Mittelalterlicher Taufgang

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Titel: Mittelalterlicher Taufgang
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aus: Die Gartenlaube, Heft 31, S. 517, 528
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[517]

Mittelalterlicher Taufgang.
Nach dem Gemälde von August von Heyden.

[528] Mittelalterlicher Taufgang. (Mit Abbildung, S. 517.) Unser Bild führt uns nach Straßburg, und zwar in die Zeit seines reindeutschen Lebens, in die erste Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts zurück, auf diese Zeit deuten die Costüme hin, welche sich uns als niederdeutsche mit burgundischen Anklängen zeigen. Wir hätten das Bild auch „Die vier Lebensalter“ benennen können, denn diese sind sämmtlich in den Gestalten vertreten, welche wir die wundervolle steinerne Wendeltreppe herabsteigen sehen, die im ehemaligen „Frauenhause“ (Südfront des Schloßplatzes) noch jetzt die Freude aller Kunstverständigen ist. Das „Frauenhaus“ bewahrt bekanntlich gegenwärtig eine Sammlung von Abgüssen der Sculpturcuriositäten des Münsters und andere Dommerkwürdigkeiten, und ist deshalb ein von Kunstjüngern oft besuchter Ort. Unser Künstler bestieg jene Wendeltreppe im Jahre 1870, als er seinen von Franctireurs gefangenen Freund Theodor Fontane im damaligen Kriegsland suchte, und fand bei dieser Gelegenheit die Idee zu unserem Bilde.

Bedarf das Bild keiner weitern Erklärung, so werden unsere Leser um so lieber über den Schöpfer desselben Einiges erfahren; der begabte Meister selbst hat auf unsere specielle Bitte hin die Freundlichkeit gehabt, uns mit Daten an die Hand zu gehen. August von Heyden hat das Glück einer sehr achtbaren Ahnenschaft im Ritterthum der Geister. Einer der frühesten und geistreichsten deutschen Humoristen, Theodor Gottlieb von Hippel, war sein Großonkel, Theodor von Hippel, der Verfasser des Aufrufs „An mein Volk“ und von „Beiträgen zur Charakteristik Friedrich Wilhelm’s des Dritten“ sein Großvater, sein Vater aber der Dichter des jüngst in zweiundzwanzigster Auflage erschienenen Hohenstaufen-Epos „Das Wort der Frau“. Kein Wunder, wenn zur geistigen Erbschaft dieses Nachkommen, der am 13. Juni 1827 in Breslau geboren wurde, auch die poetische Ader gehörte, deren Schaffelust jedoch den Jüngling zur bildenden Kunst hindrängte. Da aber, nach seines Vaters Ansicht, „die Kunst möglichst wenig nach Brod gehen sollte“, so mußte August von Heyden zunächst einen andern Beruf wählen und folgte seiner Neigung zu den Naturwissenschaften und seinem Hange zum Außergewöhnlichen, indem er den Entschluß faßte, Bergmann zu werden.

Nachdem er in Waldenburg wacker das Leder getragen, machte er Universitätsstudien erst in Breslau, dann in Berlin. Hier markirte das Schicksal schon die künftige Wendung seines Lebenspfades, denn abgesehen von seinem eifrigen Verkehr mit Kaulbach und dessen Genossen beim Ausmalen des neuen Museums, wurde er durch Hermann Stilke ein von Tag zu Tag willkommenerer Gast im Hause von Cornelius, der von dem jungen, phantasievollen Bergmann an einsamen Abenden hinter seiner durch einen Lichtschirm verdunkelten Lampe sich Bergmannsabenteuer und Grubengespenstergeschichten erzählen ließ. Zugleich verband ihn die innigste Freundschaft mit dem später so berühmt gewordenen Architekten Richard Lucä und ward für ihn zu einer neuen Fessel an Berlin. Erst 1859 zerriß er die ihn hemmende Berufskette. Obwohl, nach vorgängiger Wirksamkeit zu Albona in Istrien, bereits Verwaltungschef der Bergwerke des Herzogs von Ujest, verheirathet und Vater von vier Kindern, schied er mit raschem Entschluß aus seinem Amte, besuchte, ein Mann unter Jünglingen, die untersten Classen der Berliner Akademie, trat 1860 in Steffeck’s Atelier und ging im folgenden Jahre nach Paris, wo er bei Glaire und Couture arbeitete und schon nach anderthalb Jahren sich auf dem Pariser Salon durch sein Bild der „Heiligen Barbara als Schutzpatronin der Bergleute“ die goldene Medaille erwarb.

Als fertiger Meister kehrte er 1863 nach Berlin zurück. Das Verzeichniß der zahlreichen Werke, welche der Künstler seitdem geschaffen, findet der Leser, der darnach sucht, in jedem Conversations- und Künstlerlexicon. Genrebilder machen den Anfang, dann aber folgen Schlag auf Schlag historische Bilder und große monumentale Arbeiten, in denen er sein eigenstes Können entfaltet; dazwischen fallen einige Radirungen und mancherlei Illustrationen. Die bekanntesten seiner größeren Arbeiten sind, außer der genannten Bergmanns-Heiligen, „Luther und Frundsberg zu Worms“, jetzt im Germanischen Museum zu Nürnberg, und „Vor der Schloßkirche zu Wittenberg am 31. October 1517“; ferner der Vorhang des Berliner Opernhauses, Arion auf den Meereswogen darstellend, eine reiche, von festlichem Leben erfüllte Composition; als reizende, poetische Schöpfungen wurden 1870 bewundert: „Die Siesta“, „Das Märchen“ und „Der Festmorgen“, welch letzterer von der Nationalgallerie in Berlin erworben ist. Orpheum, Rathhauskeller, Kaisergallerie, Nationalgallerie und manche Privatgebäude in Berlin enthalten monumentale Arbeiten des Meisters. Auch die Ausschmückung des deutschen Fürstenpavillons auf der Wiener Weltausstellung war sein Werk, und im Generalstabsgebäude hat er das Arbeitszimmer Moltke’s decorirt. Nachdem A. von Heyden 1866 mit Bleibtreu und L. Burger die preußische Armee ohne künstlerische Ausbeute auf die böhmischen Schlachtfelder begleitet hatte, regte das Jahr 1870 ihn zu seinem großen Bilde „Walküren reiten über das Schlachtfeld“ an, das in Wien mit der Medaille ausgezeichnet ward. – Romantiker mit voller überzeugter Hingabe, faßt A. von Heyden selbst classische Stoffe von diesem Gesichtspunkte an, wählt aber mit Vorliebe deutsche und nordische Stoffe. Augenblicklich schreitet er zur Ausführung eines großen Auftrages: der Ausmalung des Schwurgerichtssaales in Posen.

A. von Heyden ist auch schriftstellerisch thätig. Er gab „Blätter für Costümkunde“ bei Franz Lipperheide in Berlin heraus, veröffentlichte culturhistorische Aufsätze in Zeitschriften und ist Verfasser anmuthiger Bergmannsmärchen, die unter dem Titel „Aus der Teufe“ im Grote’schen Verlag erschienen sind.