Persische Skizzen

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Titel: Persische Skizzen
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aus: Das Ausland, Nr. 148–152; 154; 159–162; 196–197; 201;203

S. 589–590; 595–596; 599–600; 603–604; 613–615; 633–634; 637–638; 642–644; 646–648; 781–784; 786–788; 802–804; 810–812

Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum: 1828
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
Übersetzer:
Originaltitel: Sketches of Persia from the Journal of a traveller in the East
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
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[589]

Persische Skizzen.

[1]
Die Seereise. Muskat.

„Land!“ rief man vom Mastkorb herab. „Wie sieht es aus?“ „Hochland Herr, s’zieht sich gegen Nordwest.“ „Kann ich es vom Steuerbord sehen?“ „Nein.“ „Nun,“ sagte der Capitän, „wir haben es gut getroffen: in drei bis vier Stunden sind wir in Muskat.“ Und so war es. Bald stiegen die unfruchtbaren Küsten Arabiens aus dem Meer, und wenn ich mich auf malerische Landschaftsschilderung verstände, so würde ich den Contrast nachweisen zwischen ihnen, die keine Spur einer lebensfähigen Natur verriethen, und zwischen den schattenreichen Gestaden Ceilan’s und den dunkeln Forsten der Gebirge Malabar’s, an denen wir vorbei gesegelt waren.

Eine lange Seefahrt hat etwas Einförmiges, wovon man, wer nie den weiten Ozean durchmessen hat, sich keine Vorstellung machen kann. Günstiger oder widriger Wind, Meeresstille oder Sturm, ein fremdes Schiff, das man sieht oder dem man begegnet, ein Hai, der in die Angel beißt, oder ein Mensch, der über Bord fällt, sind Ereignisse, die einen augenblicklichen Stoff zur Unterhaltung geben; aber bald sinkt der Reisende in seine vorige verdrießliche und unruhige Stimmung zurück: er geht in die Kajüte, um seinen Gedanken nachzuhängen, in der nächsten Viertelstunde ist er schon wieder oben auf dem Verdeck, hält sich am Takelwerk, wenn das Schiff auf den hohlen Wellen schaukelt, blickt in’s Meer hinaus, gibt auf den Mann Acht, der den Log berechnet, und wartet mit Aengstlichkeit auf zwölf Uhr, wo die Breite bekannt gemacht wird. Zu den kleinen Beilagen seines Tagebuchs gehört denn, daß er einmal dem Offizier der Wacht ungeschickt in den Weg kommen muß, ein andermal den Capitän in seiner Längenrechnung stört, indem er lacht oder mit andern Müßiggängern – dieß ist die Rubrik, unter welcher er in der Schiffsliste vorkommt – plaudert. Wenn aber endlich der Ruf „Land“ erschallt, gleich ist die Phantasie beschäftigt, das reizendste Bild sich davon zu entwerfen. Ob ich gleich die Gegend, der wir uns jetzt näherten, schon öfters gesehen hatte, so überließ ich mich doch im ersten Augenblick der Ueberraschung diesen poetischen Illusionen und ärgerte mich beinahe, als ich meinen Irrthum einsah.

Die hohen Ufer, die nun vor uns lagen, öffneten sich in der Mitte zu einer Bucht, und im Hintergrund erschien die Stadt Muskat mit ihren stattlichen Gebäuden. Der Hafen, in welchem wir vor Anker gingen, wird an seinem schmalen Eingang von Batterien bestrichen, und ist durch zahlreiche Befestigungen, die rings um die ungestalten Felsenhügel laufen, hinreichend vertheidigt.

Muskat, der Stapelplatz des persischen Golfhandels, steht unter einem Fürsten, der den Titel Imam führt; wie bei allen arabischen Häuptlingen ist seine Autorität mehr patriarchalischer als despotischer Art. Obgleich im Besitz einer zahlreichen Flotte, worunter einige schöne Fregatten sich befinden, und einer beträchtlichen Armee, die er zum Schutz seiner Herrschaft auf den Küsten Afrika’s, Arabiens und des Golfs unterhält, kann ihn jeder Einwohner Muskats vor Gericht fordern.

