Die letzten Stunden der Maria Stuart

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Titel: Die letzten Stunden der Maria Stuart
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aus: Die Gartenlaube, Heft 5, S. 72–75
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Die letzten Stunden der Maria Stuart.[1]


Es giebt Erscheinungen in der Geschichte, welche uns an das Fatum der Alten erinnern. So die Geschichte des Geschlechts der Hohenstaufen, so die Schicksale, welche die Familie der Stuart’s verfolgten.

Robert III., der zweite König aus dem Stuartischen Geschlechte, starb im Jahre 1406 aus Gram, seinen Sohn in englischer Gefangenschaft zu wissen. Dieser, Jakob I., wurde erst funfzehn Jahre nachher frei. Er mußte, wider Willen, ein englisches Fräulein heirathen, deren Mitgift sein Lösegeld ward. Im Jahre 1437 starb er, in seinem Bette ermordet. Jakob II. wurde 1460 von einer Kanonenkugel getödtet. Jakob III., sein Sohn, fiel in einer Schlacht, die er 1488 verlor; ebenso endete Jakob IV. bei ähnlicher Gelegenheit 1515. Jakob V. starb 1542 vor Kummer, seine Unterthanen der Ketzerei und dem Aufruhr hingegeben zu sehen. Seiner Tochter, der Königin Maria Stuart, Schicksal, ihre lange Gefangenschaft und ihr schmähliches Ende auf dem Blutgerüste, erregt noch jetzt die allgemeinste Theilnahme. Mariens Sohn, Jakob VI. von Schottland, starb zwar im Bette, aber von aller Welt verachtet. Carl I., dessen Sohn, starb in London auf dem Schaffot, vor den Fenstern seines eigenen Palastes, und bestätigte durch seinen Tod den Wahrspruch, daß Tyrannei ihren Besitzer vernichtet. Jakob II. von England starb 1720 seines Königreichs beraubt und aus ihm verjagt. Sein Sohn war sein ganzes Leben hindurch im Auslande, als Prätendent nur den Namen Jakob III. von England und Jakob VIII. von Schottland führend. Endlich der letzte Prinz dieses unglücklichen Hauses, vorzugsweise unter dem Namen des Prätendenten bekannt, nahm den Titel Carl III. an und starb in Rom kinderlos. So verlosch dieses Königsgeschlecht, nachdem dasselbe durch einen Zeitraum von vierhundert Jahren von ununterbrochenem Unglücke verfolgt worden war.

Die Unglücklichste ihres Hauses aber war unstreitig Maria Stuart. Dem religiösen Fanatismus, dem Parteigeiste und der Leidenschaft und Eifersucht der Königin Elisabeth gelang es, sie bei ihrem Leben und fast zwei Jahrhunderte lang nach ihrem Tode als Gattenmörderin, Buhlerin und Aufrührerin darzustellen, während sie nur das Opfer der Herrschsucht und der Gewaltthätigkeiten des hohen Adels war; sie mußte zur Verbrecherin gemacht werden, um das unmenschliche Verfahren der Königin Elisabeth zu beschönigen.

Die neuere Geschichtsforschung gelangte, wenngleich nicht ohne Widerspruch, zu diesem Resultate, indem der gelehrte Goodall bereits im Jahre 1754 nachwies, daß die Briefe, aus welchen Mariens Einverständniß mit Bothwell hervorgehen und sich der Antheil derselben an ihres Gatten Darnley’s Mord ergeben sollte, unmöglich echt sein könnten; gleicher Ansicht sind mehrere der bedeutendsten englischen Historiker des verflossenen und des gegenwärtigen Jahrhunderts.

Der authentische Bericht über die Hinrichtung der Maria Stuart befindet sich in dem Manuscripten-Nachlasse des am 28. Juli 1587 verstorbenen berühmten trierschen Kanzlers Dr. Johann Wimpheling und enthält, abgesehen von seinen falschen Beschuldigungen, höchst interessante Einzelnheiten über dieses beklagenswerthe Ereigniß. Form und Inhalt lassen keinen Zweifel darüber, daß das Actenstück von der englischen Regierung ausgegangen ist. Der kurtriersche Gesandte schickte den Bericht an den Kanzler Wimpheling, welcher ihn seinem Fürsten, dem Kurfürsten Johann von Trier, vorgelegt hat. Der Bericht wurde, wie aus dem Schlusse desselben hervorgeht, zehn Tage nach der Hinrichtung der Königin abgefaßt und lautet, aus dem Lateinischen übersetzt, wörtlich also:

Bericht

über die Hinrichtung und den Tod der Maria Stuart, Königin von Schottland, Wittwe des Dauphin von Frankreich, enthauptet in England am 18. Februar 1587 neuen Styls, in dem Castell zu

Fotheringhay in Northamptonshire.

