Mikroskopische Schriften und Zeichnungen

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Textdaten
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Autor: Eduard Mautner
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Titel: Mikroskopische Schriften und Zeichnungen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 222
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[222] Mikroskopische Schriften und Zeichnungen. Zu allen Zeiten hat es Menschen gegeben, die einen Ruhm darin suchten, im Kleinen groß zu erscheinen. Plinius erzählt uns von einem Elfenbeinkünstler, der ein bemanntes Schiff gearbeitet hatte, so klein, daß eine Fliege es mit ihren Flügeln vollkommen bedeckte. Ein anderer alter Autor gedenkt einer so klein geschriebenen Ilias, daß sie in einer Nuß Platz hatte. In den früheren Jahrhunderten gefiel man sich darin, Christusköpfe zu zeichnen, deren Haupt- und Barthaar in nur mit der Lupe leserlicher Schrift die ganze Heiligengeschichte enthielt. In der russischen Abtheilung des Liebhaberei-Pavillons auf der Wiener Weltausstellung befanden sich derartige Christusköpfe, auf denen man bei genauerer Untersuchung die Haarlinien als Schriftzeilen erkannte. Auch der berühmte Kirschkern des Grünen Gewölbes in Dresden, auf welchem ich weiß nicht wie viel Gesichter eingravirt sind, gehört hierher. Mit Hülfe der Photographie lassen sich jene mühsamen Künsteleien ohne Mühe übertreffen, und die während der Pariser Belagerung für die Taubenpost aus Collodiumblättchen photographirten Briefsammlungen, die man mittelst einer Art Zauberlaterne vergrößert auf die Wand warf, um sie lesen und copiren zu können, übertrafen alles vorher Dagewesene und erfüllten obendrein den edleren Zweck, Tausenden von Menschen innerhalb und außerhalb des eisernen Gürtels Nachricht von dem Schicksal der Ihrigen und Trost zu spenden.

Aber auf der im Sommer 1876 zu London veranstalteten Ausstellung wissenschaftlicher Apparate hatte die dortige „Mikroskopische Gesellschaft“ eine von Peter und Ybbetson construirte Maschine ausgestellt, deren in Proben vorhandene Leistungen denn doch Alles übertrafen, was in diesen Kleinkünsten jemals geleistet worden ist. Der erst unlängst erschienene deutsche amtliche Bericht über diese Ausstellung erzählt, daß mittelst dieser Maschine das Vaterunser innerhalb eines Kreises aus Glas gravirt worden ist, welcher 1/300 Zoll im Durchmesser hat, sodaß die Schrift natürlich nur mit einem kräftigen Mikroskope zu lesen ist. Dasselbe Gebet war auf dem dreihundertfünfundsechszigtausendsten Theile eines Quadratzolles untergebracht worden, und solche Schriftstücke können dann als Probetafeln für die Güte der ausgezeichnetsten Mikroskope benutzt werden. In der letzteren Gestalt ist die Schrift so klein, daß die Bibel mit dem neuen Testament zusammen, welche 3,566,480 Buchstaben enthalten soll, zwanzigmal auf den Raum eines englischen Quadratzolls geschrieben werden könnte. Dagegen muß sich allerdings die Ilias in der Nußschale verstecken.