Die deutschen Städte

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Max von Schenkendorf
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die deutschen Städte
Untertitel:
aus: Gedichte, S. 170-183
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1815
Verlag: Cotta
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Stuttgart und Tübingen
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
Gesperrter Text wird kursiv wiedergegeben
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]


[170]

     Die deutschen Städte

An Smidt, Senator und Gildenmeister, Bürger in Bremen.

     Es war ein Band gewoben
Im heil’gen deutschen Land,
Das fest und wohl den Proben
Des Teufels widerstand.

5
Noch schreiten die Gestalten

Der Weber durch die Flur,
Die sprechen, ewig halten
Soll unsre heil’ge Schnur.

     Es ward ein Bau erhoben

10
Der Freiheit Hof und Saal;

Den Meister soll man loben,
Der solches Werk befahl.
Die Pfeiler sind gegründet
Auf Treu’ und Ständigkeit,

15
Der Mörtel, der sie bindet,

Ist Lieb’ und Einigkeit.

     Die Feinde überzogen
Das junge Kaiserthum,
Da brach am Heidenbogen

20
Der Väter Waffenruhm.

[171] Wer wird das Reich erretten?
Wer nimmt der Freiheit Wehr?
Sie bringen uns die Ketten
Auf offner Straßen her.

25
     O Heinrich, deutscher Kaiser,

Nimm ew’gen Ruhmes Schein;
Du führst in feste Häuser
Die freien Bürger ein.
Der an dem Vogelheerde

30
Die heil’ge Krone fand,

Hat von der heil’gen Erde
Den schlechten Feind gebannt.

     Bei Goslar steht ein Zeichen,
Ein altes festes Schloß,

35
Wo nimmermehr zu weichen

Der kranke Herr beschloß.
Weit scholl der Heiden Klage
O Merseburg bei dir,
Und noch erzählt die Sage

40
Von Magdeburgs Turnier.


     Vom Felde zog der Neunte,
Das gab ein’ starke Schaar,
Und was der Kaiser meinte
Ward herrlich offenbar.

45
Von tausend Heerden ziehend

Sah man des Gastmahls Rauch,
Wenn Wald und Aecker blühen
Die Städte blühen auch.
[172]
     So wurde klug errichtet

50
Der Freiheit Damm und Wehr.

Gar manchen Streit geschlichtet
Hat kleines Bürgerher.
Der mag auch Schwerter schwingen
Wer kühn das Werkzeug führt,

55
Und Ritterschlösser zwingen,

Die seine Kunst verziert.

     Noch immer mag die Kunde
Der Bürger Herz erfreu’n
Vom alten Schwabenbunde,

60
Vom Städtebund am Rhein.

Von Schlachten ohne Tadel
Spricht mancher alte Reim;
Und herrlich blüht der Adel
Von Waldpot Bassenheim.1)

65
     Doch welcher soll vor Allen

Das höchste Lob gescheh’n?
Laß deine Fahnen wallen,
Laß deine Flaggen weh’n,
O Hansa, hoch zu preisen

70
Von Männern im Gesang,

Die in den fernsten Kreisen
Um Ruhm und Beute rang.
[173]
     Den Weg hast du bereitet,
Dem höchsten Christengott,

75
Hast deutsche Art verbreitet

Bis Riga, Novogrod.
Aus mildem Bürgerstande,
Aus stillem Bürgerfleiß
Erblüht im heil’gen Lande

80
Der Ritterorden Preiß.2)


     Was gleich verklung’nen Sagen
Aus grauer Vorzeit scholl,
Hat man in diesen Tagen
Gesehen staunensvoll.

85
Der Feind betrat die Schwellen,

Da zogen Schiffer aus
Und wohnten auf den Wellen
Im leichten freien Haus.

