Naturalbezüge der Rathsherren

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Ausreißer im Hussitenkriege 1438 Naturalbezüge der Rathsherren (1894) von Otto Richter
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896)
Meißner Weinhandel 1583
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Naturalbezüge der Rathsherren.

In älterer Zeit genossen die Dresdner Rathsherren außer dem baaren Gehalte noch manche kleine Naturalbezüge. Während des 16. Jahrhunderts erhielten sie unentgeltlich einen Theil der im Rathskeller von dem eingeführten fremden Wein und Bier übrig bleibenden leeren Fässer, und zwar der regierende Bürgermeister 15, die beiden anderen je 10, die vier ältesten Rathsherren je 6 und die sechs jüngsten sowie der Oberstadtschreiber je 5 Fässer jährlich. An Abnehmern für diese Fässer fehlte es ihnen, soweit sie sie nicht selbst brauchten, damals gewiß nicht, denn jeder Hausbesitzer brante Bier zu eigenem Bedarfe wie zum Verkaufe und jeder vermögende Mann hatte seinen Weinberg in der Lößnitz oder in den Tatzbergen. Ferner bekam der Bürgermeister jährlich 11/2 Schragen, jedes Rathsmitglied 1/2 Schragen freies Holz. Von alter Zeit her war ihnen das Grummet auf der Bürgerwiese überlassen, während das Heu für die Marstallpferde verwendet wurde.

Im Anfange des 17. Jahrhunderts wurden den Rathsherren auch noch gewisse Festspenden zu Theil. Zu Weihnachten erhielt jeder 2 Siebenlehnische Strietzel oder Stollen, die zu jener Zeit, wo auch viel Semmel ans Siebenlehn in Dresden eingeführt wurde, als die besten galten; die erforderlichen 48 Stollen kosteten gegen 12 Gulden. Zu Ostern wurde jedem Rathsmitgliede ein Westfälischer [150] Schinken ins Haus geschickt; der Aufwand für die 24 Schinken belief sich im Jahre 1613 auf 34 Gulden 6 Groschen. Ob diese Naturalien bisweilen in zweifelhafter Beschaffenheit geliefert worden sind oder ob die Hausfrauen für die Poesie dieser Sitte nicht empfänglich waren – genug, schon im Jahre 1617 wurde dafür eine Geldzahlung eingeführt. Die Kämmereirechnung berichtet darüber: „Und weil hiebevorn gebräuchlichen gewesen, umb das heilige Weihnachtfest den Herren Bürgermeistern und Rathsverwandten Siebenlehnische Christwecken oder Strötzel zuzuschicken, ingleichen gegen das heilige Osterfest einen Westphalischen Schinken, hat E. Rath solches geändert und für jedes hinfüro einen ganzen Reichsthaler zu geben verordnet.“ Dieses Schinken- und Strietzelgeld wurde dann auch einigen städtischen Beamten gewährt. Mit vielen anderen guten alten Gebräuchen ist auch dieser durch den dreißigjährigen Krieg zerstört worden. Hingegen läßt sich noch zu Ende des 17. Jahrhunderts nachweisen, daß jeder der drei Bürgermeister aus der kurfürstlichen Jägerei einen Osterhasen erhielt. Dieser Gebrauch rührte daher, daß Kurfürst August, als er den Rath im Jahre 1580 zur Abtretung der ihm zustehenden Hasenjagd in Zitzschewig zwang, ihm vertragsmäßig die jährliche Lieferung von 2 Stück Wild und 24 Hasen zugesichert hatte; später waren die Kurfürsten wohl zu der Meinung gelangt, daß nur die Bürgermeister, nicht auch die übrigen Rathsherren auf Hasenbraten Anspruch machen könnten.

Auch die Sitte des Austheilens von Ostereiern scheint ursprünglich beim Rathe bestanden zu haben: noch im Jahre 1701 verzeichnet die Kämmereirechnung eine Ausgabe von 6 Gulden 19 Groschen „Ostereiergeld, so der Bauschreiber unter das Rathskollegium und dessen Diener gewöhnlichermaßen ausgetheilt“.

O. R.