Ich sah noch den Vater des jetzt regierenden Imam’s, als ich eine frühere brittische Gesandschaft nach Persien begleitete. Er empfing uns am Bord seines Flaggenschiffs, einer Fregatte von 40 Kanonen mit 1000 Tonnen Gehalt. Sein Anzug war äußerst einfach: er trug keine Juwelen, keine Waffen, nicht einmal einen Dolch an sich; ein Schawl als Turban um den Kopf gewunden, der schlichte arabische Mantel, der über sein feines weißes Kleid herabhing, ließ seinen Rang kaum vermuthen; aber an seinen geraden und männlichen Manieren erkannte man den thätigen und unternehmenden Charakter, und an aufmerksamen Blicken seiner arabischen, nubischen und abyssinischen Unterthanen, die unverwandt auf ihn gerichtet waren, den Fürsten. Der Imam redete nie anders als auf’s Freundlichste mit ihnen, und in ihrem Benehmen gegen ihn lag ein schöner Ausdruck von Liebe und Zutrauen, der uns das Verhältniß des orientalischen Herrschers zum Volke in einem ganz andern Gesichtspunct, als gewöhnlich, betrachten ließ.

Während unsres Besuchs, als wir auf dem Verdeck unter einem Zelt saßen, kamen mehrere Capitäne der Muskat’schen Flotte an Bord. Salâm alicum! (Friede sey mit euch!) hörte man aus jedem Munde, man reichte sich die Rechte, schüttelte sie und drückte sie an die Brust. Der arabische Matrose richtete seinen Gruß an den ihm vorgesetzten Befehlshaber und verkehrte mit ihm, als mit seines Gleichen, Mann gegen Mann, in der freien und ungewzungenen Weise, die in Europa als ein Vorzug der bevorrechteten Stände gilt. „Aber,“ frage ich jemand, der neben mir saß, „thut diese Vertraulichkeit nicht [590] dann und wann der Mannszucht Eintrag?“ „Nein,“ erwiederte er, „die Grenzlinie kennt man schon, und wo diese überschritten wird, setzt es scharfe Strafe ab. Das Recht, unsre Obern anzureden, ist unser Stolz, und jeder Araber, der, in Folge eines davon gemachten Mißbrauches, darauf verzichten müßte, würde die Schmach tief fühlen.“

Jetzt öffnete sich die Thüre der Cajüte und der Imam, der sich mit dem Gesandten dahin zurückgezogen hatte, trat heraus. Er blieb stehen; die Capitäne aber, die eben von Boßora zurückgekehrt waren, traten der Reihe nach, wie es ihr Rang mit sich brachte, unter tiefen Verbeugungen auf ihn zu, faßten die Hand, die er ihnen entgegen streckte, in ihre beiden Hände, drückten sie fest, hoben hierauf ihre Rechte zur Begrüßung zum Kopf empor, legten sie auf die Brust und begaben sich in dieser Stellung nach ihren Plätzen zurück. Nach Beendigung der Ceremonie setzte sich der Imam, und hieß uns und seine Oberofficiere das Gleiche thun.

Wir hatten für eine Mahlzeit gesorgt, woran die sämmtliche Gesellschaft Theil nahm. Als wir uns entfernten, waren wir sehr überrascht, einige fürstliche Frauen und darunter die Favoritin zu sehen, die unverschleiert uns mit großer Neugierde betrachteten. Sie schienen sehr vergnügt; wahrscheinlich, fanden sie sich durch die Artigkeit des Gesandten, der die Söhne des Imams, ein paar schöne Knaben, beschenkt hatte, geschmeichelt.

Ich habe Muskat zu allen Jahreszeiten besucht; jetzt war es Winter und ich fand das Klima angenehm. Im Sommer dagegen ist die Hitze unerträglich. Denn da die Anhöhen hinter der Stadt jeden Windhauch abwehren, der nicht gerade von der Seeseite in die schmale Oeffnung der Bucht weht, so spürt man kein Lüftchen; die Sonnenstrahlen aber, die von den kahlen Felsenwänden oder den weißen Mauern der über der Stadt und dem Hafen [WS 1] hängenden Festungswerke zurückprallen, erzeugen eine Temperatur, welche, nach der Beschreibung eines persischen Dichters, dem sterbenden Sünder einen lebhaften Vorschmack seines künftigen Looses gibt.