     Ein Hansastaat im Meere,

90
Ein Hansastaat im Feld,3)

Der als Tyrannenwehre
Sich kühn entgegenstellt.
Laß Flammen dich verzehren,
O Hamburg, reich und schön,

95
Man wird in jungen Ehren

Dich Fönix wieder seh’n.
[174]
     Auch dir, mein freies Bremen,
Sey Gruß und Ruhm und Heil!
Du darfst mit Ehren nehmen

100
Von diesem Sieg dein Theil.

Es hat in dir geschworen
Die feine Jungfrauschaar:
„Dem sey die Braut verlohren
Wer nicht im Felde war.“

105
     Blüht auf, ihr starken Dreie,

Am deutschen Meeresstrand,
Ein Reich der Zucht und Treue,
Ein Schmuck vom deutschen Land.
Wer also treu gehalten

110
Am Vaterland und Eid,

Soll ferner auch verwalten
Der Heimath Herrlichkeit.

     Mein Aachen, wo die Krone
Des Ritterthums geruht,

115
Bald auf granit’nem Throne,

Bald an der warmen Fluth!
Berühmt seit grauen Zeiten
Ehrwürd’ge Trier du,
Erwacht am Klang der Saiten

120
Aus eurer langen Ruh.

[175]
     Du Thor der deutschen Lande,
O Bundes-Veste Mainz!
Du frommes Köln am Strande
Des lieben alten Rheins,

125
Ein hohes Amt laß halten

In deinem heil’gen Dom,
Damit sie wohl verwalten
Die Wacht am deutschen Strom.

     Von Waffen hör’ ich’s schallen

130
O Krönungsstadt in dir!

Viel Kaufherrn seh ich wallen
In reicher Rüstung Zier.
Bewahre nur, mein Rühle,4)
Die Bürger männiglich;

135
Dann setzen auf die Stühle

Schultheiß und Schöppen sich.

     O Waffenstahl, sprüh’ Funken,
Sprüh’ Funken, edler Stein!
Vom Wein der Freiheit trunken

140
Laßt jeden Bürger seyn.

Der Formen todte Satzung
Lebt auf am kühnen Wort,
Man geht von eig’ner Schatzung
Zu beßern Rechten fort.
[176]

145
     Laßt jedem Bürger geben

Den Raum zu Wort und That,
Und strömen wir das Leben
Vom Bürger in den Rath.
Das Zeichen von dem Bunde

150
Ist ja der Eichenbaum,

Der wächst aus tiefem Grunde
Zum hellen freien Raum.

     Von Kleinen ist zu melden,
Was je die Großen hob,

155
Und Pforzheims treue Helden5)

Errangen ew’ges Lob.
Ja lasset alle Kleinen
Erst kühn und würdig seyn,
Dann soll es bald erscheinen,

160
Wie Freiheit will gedeih’n.


     Mit deinen Kirchenhallen
Und südlich schöner Pracht
Den Deutschen zu gefallen
Nimm Augsburg wohl in Acht.

165
Im Lechfeld ist erlegen

Der Ungarn wildes Heer,
Nun schmiedet Ottos Degen
Zu freier Bürger Wehr.
[177]
     Dich wird, o Bundesstätte,

170
Kein Welscher mehr entweih’n:

Vielleicht zieh’n weis’re Räthe
Bald wieder bei dir ein.
O Regensburg empfange
Die Männer treu und werth,

175
Es wird mit Waffenklange

Ein Helden-Rath geehrt.

     Wenn Einer Deutschland kennen
Und Deutschland lieben soll,
Wird man ihm Nürnberg nennen

180
Der edlen Künste voll.

Dich nimmer noch veraltet
Du treue fleiß’ge Stadt,
Wo Dürers Kraft gewaltet
Und Sachs gesungen hat.