Die Königin von England, Elisabeth, entdeckte mehrere auf Anreizung des Papstes und einiger anderer ihr feindlich gesinnter Fürsten entstandene Verschwörungen, welche den Zweck hatten, Ihre Majestät nicht allein des Reichs und der Krone, sondern auch des Lebens zu berauben, und sodann die Königin Maria Stuart, die Anhängerin des römisch-katholischen Glaubens und nächste Erbin Ihrer Majestät, welche schon viele Jahre in einer milden Gefangenschaft in England gehalten wurde, auf den englischen Thron zu erheben. Das Parlament oder die Reichsstände von Schottland drangen wiederholt auf Bestrafung der Maria Stuart wegen der Ermordung ihres Gatten, welchen sie erdrosseln, seine Wohnung anzünden und in die Luft sprengen ließ, zu welchem Verbrechen sie sich durch eine strafbare Neigung zu dem Grafen Bothwell, welchen sie auch bald darauf heirathete, hatte verleiten lassen. Aus dieser Ursache wurde sie in Schottland verhaftet, worauf sie zu Gunsten ihres Sohnes Jakob, des jetzigen Königs von Schottland, auf die Krone verzichtete, bald darauf aber aus dem Gefängnisse entfloh und zur Wiedererlangung der Herrschaft ein Heer gegen ihren Sohn in’s Feld stellte. Nachdem dieses Unternehmen unglücklich für sie abgelaufen war, flüchtete sie sich nach England, woselbst sie von den Reichsständen Schottlands (wie bereits bemerkt) als Mörderin ihres Gatten bei Ihrer Majestät angeklagt wurde, von derselben aber das Leben geschenkt erhielt, weil dieselbe nicht Richterin [73] ihrer nächsten Blutsverwandten sein wollte, nicht aber ganz frei gelassen werden konnte, weil sie den Titel einer Königin von England sich beilegte, und Ihre Majestät, sowohl zur Vermeidung von Gefahren für ihre eigene Person, wie des Reichs, so wie auch zur Erhaltung des Religionsfriedens und des Friedens mit Schottland, ihre fernere Gefangenschaft für unumgänglich nöthig erachtete.

Obschon ihr in ihrer milden Gefangenschaft eine ihrem Stande entsprechende Dienerschaft gegeben und ihr selbst die Erlaubniß bewilligt wurde, nach ihrem Belieben die Jagd und den Vogelfang auszuüben, so ruhte sie dennoch nicht, sondern versuchte auf alle mögliche Weise und selbst mittelst des Todes Ihrer Majestät zu entkommen, und verführte zur Erreichung ihrer Zwecke mehrere Edelleute, wie den Herzog von Norfolk, und einige andere Grafen und Herren, welche dieserhalb hingerichtet wurden. Endlich versuchte sie im verflossenen Sommer, Ihre Majestät an Ihrem eigenen Hofe tödten, das Reich von den Ausländern angreifen und die katholische Religion überall einführen zu lassen, wobei sie ihre Anhänger zu überreden suchte, daß sie Alle durch die Ausführung dieses Planes das Himmelreich erlangen würden. Nach Entdeckung aller dieser Verbrechen gestattete endlich Ihre Majestät, zur eigenen und des Reichs Sicherheit, eine Untersuchung gegen die Königin Maria einzuleiten, gebot aber zugleich dem Parlamente, auf Mittel zu sinnen, wodurch das Leben Ihrer Majestät und die Sicherheit des Reichs und des Religionsfriedens außer Gefahr gesetzt, das Leben der Königin von Schottland, Ihrer Blutsverwandten, welche als Fürstin keinem Gerichte unterworfen und deren Hinrichtung fast ohne Beispiel sein würde, aber jedenfalls geschont werden könnte. Das Parlament stimmte jedoch für die Hinrichtung der Königin Maria, indem es nur hierdurch das Leben Ihrer Majestät und die Sicherheit des Reichs und des Religionsfriedens außer Gefahr glaubte.