Unter den ersten, die an Bord kamen, befand sich mein alter Freund Mahommed Gholum. Als guten Seemann hatte ich ihn im Jahr 1800 kennen gelernt, wo er uns als Pilot von Muskat nach Ormus geleitete. Er war jetzt zum Piloten des Staats vorgerückt, und einer der ersten Minister des jungen Imams, über dessen Charakter er mit der höchsten Bewunderung sich äußerte. „Sein Vater, sagte er, war ein tapferer Mann; er fiel in einer Schlacht. Und wenn sein Sohn so fortfährt, sich überall auszusetzen, so erwartet auch ihn ein früher Tod. Syd Sayd wird bedauern, daß er gerade jetzt auf einer Expedition abwesend seyn muß, und also den Gesandten nicht sehen kann, der noch von seinen Knabenjahren her in gutem Andenken bei ihm steht. Das Modell zu einem Linienschiff von 74 Kanonen, welches er damals von ihm erhielt, bewahrt er noch sorgfältig auf.“ Mahommed Gholum, unverändert durch das Glück, hatte noch ganz das freie und männliche Wesen des arabischen Seemanns an sich. Wir unterhielten einander mit manchen alten Geschichten, wobei wir oft herzlich lachen mußten.

Bald besuchten uns Leute von allen Nationen und Farben. Etwas besonders anziehendes für mich hatte die Erscheinung einiger Araber aus dem Innern des Landes: diese leichten und herrlich geformten Gestalten, dieser Ausdruck von Kraft in Miene, Gebehrden, kurz in allen Bewegungen, diese schwarzen rollenden Augen, die mit der Geschwindigkeit des Blitzes über die Gegenstände hinleuchteten. Ein gutes Telescop war zufällig so gestellt, daß man die fernsten Festungswerke deutlich sehen konnte. Ich ließ einen Araber durchsehen, aber kaum stand er eine Weile davor, als er, ohne ein Wort zu sprechen, mit einem Blick des Staunens auf mich, die Schiffsleiter hinunter eilte: „Ihr seyd Zauberer, rief er aus seinem Boot herauf, jetzt weiß ich, wie ihr Städte erobert; das Ding (er zeigte auf den Teleskopen) bringt sie euch herbei, wenn sie noch so fern sind.“ Es war auch wirklich nicht möglich, ihn zur Rückkehr zu bringen, daß wir ihn hätten über die Wirkungen der Optik belehren können. [595] Alles was ich bemerkte, namentlich auch daß ich sah, mit welcher Sicherheit jeder Einwohner oder Fremder, Hindu oder Muselmann, seinen Geschäften nachgehen kann, machte mich für Muskat sehr eingenommen. Eine nach meinen unbefangenen Wahrnehmungen von der Stadt und dem Volk entworfene Skizze zeigte ich eines Tags einem meiner Freunde, einem Schiffscapitän, der zu meiner großen Verwunderung in ein lautes Gelächter darüber ausbrach, und meinte, er habe ein Gemälde, das denselben Gegenstand auf ganz and’re Art darstelle. „Es ist, wie Sie wissen,“ sagte er, „ein Admiralitätserlaß vorhanden, der den Offizieren der Kriegsschiffe befiehlt, wenn sie einen noch wenig bekannten Hafen besuchen, das Leben daselbst, die Sitten und Gebräuche der Einwohner zu beobachten. Ich habe nun einen einfältigen Burschen von einem Schiffer, der ein trefflicher Seemann ist, aber sich um das, was auf dem Land vorgeht, blutwenig bekümmert. Ich war jedoch begierig, einmal Bemerkungen von ihm zu lesen, und wußte, daß er schon zu zwei oder drei verschiedenen Malen die Stadt besucht hatte; so bestand ich denn darauf, daß er die betreffende Colonne in seinem Dienstbuch ausfüllen solle. Es kam ihm sauer an, bis er sich der neuen Pflicht entledigte. Endlich ging er in der Verzweiflung in sein Cabinet und brachte mir sein Buch mit den Worten: Hier, Herr, habt ihr Alles, was sich von diesen schwarzen Burschen sagen läßt; ihr werdet’s finden, wie sie’s verdienen. Ich nahm das Journal und las:

Bewohner von Muskat.
„Lebensart: keine; Sitten und Gebräuche: bestialisch.“

Ohne Zweifel wird dieser Lakonismus des ehrlichen Schiffers Manchem wahrer dünken als meine Schilderung: wenn er z. B. seine Beobachtungen auf das wüste Drängen und Treiben am Strande beschränkt, wo er nichts als Sclaven, Kameele, Dattelladungen und das Heer der Geschmeißmücken sieht, das die Luft verdunkelt, und wo der Gestank der faulen gesalzenen Fische ihm den Athem [596] zurückdrängt; oder wenn er durch die elenden engen Straßen der Stadt wandert, und ihm die Kettenzüge der Sclaven begegnen, hinter denen der Ausrufer geht: Nro. 1, ein schöner junger Mann, fünfhundert Piaster; Nro. 2, ein etwas älterer, aber noch gesund und stark, vierhundert Piaster u. s. f.“ – wer wollte sich nicht mit Unwillen von solchem Schmutz und Greuel wegwenden!

Wenn wir indessen tiefer in die Scene blicken und das Schicksal der Sclaven Muskat’s mit dem dieser Unglücklichen in unsern Ländern vergleichen, die so wenig ganz von der Schmach jenes Handels frei zu sprechen sind, daß vielmehr fast keine Macht des civilisirten Europa’s ihren fortdauernden öffentlichen oder geheimen Antheil daran abläugnen kann, so müssen wir der Wahrheit zu Ehren den asiatischen Nationen einen höhern Grad der Humanität zuerkennen, als wir selbst besitzen.

Den Sclaven im Orient erwartet, wenn er sich gut anläßt, die Lage eines begünstigten Domestiken. Gewöhnlich ist der Uebertritt zur Religion seines Herrn die erste Stufe, auf welcher er zu dessen Gunst gelangt. Einige Seehäfen ausgenommen, ist seine Arbeit selten hart. In Asien gibt es keine Pflanzungen, welche von Sclaven bebaut werden, keine Manufakturen, wo sie sich von Morgens früh bis in die späte Nacht abarbeiten: ihre Beschäftigung ist ganz häuslich, eine gute Aufführung wird mit Wohlwollen und Zutrauen belohnt, und bringt sie in die Gemeinschaft derer, denen sie angehören. Auf dem Stand des Sclaven (term gholam) haftet in mahommedanischen Ländern nicht der Begriff der Schande. Die Georgier, Nubier und Abyssinier, wie die Sidi oder Caffri — der Name der wollhärigen Afrikaner — werden gewöhnlich verheirathet, und ihre im Haus gebornen Kinder (khâna-zadeh) machen, so zu sagen, einen Theil der Familie aus. Sie werden als die anhänglichsten betrachtet; oft erben sie einen beträchtlichen Theil des Vermögens ihrer Herren, und nicht selten, mit Ausnahme der Caffri, verwischen sie durch eine Heirath in die Familie, oder durch eine andere gleich ehrenvolle Verbindung, jede Spur ihrer Abkunft.

Nach den Gesetzen der Muselmänner gibt es in der Sclaverei zwei Abstufungen: eine, wo die Sclaverei absolut ist, wo der Sclave mit allem, was er ist und hat, seinem Herrn angehört; eine zweite, wo der Sclave, ob er gleich vor seiner Freilassung weder Eigenthum erwerben noch erben kann, doch gewisse Rechte genießt, z.B. daß er nicht mehr verkauft werden darf. Eine Sklavin, die ihrem Herrn ein Kind geboren hat, ist von der privilegirten Klasse; eben so ein Sclave, dem sein Herr gegen die Bezahlung einer gewissen Summe oder auf den Fall seines Todes die Freiheit versprochen hat.

Im Koran und in allen seinen Auslegungen sind die stärksten Aufmunterungsgründe für die Freilassung der Sklaven enthalten: so daß mancher fromme Muselmann ein kleines Stück Land seinem Sklaven schenkt, oder ihn ein Handwerk lernen läßt, damit er durch Fleiß und Sparsamkeit die zur Erkaufung seiner Freiheit erforderliche Summe selbst erwirbt, während er dadurch zugleich diejenige sittliche Tüchtigkeit sich aneignet, die ihn der großen Gabe würdig macht.

Vornehmlich vortheilhaft wirkt auf die Freilassung der Sclaven jenes Gesetz, welches ihnen das Recht einräumt, einen Herrn mit zu beerben, der eine Person, die von ihm die Zusage der Freiheit erhalten hat, bei seinem Ableben noch besitzt.