185
     Das ist die deutsche Treue,

Das ist der deutsche Fleiß,
Der sonder Wank und Reue
Sein Werk zu treiben weiß.
Das Werk hat Gott gegeben,

190
Dem der es redlich übt,

Wird bald sein ganzes Leben
Ein Kunstwerk, das er liebt.
[178]
     Ihr hohen Fürstensitze
Von Wilhelm und von Franz,

195
Seyd ewig ihre Stütze

Und ihrer Kronen Glanz.
Du sollst auf Deutschland wirken
Entsündigtes Berlin;
Die Welschen wie die Türken

200
Vermeiden künftig Wien.


     O Leipzig, Stadt der Linden,
Dir glänzt ein ew’ges Licht,
Zu dir den Weg zu finden
Braucht man den Führer nicht.

205
Man wird es nie vergessen

Wie Babels Thurm erlag,
Man spricht von Leipzigs Messen
Bis an den jüngsten Tag.

     Wie man den Feind befehdet,

210
Das große Freiheit-Werk,

Beschlossen und beredet
Ward es in Königsberg.
Am deutschen Eichenstamme
Du frisches grünes Reis,

215
Du meiner Jugend Amme,

Nimm hin des Liedes Preiß.
[179]
     Im Freiheit-Morgenrothe,
In Moskaus heil’gem Schein
Kam ein geweihter Bote,

220
Zu dir der veste Stein.6)

Er zog in Kraft zusammen
Der Landesväter Kreis,
In den trug seine Flammen
Held York, der strenge Greiß.

225
     Da brach mit Sturmes Schnelle

Hervor dein starker Sinn,
Nun maaß mit and’rer Elle
Der Kaufmann den Gewinn.
Nun lieben die Studenten

230
Erst recht die Wissenschaft,

Und alle Herzen brennten
In einer Glut und Kraft.

     Du köstliches Geschmeide
Vom tapfern Preußenland,

235
O Stadt, im Glück und Leide

Gleich fromm und treu erkannt,
Am Weichselstrom, am Meere,
Mein Danzig, festes Haus,
Erblüht von Glück und Ehre

240
Für dich ein neuer Strauß.

[180]
     Wie tief auch noch versunken
Die alte Herrlichkeit,
In Aschen glimmt ein Funken
Wir wecken ihn zur Zeit.

245
Es kommt ein Tag der Rache

Für aller Sünder Haupt,
Dann sieget Gottes Sache,
Das schauet wer geglaubt.

     Dann wollen wir erlösen

250
Die Schwester fromm und fein

Aus der Gewalt der Bösen,
Die starke Burg am Rhein,
Die Burg, die an den Strassen
Des falschen Frankreichs liegt,

255
In der nach ew’gen Maassen

Erwin den Bau gefügt.

     Indeß, du freies Wesen,
Gedeihe weit und breit,
Der Herr hat dich erlesen

260
Zum Zeichen für die Zeit.

Die Fürsten sollen kommen
Sammt ihrer Ritterschaft,
Und lernen sich zum Frommen
Der Freiheit Wunderkraft.
[181]

265
     In vester Mauern Mitte

Blüht eine frische Welt,
Da ward die milde Sitte
Zum Wächter wohl bestellt;
Die hat gar treu gehütet

270
Den anvertrauten Schatz,

Als rauher Sturm gewüthet
Stand sie an ihrem Platz.

     Nun gilt’s ein neues Bilden;
So komm’ in deiner Kraft,

275
Aus himmlischen Gefilden

Zur Erde Wissenschaft.
Man soll dich treulich pflegen
Du theures Erb’ und Gut,
Daß noch im Väter Segen

280
Der freie Enkel ruht.


     O komm’ in uns’re Säle,
In uns’re Schulen komm’,
Mit rechter Treu’ uns stähle
Und mach’ uns wieder fromm:

285
Es haben ja die Alten,

Die weisen, bärt’gen Herrn
Den Glauben auch gehalten
Für alles Wissens Kern.
[182]
     Frisch auf du Bürgerjugend

290
In Waffen tummle dich,

Das heiß ich rechte Tugend,
Zu kämpfen männiglich.
Der sey der Bürgermeister,
Der wohl die Waffen führt,

295
Im Rathe kühn die Geister,

Im Feld sein Heer regiert.


