Kenotaphium Hypatia’s von Alexandria

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Wilhelm Hertz
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Kenotaphium Hypatia’s von Alexandria
Untertitel:
aus: Gedichte, S. 21–24.
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Hoffmann und Campe
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Hamburg
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Kenotaph (Scheingrab) und Hypatia von Alexandria (370–450)
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[21]
Kenotaphium Hypatia’s von Alexandria.


Wandelt mein ernster Blick durch die Todeszeugen der Wahrheit,
Lächelt ein blutiges Bild schmerzlich und mahnend mir zu.
Alle Märtyrer Jesu verherrlicht und heiligt die Nachwelt,
Doch kein Herz gedenkt, edle Hypatia, dein!

5
Deinen Namen verschwemmte mit deinem Staube die Meerfluth,

Einem leeren Grab sing’ ich mein einsames Lied.

Schön war deine Gestalt, doch schöner war noch die Seele,
Einmal kehrte noch dir freundlich die Charis zurück.
Scheidend krönte dein Haupt der Stern platonischer Weisheit,

10
Selber der Göttliche sprach dir im begeisterten Mund.
[22]

Und es lauschten entzückt die Freunde der lieblichen Worte,
Sehnend in seliger Gluth lauschte der Jünglinge Schaar.
Stilles, freundliches Bild! Du heilige Halle des Friedens!
Ferne rauschten um dich leise die Fluthen der Welt. –

15
Weh, wo schwindest du hin? Schon naht ein verworrenes Brausen,

Durch die Hallen entsetzt stäuben die Hörer dahin.
Christliche Schwärmer umstürmen das Haus. O fliehe, Hypatia!
Traue dem Volke des Herrn, traue den Heiligen nicht!
Weh, schon sinkst du vom Wagen herab, und frevelnde Hände

20
Reißen vom schneeigen Leib höhnend das keusche Gewand.

Nicht versöhnte die Wilden der Jungfrau rührende Schönheit,
Nicht die zarte Gestalt, bebend in Gluthen der Scham.
Hülflos sinkt sie hinab in’s Gewühl, und blutige Arme
Tasten mit wüthender Gier nach dem entheiligten Leib. –

[23]
25
Tödte sie doch, du grausame Schmach, und führe des Lebens

Matten, zuckenden Rest über die Grenzen der Qual!
Sieh, schon raffen sie Muscheln und scharfe Kiesel des Meers auf,
Schälen die schimmernde Haut gierig vom zarten Gebein.
Langsam schwindet dahin der Glieder blühende Wölbung,

30
Wunden in schaurigem Kranz krönen das liebliche Haupt.

Schon zerschmelzen in Blut des Busens blendende Hügel,
Zögernd senkt sich der Tod auf den gemarterten Leib.
Ha, und solches that kein Schwarm bluttrunkener Heiden:
Nein, das heilige Werk weihte der heil’ge Kyrill! –

35
Grollend empfängt der Nil der Jungfrau blut’ge Gebeine,

Trägt sie im wiegenden Arm sorgsam in’s heilige Meer.
Friede mit dir, du gebrochenes Herz! Fern sinket die Sonne,
Goldene Glorie flammt über dein wogendes Grab. –
Zeiten schwanden dahin; aus deinem Blute entsprossen

[24]
40
Keine Palmen; es stand nirgends ein Rächer dir auf.

Deinen heiligen Mörder umknieet das Volk mit Gebeten,
Deinem vergessenen Staub sang ich mein einsames Lied.