In einer Beziehung werden sie mit den freien Weibern auf gleichen Fuß behandelt, d. h. für Verbrechen, die sie begehen, trifft sie nur die Hälfte der Strafe, die ein freier Mann zu erleiden hat. Dieses Gesetz beruht auf den Gründen, daß man bei ihnen nicht denselben Grad der Zurechnungsfähigkeit und Verpflichtung, wie bei den andern Gliedern der Gemeinde, voraussetzt. Die Anwendung eines solchen Grundsatzes ist jedoch in der Rechtspflege in Fällen, wo auf Tod oder Amputation zu erkennen wäre, eine wahre Verlegenheitspartie für die weißen Mollas, die sich eben nicht besser aus der Schlinge zu ziehen wußten, als daß sie den Gegenstand durch Folianten kritisch-exegetischer Beleuchtungen welche sie darüber schrieben, noch dunkler machten, ohne daß sie, so viel ich weiß, eine Formel erfunden hätten, wornach ein straffälliges Weib oder ein Sclave mit dem halben Verlust des Lebens oder des Arms, des Beins, des Ohrs u. s. w. bestraft werden könnte.

[599]
Der persische Golf. Eine arabische Genealogie. Etwas vom Teufel aus Ferdusi. Abuschir.

Wir waren glücklich in den persischen Golf eingelaufen, und befanden uns auf dem classischen Boden der wundervollen Abentheuer Sindbads, des Seemanns. „Wer bewohnt die arabische Küste dort, die wir vor uns sehen?“ fragte ich einen arabischen Bedienten, Namens Khudâdâd. „Es sind Leute von der Sekte der Wahabi, antwortete er nicht ohne Unruhe; sie nennen sich Dschoaßimi; aber bewahre uns Gott vor diesen Ungeheuern. Ihr Gewerb ist der Seeraub, ihr Vergnügen der Mord, und für die scheußlichste Handlung, die sie begehen, können sie Euch die frömmsten Beweggründe aus einander setzen. Sie halten sich an das Wort der heiligen Schrift und wollen von Erklärungen und Ueberlieferungen nichts wissen. Wenn Ihr ein Gefangener dieser Wahabi seyd, und Ihr bietet ihnen all Eure Habe an, um Euer Leben zu retten, so sagen sie: Nein! denn im Koran steht, daß es gegen das Gesetz sey, einen Lebenden zu plündern; aber einen Todten auszuziehen, ist nicht verboten – und somit schlagen sie Euch auf den Kopf. Uebrigens, setzte Khudâdâd hinzu, ist das nicht einmal ihre Schuld, sondern es geht so aus ihrer Natur hervor, denn sie stammen von einem Haul ab.“ Als ich ihm meinen Wunsch zu erkennen gab, über diese Abstammung etwas Näheres zu erfahren, so schien er ganz verwundert über meine Unwissenheit und meinte, die ganze Welt müsse das wissen; doch verstand er sich dazu, meine Neugier zu befriedigen.

„Es war einmal ein arabischer Fischersmann, erzählte er, der lebte in einem Dorf am persischen Golf, in der Nähe von Gambrum; eines Tages, da er seine gewöhnliche Beschäftigung trieb, fand er das Netz so schwer, daß er es nur mit Mühe an’s Land ziehen konnte. Vergnügt über sein gutes Glück strengte er alle seine Kraft an; man denke sich nun sein Erstaunen, als er statt ein Netz voll Fische, ein Wesen, das die Gestalt von einem Menschen hatte, aber ganz haarig war, heraufbrachte. Er näherte sich ihm mit Vorsicht, da er indeß fand, daß es ganz harmlos sey, so brachte er es nach Hause, wo es bald seine Gunst erlangte: denn ob es schon weder reden noch überhaupt einen Laut hervorbringen konnte, als haul, haul, weßwegen man es auch so nannte, so war es doch außerordentlich gelehrig und gescheidt, und der Schiffersmann bediente sich seiner, um seine Schafe hüten zu lassen.“