1) Zu den Ahnen dieses noch am Rhein blühenden Geschlechts, das dem deutschen Orden einst einen Heermeister, und dem heimathlichen Landsturm jezt einen Bannerherrn gegeben, gehört auch Arnold Walpoden, Bürger in Mainz, Stifter des rheinischen Städtebundes.
2) Stiftung des deutschen Ordens durch wohlthätige Bremer und Lübecker in Palästina im Jahr 1190. Riga eine Bremische Colonie im Jahre 1158.
3) Man erinnert sich, daß die aus Hamburg vertriebenen, in einen Heerhaufen gesammelten Hanseaten erklärten, nicht da, wo ihre Häuser stünden, sondern wo sie sich befänden, wäre der letzendige Hanseatische Staat. Nicht so allgemein bekannt ist es, daß nach der französischen Besitznahme sehr viele Seeschiffer nicht nach ihrer Vaterstadt Bremen kehrten, sondern während der dreijährigen Reunionszeit fortwährend auf den Meeren unter Bremischer Flagge ihr Geschäft trieben. Jetzt sind sie gekommen, und haben den Eigenthümern der Schifsantheile einen ungehoften reichen Gewinn heimgebracht. Aus dem Munde eines wackern Hanseaten.
4) Rühle von Lilienstern, Königl. Preuß. Obristlieutenannt und General-Kommissarius der deutschen Bewaffnungs-Angelegenheiten, unter dessen Leitung der Verfasser eine geraume Zeit in diesem Kriege zu arbeiten das Glück gehabt hat. Bei den mancherlei Schwierigkeiten, denen dieses Geschäft durch die getheilte, und nicht überall gleich würdige Ansicht mehrerer Theilhaber unterlag, war es doppelt wichtig, an einem Orte wenigstens ein Beispiel der bezweckt gewesenen [183] Volksbewaffnung aufzustellen. Die Stadt Frankfurt und ihre Umgebungen eigneten sich aus mehreren Gründen dazu, und es hat sich wohl manches deutsche Herz an der schon begonnenen größeren Rührigkeit, so wie an den Waffenübungen jedes Morgens und jedes Abends erfreut. Mehrere der ersten Handelsleute ließen sich im Landsturms-Rocke sehen u. s. w. Daß der Verfasser auch in diesem Gedicht so oft auf die Bewafnung des Volts zurückkommt, liegt nicht sowohl in seinem jetzigen Berufe, als in der festen Ueberzeugung, daß, abgesehen von der Vertheidigung des Vaterlandes, nur durch eine solche große Bewegungs-Anstalt frische Kraft und Tüchtigkeit in mehrere fast erstorbene Glieder zurückkehren kann. Die Bildung des Munizipalitäts-Wesens in Frankfurt, die sich der besondern Leitung des Freiherrn von Stein zu rühmen hat, steht in genauem Zusammenhang mit den Fortschritten in der Bewaffnung, wie denn wohl überhaupt eine Verfassung ohne Waffenfähigkeit nicht zu denken ist.
5) Am 6ten Mai 1622. in der Schlacht bei Wimpfen weiheten sich 400 Bürger von Pforzheim freiwilligem Tode und retteten dadurch ihren ritterlichen Fürsten Georg Friedrich von Baden Durlach, dem sie zur Leibwache dienten, von der Gefangenschaft.
6) In Preußen weiß ein Jeder Geschichten zu erzählen aus den Tagen der französischen Flucht von Rußland. Die Ankunft des Freiherrn von Stein in Königsberg, die Zusammenberufung der Stände daselbst, die Rede, welche der General von York in ihrer Versammlung hielt, nach welcher die Volksbewaffnung beschlossen und so herrlich ausgeführt wurde, erinnerte an die Zeiten der griechischen Freiheitkriege. Noch ist der Augenblick nicht da, um die einzelnen Züge jener großen Begebenheit im Ganzen darzustellen; und wer soll diese Geschichte schreiben?