Klein-Piepeneichen

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Textdaten
Autor: Kurt Tucholsky
unter dem Pseudonym
Theobald Tiger
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Titel: Klein-Piepeneichen
Untertitel:
aus: Ulk Jahrgang 48. Nummer 39. Seite 144
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 26. September 1919
Verlag: Rudolf Mosse
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: UB Heidelberg und Scan auf Commons
Kurzbeschreibung:
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 Klein-Piepeneichen

 Von Theobald Tiger

Alles, was seit dem November geschehen,
wird im Reiche nicht gern gesehen.
Besonders der Stammtisch der kleinen Stadt
furchtbar viel zu schimpfen hat.

5
Der neue Kurs, die neuen Leute,

das gloriose Gestern, das nüchterne Heute,
die Machtlosigkeit der Landratsfamilien,
die scheußlichen Revolutionsutensilien,
als da wäre: der Arbeiterrat – –

10
Wo ist der alte preußische Staat?

Umsturz, Krach und Thronverzicht:
Für Klein-Piepeneichen gilt das nicht.

In Klein-Piepeneichen ist Vater und Kind
Gott sei Dank stramm monarchisch gesinnt.

15
Da weiß man noch nichts von der Schuld am Kriege,

da feiert man noch die erträumten Siege,
lobt sich die gußeisernen Generale,
sonnt sich am alten Ruhmesstrahle,
glaubt noch immer die alten Lügen,

20
schlürft beseligt in vollen Zügen

den altwilhelminischen süßen Brei,
schimpft auf das Neue und denkt nichts dabei.
Abrechnung? Aufklärung? Staatsgericht?
Für Klein-Piepeneichen gilt das nicht.

25
Und wer will an alte Rechte rühren?

Wer wagt sich heran an die alten Gebühren?
Der gnädige Herr auf dem Rittergut
weiß, wie wohl ihm der Flitter tut;
er kann den Nimbus von falschen Ehren

30
durch seine Kerls nun mal nicht entbehren.

Soll nur der Herr Minister rügen,
sollen sie in Berlin verfügen –
Wir gehen unsern alten Schritt
und heizen uns unsre Stuben damit.

35
Tarifvertrag? Abgabe? Saatenbericht?

Für Klein-Piepeneichen gilt das nicht.

Der Haß der wildesten Kommunisten,
der menschenfressenden Bolschewisten
ist nicht so heiß und ist nicht so schlimm

40
wie des Stammtischs fürchterlicher Grimm.

Der stellte am liebsten das halbe Land,
das ihm nicht paßt, glatt an die Wand.
Da ist Blutdurst und da ist Roheit.
Das spürt noch immer die alte Hoheit

45
der Ritterkaste im engen Gemüt.

Wilhelm ist fort. Sein Unkraut blüht.
Sie hängen am Tand. Sie hängen an Bildern.
Ihre ohnmächtige Wut ist nicht zu schildern.
Mag die Regierung schalten und walten –:

50
Ihr Herz hängt noch immer am schlechten Alten.

Nichts will ihnen vom Neuen passen.
Sie können vom Haby-Schnurrbart nicht lassen.
Und sehnen sich nach des Kaisers Segen.
Ihretwegen. Ihretwegen.

55
Sie wollen nicht, sie fügen sich nicht.

Bis einer ihren Willen bricht.

Revolution in Klein-Piepeneichen:
werden wir die in Deutschland erreichen?