„Es begab sich nun, daß einige hundert persische Reiter in voller Rüstung des Wegs zogen, und Lust bekamen, die Schafe weg zu treiben. Der Haul, der allein war, und keine Waffe hatte, als eine Keule, bedeutete ihnen durch Zeichen von ihrem Vorhaben abzustehen; aber sie spotteten nur über seine seltsame Erscheinung, bis er einen oder zwei, die ihm zu nahe kamen, todtschlug. Sie griffen ihn jetzt in Masse an; allein seine Behendigkeit übertraf noch seinen Muth und seine Stärke, und, während alle fielen, die in seinen Bereich kamen, wich er jedem Streich seiner Feinde geschickt aus, so daß ihnen zuletzt, nachdem er sie zur Hälfte aufgerieben hatte, nichts übrig blieb, als zu fliehen.“

„Als der Fischersmann und seine Nachbarn, die von der Schlacht hörten, dem treuen Haul zu Hülfe eilten, fanden sie ihn im Besitz einer Menge Pferde, Waffen und Kleider. Ein Araber aus dem Dorf ließ sich durch diese Probe seiner Tapferkeit, vielleicht auch durch den Reichthum, den er jetzt besaß, bestimmen, ihm seine Tochter anzubieten, die nicht nur sehr schön war, sondern auch so verständig, daß sie aus Rücksicht auf seine sonstigen guten Eigenschaften, die nicht sehr anziehende Außenseite vergaß, und ihn ohne Widerstand heirathete. Die Hochzeit wurde mit mehr Glanz als je eine in dem Dorf gefeiert, und der Haul, der in einem reichen persischen Anzug und auf einem prächtigen Pferde erschien, nahm sich über alle Maßen gut aus. Er war ganz außer sich vor Freude, machte solche lustige Streiche, und zeigte so viel guten Humor, Stärke und Gewandtheit, daß seine Braut, die man anfänglich bemitleidete, den Neid jeder Fischerstochter auf sich zog, und gewiß noch mehr Neid auf sich gezogen hätte, wenn der künftige Ruhm ihres Geschlechts vorauszusehen gewesen wäre. Sie gebar vier Söhne, von denen die vier Stämme Ben Dschoaßim, Ben Ahmed, Ben Nasir, Ben Sabuhil abstammen, die unter dem allgemeinen Namen der Kinder Haul bekannt sind. Als Fischer, Bootsmänner und Seeräuber bringen sie ihre Tage auf dem Meer zu, und man glaubt, daß diese Amphibiennatur ihnen von ihrem gemeinschaftlichen Stammvater angeerbt sey.“

Nachdem Khudâdâd mit seiner Mähre zu Ende war, bat ich ihn, mir nun auch zu sagen, wer hier die hohen Gebirge auf der persischen Seite bewohne. – „Auch Räuber, – erwiederte er mit seiner selbstgefälligen Miene, die den Araber verrieht, der sich gerne reden hört, – aber sie sind nicht so schlimm als die Dschoaßimi. Ihre erste Niederlassung in diesen Gebirgen schreibt sich vom Teufel her; doch sind sie Kinder von Menschen, und ihre Natur ist nicht teuflisch, ob es gleich ihre Werke zuweilen sind.“

Bei fernern Fragen, die ich an Khudâdâd richtete, fand ich, daß er seine Geschichte aus Ferdusi genommen hatte, und daß er sich ziemlich genau an den Text hielt. „Habt ihr, fuhr er fort, von Zohak, dem Prinzen aus Arabien, gehört?“ „Ja,“ sagte ich. „Nun so müßt ihr wissen, daß er ein sehr gottloser Mann war. Er besiegte den persischen König Dschemshid, der in jener Zeit für den glorreichsten Monarchen auf Erden galt. Nach diesem großen Erfolg wurde Zohak vom Teufel versucht, der ihm [600] unter der Gestalt eines ehrwürdigen Alten erschien, und vorspiegelte, wie er könnte König von Arabien und Persien zugleich seyn, wenn er seinen Vater tödtete. In jenen Tagen lebten die Menschen bloß von Pflanzenkost; aber der Teufel, der von ihnen gerne möglichst viele verderbt hätte, backte etliche Eier und brachte sie Zohâk, ihn damit zu reizen, und als er bemerkte, daß ihm diese Speise schmeckte, bewirthete er ihn mit Rebhühnern und Wachteln, deren Wohlgeschmack den Prinzen dergestalt entzückte, daß er seinen Freund sich eine Gunst erbitten hieß. Dieser sagte, er habe keinen Wunsch, als die Schultern seines geliebten Monarchen zu küssen. Aber kaum hatte die teuflische Lippe die Schultern berührt, als daraus zwei zischende Schlangen hervorsprangen, zu gleicher Zeit der ehrwürdige Alte sich in seiner wahren Gestalt zeigte, und in einem Gewittersturm mit dem Ausruf verschwand, nur durch Menschengehirn können die Ungeheuer, die er geschaffen habe, gesättigt werden, und auf ihren Tod folge unmittelbar der Tod Zohâks.“

