Einer abwesenden Freundin
Einer abwesenden Freundin.
(1794.)
Wenn vom Frühling rund umschlungen,
Von des Morgens Hauch umweht,
Trunken nach Erinnerungen
Meine wache Seele späht;
Mir so süß die Sonne blinkt,
Und ihr Strahl ins Herz der Erde
Und der Erdenkinder dringt;
Wenn, umdämmert von der Weide,
Tief bewegt von Leid und Freude,
Meine Seele träumt und sinnt;
Wenn im Haine Geister säuseln,
Wenn im Mondenscheine sich
Schau ich oft und grüße dich.
Edles Herz, du bist der Sterne
Und der schönen Erde werth,
Bist es werth, so viel die ferne,
Denn mit deiner Liebe lieben
Schönes Auserwählte nur,
Denn du bist ihr treu geblieben,
Deiner Mutter, der Natur. –
Froh, wie du, um deinen Pfad;
Sanft bewegt vom Weste, walle,
Wie dein friedlich Herz, die Saat!
Deine liebste Blüthe regne,
Wo dein Auge weilt, begegne
Dir das Lächeln der Natur!
Oft im stillen Tannenhaine,
Webe dir ums Angesicht
Glorie das Abendlicht!
Deines Herzens Sorgen wiege
Drauf die Nacht in süße Ruh,
Und die freie Seele fliege
Hölderlin.