Ihre Majestät zog den Rath auswärtiger Fürsten, namentlich der Könige von Frankreich und Schottland ein, und obschon die Gesandten dieser Fürsten nicht im Stande waren, genügende Mittel anzugeben, wodurch Ihre Majestät von dieser Sorge und diesem Kummer vollständig befreit würden, so nahmen sie dennoch den größten Antheil an der Königin von Schottland, beriefen sich auf das fast unerhörte Beispiel einer solchen Hinrichtung, und zuletzt gelang es ihren Bitten, Ihre Majestät, welche lang in Ihrem Entschlusse schwankte, dahin zu vermögen, daß Sie die Entscheidung des Parlaments nicht genehmigte und das Leben der Königin Maria zu schonen beschloß. —

Da aber bald darauf abermals neue Verschwörungen, wobei viele Personen aus großen Familien betheiligt waren, entdeckt wurden, und die höchst schändliche Verrätherei Stanley’s vorfiel, wodurch große Unruhen veranlaßt, die Befreiung und Erhebung der Königin von Schottland und die Absetzung Ihrer Majestät bezweckt werden sollten, so beschloß endlich Ihre Majestät, die Quelle und die Ursache aller dieser Uebel zu beseitigen und die Königin von Schottland hinrichten zu lassen. Obschon in Folge dieses Entschlusses das Urtheil von Ihrer Majestät unterschrieben worden war, so hatte Ihre Majestät dennoch bei sich beschlossen, die Sache nochmals zu überlegen; diesem Vorhaben wurde aber durch Ihre Behörden, welche im Besitze des unterschriebenen Urtheils waren, zu Ihrem größten Schmerze (aus welcher Ursache auch Ihr Staats-Secretair Davison in’s Gefängniß gesetzt und viele Andere in die Ungnade Ihrer Majestät fielen, auch legte Ihre Majestät Trauerkleidung an) zuvorgekommen, indem sie den Vollzug des Urtheils sofort anbefohlen hatten. Die Grafen Shrewsbury und Kent hatten durch den Secretair Beale die Vollmacht Ihrer Majestät zur[WS 1] Vollstreckung des Urtheils erhalten und kündigten an dem der Hinrichtung vorhergehenden Tage der Königin von Schottland in Gegenwart mehrerer Statthalter, Ritter, Edelleute und der Gefängniß-Vorsteher Amias Paulet und Drughei die desfallsigen Befehle Ihrer Majestät an.

Die Königin Maria erwiderte denselben, sie sei zu sterben bereit und habe schon lange auf ihren Tod gehofft; zugleich fragte sie, auf welchen Tag ihre Hinrichtung festgesetzt sei, worauf die Grafen ihr entgegneten, daß sie ihr die Bestimmung des Tages freistellten, nur dürfe dadurch der Vollzug der Befehle Ihrer Majestät nicht verzögert werden, und wäre es dieserhalb am besten, den nächstfolgenden Tag, den 18. Februar neuen Styls, dazu zu bestimmen. Die Grafen unterhielten sich hierauf mit der Königin von Schottland und setzten ihr die Gründe auseinander, durch welche Ihre Majestät und das Reich zu diesem äußersten Entschlusse gekommen wären, und baten dieselbe, Alles mit Geduld und Vertrauen auf Gott zu ertragen.

Am folgenden Tage, am 18. Februar, Morgens um 7 Uhr, erschienen in dem Gefängniß zu Fotheringhay die genannten Grafen, Statthalter und Edelleute; einigen Edelen wurde gestattet, zwei Bekannte, den Uebrigen nur einen Freund mitzubringen, so daß ungefähr achtzig bis hundert Personen, mit Ausschluß der zur Umgebung und Dienerschaft der Königin von Schottland gehörigen Personen, so wie der Besatzung des Castells, eingeführt wurden.