„Es war dem so, wie der Teufel vorher sagte, die Schlangen nahmen keine andere Speise an, und so wurden eine Zeitlang täglich zwei Opfer für sie geschlachtet. Da nun die, welche mit der Zubereitung des schrecklichen Mahls beauftragt waren, den Plan des Teufels sahen, so beschlossen sie, ihm denselben zu vereiteln; sie führten deßwegen die zum Tod bestimmten Personen Zohâk und seinem Schlangenpaar zwar vor, aber indem sie das Gehirn von Schafen unterschoben, sandten sie die Menschen in die Gebirge von Kerman und Laristan, wo sie sich vermehrten, und ein großes Volk wurden. Ihre Nachkommen wohnen noch jetzt daselbst. An der Wahrheit dieser Erzählung, schloß Khudâdâd, kann nicht gezweifelt werden, denn es steht alles geschrieben in dem Buch eines schönen Gedichts, welches genannt ist Schah-nahme, d. h. das Buch der Könige.“

Mit diesen authentischen Nachrichten über die Küsten des Golfs versehen, landete ich im Hafen Abuschir, dem berühmten Markt der Zitze, der Datteln und der Assafötida. Am Strand kam uns die ganze Bevölkerung der Stadt entgegen. Am meisten Aufsehen erregten wir durch unser militärisches Gefolge. Verwundert über die Gleichförmigkeit der Bekleidung dieser Truppen rief der Eine aus: „Die Bursche müssen alle Einen Vater und Eine Mutter haben.“ Ein Anderer: „das ist nicht möglich, denn sie müßten alle an Einem Tage geboren seyn.“ Ein neuer Gegenstand des Staunens war die Regelmäßigkeit der Bewegung der Füße beim Marschiren! Ein alter Kaufmann, Namens Hadschi Ismaël, der sein Leben unter Rechnungen zugebracht hatte, ein ungemeiner Freund der Ordnung, stellte sich an eine Ecke und sagte, bei jedem Glied das vorbei zog, hißab (richtig).

Als Reiter, schien es, sollten wir weniger Glück machen. Ein Seeoffizier, der ein wildes Pferd bestiegen hatte, dem er nicht gewachsen war, gab den Persern viel zu reden. Den andern Tag begegnete ihm der Mann, der das Schiff mit Lebensmitteln versorgte, am Bord, und sagte zu ihm in gebrochenem Englisch: „dürft Euch nicht schämen, Herr, Niemand kennt Euch – ein schlechter Reiter! Ich sag ihnen, daß Ihr, wie alle Engländer, gut reitet, daß Ihr aber damals betrunken ward.“

Die Eingebornen dieser Gegend sind insgesammt von arabischer Race und haben eben so sehr eine Vorliebe für das Seeleben, als die Perser die größte Abneigung dagegen. Wenn auch ein Perser durch die Aussicht auf einen gewinnreichen Handel sich soweit bestimmen läßt, daß er das liebliche Klima der Hochebene gegen diese Seehäfen am Saume einer brennenden Sandwüste vertauscht, so behält er doch die geschmeidigen und artigen Manieren seines Volks bei, während er die Araber, welche hier den großen Haufen bilden, und von ihren Nachbarn auf der gegenüberliegenden Küste des Golfs schwer zu unterscheiden sind, als rohe Barbaren verachtete.

[603]
Die arabischen Pferde.

Der Eltschi – so nannten die Perser den Gesandten – war von alter Zeit her in gutem Andenken in Abuschir, wo er seinem Namen durch die Einführung der Kartoffel, Elau i Malkom, d. h. Malkom’s Pflaume, ein bleibendes Denkmal gesetzt hat. Wir befanden uns daher bald mitten in einem lebhaften Verkehr, und in unserm Lager ging es zu wie auf einem Maulthier- und Pferdemarkt. Da in Persien Niemand zu Fuß geht, so mußten wir uns alle, Herrn und Diener, öffentliche und Privatpersonen, beritten machen. Wir brauchten Pferde von jeder Sorte, von dem gemeinen persischen Klepper (Yabu) an bis zu den edlen Thieren des rein-arabischen Blutes (Redschi-Pâck), deren Zucht auf der persischen Küste mit eben so viel Sorgfalt für die Erhaltung der Race betrieben wird als in Arabien selbst.

