MKL1888:Helĭanthus

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Helĭanthus“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 8 (1887), Seite 353354
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Helĭanthus. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 8, Seite 353–354. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Hel%C4%ADanthus (Version vom 24.04.2024)

[353] Helĭanthus L. (Sonnenblume, Sonnenrose), Gattung aus der Familie der Kompositen, ein- oder mehrjährige, meist hohe, rauh- oder steifhaarige Kräuter mit gegen- oder wechselständigen, gestielten, ganzrandigen oder gesägten Blättern, einzeln endständigen oder doldenrispig gruppierten, meist großen oder sehr großen Blütenköpfen, länglichen bis fast verkehrt-eiförmigen Achenen und einem aus zwei spreuartigen Blättchen oder Grannen bestehenden Pappus. Etwa 50 meist nordamerikanische Arten. H. tuberosus L. (Topinambur, Erdmandel, Grund- oder Erdbirne, Erdapfel, Jerusalem- oder Erdartischocke) hat einen 2,5–3,75 m hohen, meist gar nicht verästelten, blattreichen Stengel, gegenständige, herz-eiförmige untere, abwechselnde, eiförmige obere Blätter und aufrechte, dottergelbe Blütenköpfe bis 8 cm im Durchmesser, die aber bei uns nur in warmen Herbsten zur Entwickelung kommen. Die Topinambur stammt aus Brasilien, kam 1617 nach England, nach dem Dreißigjährigen Krieg nach Deutschland und wurde hier namentlich wegen ihrer ovalen, äußerlich rötlichen, innen weißen, an einer Seite etwas spitz zulaufenden Knollen als Viehfutter kultiviert, während des 18. Jahrh. aber von der Kartoffel verdrängt, so daß sie jetzt nur noch in Oberbaden und im Elsaß, hier und da auch in Mitteldeutschland kultiviert wird. Sie gedeiht allgemein im Kartoffelland, aber auch noch in leichterm Boden und in dumpfen Lagen, wo der Boden das tiefe Eindringen der Wurzeln gestattet. Die höchsten Erträge, welche über die Kartoffelerträge hinausgehen, bringt sie in mildem Lehmboden. Stengel und Blätter geben ein schätzenswertes Futter zu einer Zeit, in der andres Grünfutter zu fehlen beginnt. Sie hat eine sehr lange Vegetationsperiode und nimmt den Boden namentlich hinsichtlich seiner Alkalien stark in Anspruch. Die Kultur gleicht im allgemeinen der Kartoffelkultur, ist aber einfacher, billiger, und die Knollen können über Winter im Boden bleiben und nach Bedarf herausgenommen werden. Auch in Mieten halten sie [354] sich sehr gut, und selbst erfroren sind sie noch tauglich. Der Ertrag kommt im allgemeinen dem der Kartoffeln ziemlich nahe, und wenn der Futterwert auch um 20 Proz. geringer ist, so wird dieser Ausfall wieder durch den Stengelertrag gedeckt, welcher zwischen 60 und 120 Ztr. pro Hektar schwankt. Die Topinambur würde ohne Zweifel häufiger kultiviert werden, wenn sie besser in die Fruchtfolge paßte und nicht, wenn man sie gebaut hat, erst wieder durch zwei Nachfrüchte aus dem Boden entfernt werden müßte. Die Knollen enthalten 14,7 Proz. Zucker, 3,1 Proz. Proteinstoffe, 1,9 Proz. Inulin, 1,1 Proz. Pektinstoffe, 0,2 Proz. Fett, 1,5 Proz. Cellulose, 1,3 Proz. Mineralstoffe und 76 Proz. Wasser. Auch zur Spiritusbereitung ist die Topinambur benutzt worden. Man kann annehmen, daß die Knollen einen um die Hälfte größern Gehalt an Trockensubstanz und Zucker geben als die Runkelrüben, und daß sie 50 Proz. Futter hinterlassen. H. annuus L. (Sonnenblume, Sonnenrose), bis 2 m hoch, mit meist einfachem Stengel, gestielten, herzförmigen, gesägten, rauhen Blättern, großen, nickenden Blütenköpfen, gelben Rand- und braunen Scheibenblüten und schwarzen, grauen oder weißen Früchten, eine einjährige Pflanze aus Peru, wird namentlich in Rußland und Ungarn als Ölpflanze, in Holland, im südlichen Frankreich, im Pandschab, in Südrußland, bei Washington, auf Martinique, hier und da auch bei uns auf sumpfigem Terrain zur Verbesserung des Klimas, namentlich zur Bekämpfung des Wechselfiebers, gebaut. Sie verlangt einen etwas bindigen und kräftigen Boden und entwickelt sich besonders aus frisch importierten Samen sehr kräftig. Die jungen Knospen der Pflanze dienen als Gemüse, die Stengel als Brennmaterial und zur Gewinnung von Pottasche (sie saugt das Land stark aus); die Blätter geben ein gutes Viehfutter, die Blüten liefern den Bienen reichlich Honig; die Früchte (über 2000 in einem Blütenkopf) bilden ein gutes Mastfutter für Geflügel, werden aber besonders zur Gewinnung von Öl benutzt. Sie müssen enthülst werden, und die Kerne geben dann 40 Proz. Öl, wovon in Rußland 1866 an 100,000 Ztr. gewonnen wurden. Nach Langethal erhält man von 1 Hektar ca. 3 Ztr. Öl, außerdem 80–200 Ztr. Stengel und Blätter. Auch die Ölkuchen bilden treffliches Viehfutter. Die Samen können wie Mandeln benutzt werden. Die Sonnenblume wurde gegen Ende des 16. Jahrh. in Europa bekannt und erregte schnell großes Aufsehen, besonders auch durch ihren ausgezeichneten Heliotropismus (s. Pflanzenbewegungen). Mit Bezug auf diesen erschien sie vielfach als Wappen- oder Siegelblume, als Zeichen lehnspflichtiger Ritterschaft, treuer Anhänglichkeit etc.