Heinrich von Sybel (Die Gartenlaube 1895/3)

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Titel: Heinrich von Sybel
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aus: Die Gartenlaube, Heft 3, S. 37, 52
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Heinrich von Sybel.

[52] Heinrich von Sybel. (Zu dem Bildnis S. 37.) Unsere Geschichtschreiber zeichnen sich durch eine seltene Schöpferkraft in hohen Lebensjahren aus. Hochbetagt war Ranke, als er der Nation die wertvolle Gäbe seiner Weltgeschichte spendete, und auch Heinrich von Sybel hat jetzt die Mitte der Siebziger bereits überschritten und in rascher Folge erscheint ein Band seiner „Begründung des Deutschen Reichs durch Wilhelm I.“ nach dem andern, gegenwärtig nach dem sechsten alsbald der siebente. Und dabei wendet sich der Fleiß und die Gelehrsamkeit unserer Forscher jetzt mit Vorliebe der jüngsten Zeit zu. Zwar Gervinus erlahmte bei der Aufgabe, eine Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts zu schreiben; das Jahr 1866 und der Triumph Bismarcks, in dem er nur den preußischen Junker sah, verdarben ihm das Concept. Treitschke stellte sich vom entgegengesetzten Standpunkt dieselbe Aufgabe und bringt sie mit größerer Ausdauer zur Lösung; er ist in seinem neuesten Bande bei dem bedeutungsvollen Jahr 1848 angekommen. Sybel aber hat sich die große neue Geschichtsepoche Deutschlands zum Gegenstande gewählt und behandelt dieselbe mit Benutzung der reichen archivarischen Quellen, die ihm bis vor kurzem im vollsten Umfang zu Gebote standen.

Heinrich von Sybel ist ein Rheinländer, geboren am 2. Dezember 1817 zu Düsseldorf, war er seit 1845 Professor in Marburg, 1850 kurhessischer Abgesandter auf dem Reichstag zu Erfurt. Im Jahre 1856 nach München berufen, entwickelte er hier eine Thätigkeit, welche der deutschen Geschichtswissenschaft in seltener Weise zugute kam und welche geradezu als eine grundlegende bezeichnet werden kann: er gründete die „Historische Zeitschrift“, die sich seither als Mittelpunkt aller Forschungen und Leistungen auf diesem Gebiete behauptet hat, richtete das erste historische Seminar an der Universität ein und war Sekretär der von König Max II. geschaffenen „Historischen Kommission“, welcher die Herausgabe großer geschichtswissenschaftlicher Werke als Aufgabe zufiel. Seine akademische Thätigkeit setzte er dann seit 1861 in Bonn fort; er war auch parlamentarisch thätig, mehrfach Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses und auch in den Reichstag des Norddeutschen Bundes ist er gewählt worden. Seit 1875 ist er Direktor der preußischen Staatsarchive in Berlin und giebt als solcher seit 1878 ein großartiges Werk heraus, die auf 70 Bände berechnete Veröffentlichung archivarischer Dokumente. Sein großes Hauptwerk ist die „Geschichte der Revolutionszeit 1789 bis 1800“ (5 Bände seit 1853), für welche er nicht nur die Pariser Archive, sondern auch diejenigen von Berlin, Wien, London benutzte. Dieses Geschichtswerk beschränkt sich nicht auf Frankreich; es giebt ein Gemälde des ganzen Zeitalters; die europäische Kabinettspolitik in jener Zeit der großen Umwälzung ist von ihm zum erstenmal erschöpfend behandelt worden. Auch was die innere Bewegung in Frankreich betrifft, hebt er neue Gesichtspunkte hervor; volkswirtschaftliche und staatswirtschaftliche. Vortrefflich ist seine Darstellung der inneren Zustände Frankreichs vor der Revolution und der polnischen vor der Teilung Polens. Obwohl bestimmter in seinen sittlichen Urteilen gegenüber den einzelnen öffentlichen Charakteren als Ranke, ist er doch kein so markiger Porträt- und Charaktermaler wie Mommsen; er legt wie Ranke den Hauptnachdruck auf die Darstellung der allgemeinen Verhältnisse und Einflüsse. Gleiche Vorzüge hat auch sein neuestes Werk; mit einer Quellenkunde ausgerüstet wie kein anderer und gewohnt, dem politischen Faden in alle Schlupfwinkel der Kabinette nachzugehen, wird er der tonangebende Geschichtschreiber dieser großen Epoche bleiben und Sagengebilde, wie sie sich um einzelne Vorgänge, wie die Emser Depesche, ansammelten, ein für allemal zerstreuen. Die Ursachen des französischen Kriegs sind nie so lichtvoll dargelegt worden wie von Sybel im siebenten Bande seines neuen Geschichtswerkes; glücklicherweise beherrschte er das dafür nötige Aktenmaterial bereits hinreichend, als man ihm neuerdings das Vorrecht, offizielle Akten frei zu benutzen, entzog. †