Zur Hinrichtung wurde in einer großen Halle eine Bühne von zwölf Fuß Länge, zwei Fuß Höhe mit einer zwei Fuß hohen Einfassung errichtet, welche ganz mit schwarzem Tuche belegt war, in der Mitte stand ein gepolsterter Sessel. Nachdem diese Anstalten getroffen und alle Edelleute angekommen waren, wurde ein Bote zu der Königin von Schottland geschickt, um ihr anzukündigen, daß alle Grafen versammelt wären, und anzufragen, ob sie jetzt bereit sei, wie dieses am vorhergehenden Tage nach dem Frühstücke ihr bekannt gemacht worden. Der Bote fand das Schlafgemach der Königin, worin ihre ganze Umgebung versammelt war, verschlossen. Bald darauf wurde ein anderer Bote mit dem Auftrage entsendet, wenn die Thüre noch verschlossen wäre, anzuklopfen und um Antwort zu bitten; derselbe fand die Thüre geöffnet und richtete seinen Auftrag an eine Person aus der Umgebung der Königin aus, welche ihm die Antwort gab, daß dieselbe noch nicht bereit sei. Nach einer halben Stunde wurde ein dritter Bote entsandt, welcher die Antwort brachte, daß die Königin in einer halben Stunde bereit sein würde. Bald darauf begab sich einer der Statthalter zu der Königin, welche er mit ihrer ganzen Umgebung knieend und betend antraf. Als derselbe der Königin bemerkte, daß die Zeit herannahe, erhob sich dieselbe und erklärte, daß sie bereit sei.

Gestützt auf zwei Männer, verfügte sich nun die Königin in die Vorhalle, woselbst sie ihre ganze Dienerschaft weinend und jammernd fand und dieselbe zur Gottesfurcht und zum Gehorsam gegen ihre Vorgesetzten ermahnte. Hierauf nahm sie von Jedem einzeln Abschied, indem sie die Frauen küßte und den Männern die Hand zum Kusse reichte, zugleich bat sie dieselben, sich wegen ihres Schicksals keinen Kummer zu machen, sondern vielmehr sich darüber zu freuen und ihrer im Gebete zu gedenken. Von hier wurde sie die Stiege herabgeführt und in der Halle von allen Edelleuten empfangen, worauf der Graf Shrewsbury sie also anredete:

„Herrin, wir sind hier, um die Befehle Ihrer Majestät unserer Königin, welche wir Dir gestern mittheilten, zu vollziehen“ (wobei Graf Kent seine Vollmacht und das Urtheil, mit dem großen Siegel Englands versehen, in der Hand hielt).

Die Königin erwiderte, sie ziehe den Tod ihrem Leben vor. Als sie hierauf, sich umkehrend, ihren ersten Haushofmeister Melvil erblickte, sagte sie zu ihm: „Mein treuer Diener Melvil, obschon Du ein Protestant bist, ich aber eine Katholikin und Deine gesalbte Königin, aus dem Blute des Königs Heinrich VII. stammend, so befehle ich Dir wahrhaft und gleich wie vor Gottes Angesicht, Rechenschaft über mich zu geben und meinem sehr geliebten Sohne zu sagen, daß ich ihn inständigst bitte, Gott zu dienen, die katholische Kirche zu schützen und zu schirmen, in Frieden zu regieren und sich Anderen nicht zu unterwerfen; sollte er den Wunsch gehegt haben, diese Insel mit seinem Reiche zu vereinigen, so möge er davon abstehen und sich hüten, der menschlichen Weisheit zu viel zu vertrauen, indem sie sehr häufig täuscht. Möge er auf Gott seine Hoffnung setzen und der Königin von England nie Veranlassung zu Verdacht und Mißtrauen geben, so wird ihn Gott segnen; und Du, Melvil, sollst mein Zeuge sein, daß ich treu Schottland, treu Frankreich und treu der katholischen Religion, welche ich stets bekannt habe, sterben werde.“

Nachdem die Königin noch mehreres Aehnliche gesprochen, entgegnete ihr Melvil: „Verehrungswerthe und hochverehrte Fürstin, so wie ich bisheran stets ein treuer Diener Deiner Majestät war, so will ich auch jetzt mit Gottes Gnade diese Deine Worte und Befehle dem Könige treu und wahr hinterbringen.“

