aus dem hohen Himmel heraus, bis zu dem kleinsten Käfer und Wurm im Grase – Alles sind Bilder! Leben, Bruder, mags heißen wie’s will, erscheinen wie’s mag, Leben, nur Leben, und Du hast die Bilder, die Du nirgend finden kannst!

– O, raisonniren kann ich auch über dergleichen, theurer Adrian! sagte der sanfte Isaak, noch lange nicht überzeugt.

Adrian sah ihn einen Augenblick fest an. Dann wandte er sich zu dem Schuster, der noch nicht zu bramarbasiren aufgehört hatte, und sagte befehlend zu ihm:

– He! Sans-Regret! Siehst Du da das Wirthshaus? Hier nimm diesen Gülden, laß Dir Wein geben, setze Dich an irgend einen Tisch und erzähle Jedem, der es hören will, was Du uns vornäseltest. Verkündige den Mynheers da drinnen die Nachricht, daß König Louis quatorze auf Deine Veranlassung die Niederlande in ein Sodom und Gomorrha verwandeln wird . . .

– Aber das wird eine Bataille . . . bemerkte der Franzose.

– Marsch doch, Sans-Regret! Ich bezahle Dir Deine Prügel.

Der Schuster strich seinen schwarzen Bart, rückte die Pelzmütze und ging in die Dorfschenke. Adrian und Isaak nahmen draußen am Fenster Platz. Der „gute Ostade“ hielt, indeß seine Augen blitzten, den Bleistift auf dem glatten Papier.

– Jetzt sieh, Du ungläubiger Thomas! murmelte Adrian, die Zeichnung beginnend, wie in einer prachtvoll perspectivischen Hütte im Vordergrunde der Schuster mit unwiderstehlich ergreifender komischer Würde fünf Holländern, die um einen Tisch saßen, ihr verderbliches Schicksal ankündigte, während sich einige Männer im Hintergrunde durch rasches Trinken begeisterten, dem übermüthigen Gliede der „großen Nation“ mit ihren geballten Händen den Mund zu stopfen.

– Herrlich! Herrlich! rief Isaak, jetzt ebenfalls warm werdend. Diese verschiedenen Physiognomien der Mynheers sind zu unübertrefflich. Und Sans-Regret ist heute ein ganzer Mann! Das wäre freilich ein Bild!

– Und kein schlechtes! schloß Adrian. Des Künstlers Auge hat aber sicherlich in ihm noch sein letztes nicht gefunden!

Er schloß die Mappe zu, eben als dem Schuster von den übrigen Gästen der Lohn seines Patriotismus’ in fühlbarer Weise ausbezahlt wurde.