Die Königin wandte sich hierauf zu den Herren und bat sie zu erlauben, daß ihr Geistlicher zugleich mit ihr das Gerüst besteige, was ihr aber abgeschlagen wurde. Hierauf bat sie, zu gestatten, daß alle ihre Diener bei ihrer Hinrichtung zugegen sein [74] dürften, damit sie dem Könige von Frankreich und Anderen bezeugen könnten, daß sie im katholischen Glauben gestorben sei. Die Herren erwiderten hierauf, daß dieses nicht zugelassen werden könne, damit ihr Gemüth durch die Unruhe und den Jammer der Diener nicht beunruhigt oder durch ihren Aberglauben gestört werde. Endlich wurde ihr doch gestattet, daß fünf ihrer Diener und zwei Kammerfrauen bei der Hinrichtung zugegen sein dürften. Die Königin wünschte ein größeres, ihrem Stande angemessenes Gefolge von Kammerfrauen zu erhalten und versprach, für deren Folgsamkeit einzustehen und sich weder durch ihre Thränen, noch Mitleidsbezeigungen stören zu lassen. Sie bat hierauf noch darum, daß allen ihren Dienern und ihrem Hausgesinde beiderlei Geschlechts die Erlaubniß ertheilt werden möge, in ihr Vaterland zurückzukehren, und daß ihnen dasjenige gelassen würde, was sie ihnen geschenkt habe. Die Königin schloß diese Bitte mit den Worten: „Sie, meine Herren, verpflichte ich, dafür zu sorgen, daß dieser mein Wille vollzogen werde.“

Hierauf wurde die Königin durch zwei Diener des Befehlshabers des Castells auf das Blutgerüst geführt, woselbst sie sich, weil sie nicht bequem stehen konnte, niedersetzte. Die beiden Grafen stellten sich zur Seite der Königin, worauf der Secretair Beale mit lauter Stimme den zur Hinrichtung ertheilten Befehl vorlas. Die Königin trug dasselbe Kleid, worin sie auch vor dem Gerichte erschienen war, nämlich von sehr kostbarer schwarzer Seide; in der Hand hielt sie ein Crucifix von Holz oder Knochen, ein goldenes hing an ihrem Halse, und um den Gürtel hatte sie einen Rosenkranz.

Zunächst bei der Königin stand der Dechant von Peterborough, welcher auf Befehl der Grafen sie ermahnte, an Christum zu glauben und christlich zu sterben. Die Königin unterbrach seine Ermahnung, indem sie mit lauter Stimme betete, und befahl, daß er schweigen möge, indem sie hinzufügte, sie sei ganz zum Tode vorbereitet. Als der Dechant ihr erwiderte, er werde Nichts sagen, außer was ihm anbefohlen worden und Wahrheit enthalte, rief die Königin: „Schweige, Dechant, ich will Dich nicht anhören, ich habe Nichts mit Dir zu thun, Du störst mich,“ worauf derselbe fortan schwieg.

Der Graf Kent sagte hierauf zur Königin: „Herrin, ich beklage Deinen Tod deshalb am meisten, weil ich diesen unnützen und abergläubigen Gegenstand in Deinen Händen sehe,“ worauf die Königin ihm entgegnete: „das Bildniß des gekreuzigten Christus geziemt sich für mich, und erinnert mich an den Herrn.“ – Kent erwiderte, man müsse Christum im Herzen tragen, und fügte hinzu (obschon die Königin sich sträubte ihn anzuhören), er wolle, wenngleich sie diese Gnade Gottes verschmähe, für sie beten, daß der Herr ihr ihre Sünden verzeihe, und sie in sein Reich aufnehmen möge. Die Königin sagte hierauf, daß auch sie darum bitte. Der Dechant kniete während dessen an dem Blutgerüste, und hielt mit heller und vernehmbarer Stimme ein eindringliches und den Umständen angemessenes Gebet, indem er für die Wohlfahrt Ihrer Majestät und des Reichs betete, welches Gebet von allen Anwesenden nachgebetet wurde.

Während dieses geschah, sagte die Königin mit sehr lauter Stimme ihr eigenes lateinisches Gebet, wobei sie das Bild des Gekreuzigten in den Händen hielt. Nach Beendigung des Gebets bat der Henker knieend die Königin um ihre Verzeihung, die sie ihm und Allen, welche bisheran nach ihrem Blute getrachtet, liebevoll und mit Freuden ertheilte, gleichwie auch sie wünschte, daß ihr der Herr ihre Sünden verzeihen möge.

Hierauf verrichtete die Königin knieend und sehr bewegt nochmals ein eifriges Gebet um Verzeihung ihrer Sünden und drückte die Hoffnung aus, daß sie durch den Tod Christi und dessen vergossenes Blut die Seligkeit erlangen würde, wie auch sie ihr Blut freiwillig und mit Freuden für den Gekreuzigten zu vergießen bereit sei. Sodann betete sie für das Heil der Königin von England und wünschte ihr eine lange und ruhige Regierung, und daß sie Gott treu dienen möge; sie betete für die ganze Insel und für die sehr bedrängte Lage der Kirche Christi; sie betete ferner für ihren Sohn, den König von Schottland, damit er in Friede und Gerechtigkeit sein Reich verwalte und durch Bekehrung zur römisch-katholischen Kirche zum wahren Glauben gelangen möge. Endlich flehte sie um die Vermittlung aller Heiligen dieses Tages, wünschend, daß Gott durch seine unendliche Gnade seinen Zorn von dieser unglücklichen Insel abwenden, ihr selbst alle Sünden erlassen, und ihre vom Körper getrennte Seele durch die Hände der Engel in den Himmel aufnehmen möge. Nach Beendigung dieses Gebetes stand die Königin auf und bereitete sich zur Hinrichtung, indem sie ihren Schmuck ablegte, und ihre Tunika mit Hülfe ihrer zwei Kammerfrauen auszog. Als einer der Henker hierbei behülflich sein wollte, sagte sie, sie sei bisheran weder gewöhnt gewesen vor einer solchen Menge ihre Kleidung abzulegen, noch die Hülfe solcher Edelleute dabei in Anspruch zu nehmen.

Die Königin legte das äußere Kleid bis zur Mitte der inneren Tunika ab; der so heruntergelassene obere Theil war am Halse tief ausgeschnitten, so daß derselbe rundum entblößt wurde; das Kleid wurde auf dem Rücken mit Schnüren zusammengehalten, welche sie mit großer Eile auflöste, ihre Kammerfrauen küßte und ihnen Lebewohl sagte. Als die Eine derselben laut weinte, sagte die Königin zu ihr: „Schweige, jammere nicht, habe ich nicht für Euch dafür eingestanden, daß Ihr Euren Schmerz nicht laut werden lassen würdet? Ihr müßt heiter sein.“ Sie segnete Beide und befahl jener, das Blutgerüst zu verlassen.

So zum Tode bereitet, wandte sich die Königin zu ihren in der Nähe knieenden Dienern, machte mit ihrer schönen Hand das Zeichen des Kreuzes über dieselben, befahl ihnen Zeuge zu sein, daß sie als Katholikin sterbe, und bat sie zu Gott um Vergebung ihrer Sünden zu beten. Nach dieser Anrede ließ sich die Königin plötzlich auf die Kniee fallen; sie zeigte fortwährend einen großen und unerschütterlichen Muth, gab nicht das geringste Zeichen von Furcht zu erkennen, und wechselte selbst nicht einmal die Farbe. Die zweite Kammerfrau trat hinzu und verband ihr mit einem Schnupftuche die Augen, während die Königin auf den Knieen mit heller Stimme den 27. Psalm betete: „Auf dich, o Gott, habe ich meine Hoffnung gesetzt“ etc. Hierauf beugte sie mit großer Standhaftigkeit ihren Körper vorwärts, legte den Hals auf den Block und rief mit lauter Stimme: „Herr, in deine Hände befehle ich meinen Geist!“ Während der eine Henker nun ihre Hand hielt, führte der andere mit beiden Händen den Streich mit dem Beile, worauf das Haupt fiel und so das Leben entfloh. Als der Henker hierauf den Kopf in die Höhe hob und den Zuschauern zeigte, riefen Alle: „Gott erhalte unsere Königin, so sollen alle Feinde des Wortes Gottes und Ihrer Majestät sterben!“ – Während aber der Henker so den Kopf der Königin in die Höhe hielt, fiel der Kopfputz herab, und man sah, daß das Haupt schon stark greis, und die Haare unlängst bis auf die Haut abgeschnitten waren. Der Henker erhielt Nichts von den Kleidern und dem Schmucke, wohl aber deren Werth an Geld; Alles, was mit dem Blute der Königin besprengt war, wurde sowohl den Henkern, wie allen Anderen abgenommen und sogleich abgewaschen; selbst die Breter des Blutgerüstes, das mit Blut getränkte Tuch und andere damit benetzte Sachen wurden sogleich verbrannt, damit sie nicht dem Aberglauben dienen sollten. Der Körper der Königin wurde in die Burg zurückgetragen, einbalsamirt und zur Beerdigung bereitet, an welchem Orte derselbe aber begraben werden wird, dies ist bis jetzt noch ungewiß. Dem Hausgesinde und den Dienern der Königin wurde befohlen, in der Burg zu bleiben, damit sie, wenn eine feierliche Beerdigung stattfinden sollte, derselben beiwohnen könnten. Die Königin war ungefähr 44 Jahre alt, eine Fürstin von ausgezeichneter Schönheit, sodaß sie alle Frauen ihres Vaterlandes an Schönheit übertraf. Zuerst war sie verheirathet mit Franz II., König von Frankreich; nach dessen Tod mit Lord Darnley, dem Sohne des Grafen Lennox, einem sehr schönen Jüngling, welchen sie tödten ließ. In dieser Ehe wurde der jetzige König von Schottland geboren. Endlich heirathete sie den Grafen Bothwell, welcher in Dänemark gefangen wurde und geisteskrank starb.

Während der Hinrichtung der Königin war die Burg verschlossen und Niemandem der Austritt gestattet, außer dem Heinrich Talbot, dem Sohne des Grafen Shrewsbury, welcher an den Hof gesandt wurde, und am folgenden Tage die Nachricht von dem Tode der Königin von Schottland nach London brachte. Als die Bürger Londons diese Kunde erhielten, freueten sie sich sehr und läuteten mit allen Glocken; sie freueten sich, daß sie von der großen Gefahr, welcher sie so lange ausgesetzt gewesen, endlich befreit waren. Nur allein die Königin von England legte einen großen Seelenschmerz an den Tag, weil die Hinrichtung gegen ihre Erwartung übereilt worden war und sie beschlossen hatte, dieselbe nochmals in reifliche Ueberlegung zu ziehen.

Seit dem Tage der Hinrichtung bis zum 28. Februar 1587, [75] an welchem Tage gegenwärtiger Bericht abgefaßt wurde, herrscht übrigens hier in England die größte Ruhe; wir hoffen auch ferner auf Frieden und Ruhe, weil der jetzige große Schrecken bei den Feinden der Königin und Ihrer Majestät nicht ohne Wirkung bleiben, und den Fürsten und Herzögen eine Mahnung sein wird, nicht von Gott und der Gerechtigkeit abzuweichen, wenngleich sie auch in dieser Welt sich vor der Furcht der Strafe befreit glauben sollten. — So weit der Bericht.

Wir haben nur noch hinzuzufügen, daß die Königin Elisabeth den Wunsch der Hingerichteten, bei ihrer Mutter in Frankreich begraben zu werden, nicht erfüllt hat. Nach Verlauf von sechs Monaten, Donnerstag den 1. August 1587, wurde die Leiche endlich mit einem königlichen Ceremoniel in der Kathedrale von Peterborough, dem Grabe Katharinens gegenüber, beigesetzt. Zweiundzwanzig Jahre später ließ ihr Sohn, Jakob VI., den Leichnam nach London bringen und in Heinrich’s II. Capelle beisetzen. Ihr prachtvolles Monument daselbst in der Westminster-Abtei ist auch in deutschen Reisewerken schon öfters abgebildet worden.


  1. Der nachstehende durch seine Einzelheiten sehr interessante Bericht eines Zeitgenossen über die Hinrichtung der Maria Stuart ist uns aus ganz zuverlässiger Quelle, als aus dem handschriftlichen Nachlasse des ehemaligen kurtrierischen Kanzlers Dr. Wimpheling stammend, mitgetheilt worden. Wir haben uns bisher vergeblich bemüht, in Erfahrung zu bringen, ob das Schriftstück schon früher anderweitig veröffentlicht worden ist, glauben aber mit dem Abdruck desselben in jedem Falle unserm großen Leserkreise eine willkommene Gabe zu bieten.
    D. Red.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: zum