Heider, der Jagdmeister des Eltschi, theilte uns das Erforderliche in Betreff der arabischen Pferde mit. Er konnte uns eine Stunde lang über die Eigenschaften eines Füllens unterhalten, das, ob es gleich noch undressirt war, bereits alle Vorzüge seines Vaters und seiner Mutter, deren Geschichte so wie die ihrer Voreltern er genau kannte, in sich vereinigen mußte. Heider, der selbst an fünf oder sechs berühmten Zuchtstuten Antheil hatte, sagte mir, daß manchmal eine Stute das gemeinschaftliche Eigenthum wohl von eilf oder zwölf Arabern sey, was mit den Gruppen halbnackter Bursche zusammen traf, die, wie ich bemerkte, jedesmal den Verlauf eines Handels mit Aengstlichkeit beobachteten. Sie können bei solchen Gelegenheiten die Heftigkeit ihres Temperaments nicht immer verbergen, und ich sah oft, daß einige in der Wuth ihre struppigen Füllen wegführten, wenn ein unwissender Indier oder Europäer das Blut der Daghi oder Schomiti oder sonst berühmter Väter oder Großväter durch ein unverhältnißmäßig niedriges Anbot entwürdigt hatte.

Die Araber legen weit mehr Werth auf ihre Stuten als auf ihre Hengste; doch werden letztere manchmal zu einem enormen Preis angeschlagen. Als der Eltschi auf der Rückreise von seiner ersten Sendung in der Nähe von Bagdad gelagert war, ritt ein Araber einen Braunen von außerordentlicher Gestalt und Schönheit vor seinem Zelt auf und ab, bis er seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Auf die Frage, ob das Pferd feil sey, sagte der Araber: „Was gebt ihr?“ „Es kommt auf das Alter an; ich denk, es ist fünfjährig.“ „Rathet noch einmal.“ „Vierjährig.“ „Seht ihm einmal in’s Maul,“ sagte der Araber lächelnd. Bei der Untersuchung fand sich, daß es kaum dreijährig war. Dieses Alter, die prächtige Haltung und das vollkommene Gleichmaß aller körperlichen Verhältnisse, wodurch sich das herrliche Thier auszeichnete, erhöhten seinen Werth beträchtlich. „Ich gebe fünfzig Tomans [2]“ „Ein wenig mehr.“ „Achtzig! – Hundert!“ Der Araber lächelte und schüttelte den Kopf. Das Angebot kam zuletzt auf zweihundert Tomans. „Gut, sagte der Araber mit sichtbar zufriedener Miene. Ihr dürft mich nicht weiter versuchen, weil es Euch doch nichts nützt; Ihr seyd ein feiner Eltschi; Ihr habt schöne Pferde, Kameele und Maulthiere und man hat mir gesagt, daß ihr ganze Lasten von Gold und Silber besitzt; jetzt möchtet Ihr mein Füllen, aber Ihr bekommt es nicht für alle Eure Schätze.“ Dieß gesagt, ritt er stolz zurück in seine Wüste.

Wir erkundigten uns bei einigen Offizieren des Pascha von Bagdad nach dem Araber, den sie aber nicht kannten. Unserer Beschreibung zu Folge vermutheten sie, daß er der Sohn oder der Bruder eines Häuptlings, vielleicht selbst ein Häuptling war; solche Araber, sagten sie, könne kein Geld verführen, ein Pferd dieser Art zu veräußern.

Später erzählte ich die Begebenheit Abdolla Aga, dem vormaligen Statthalter von Bossora, der sich in Abuschir aufhielt, wohin er sich aus der Türkei geflüchtet hatte. „Die Streitigkeiten, sagte Abdolla, die ich zwischen den arabischen Stämmen wegen entführter Pferde zu schlichten hatte, machten mir viele Mühe; denn in der Regel handelte es sich nicht sowohl um den Werth der Thiere, der oft gerne zehnfach ersetzt worden wäre, als um die eifersüchtige Besorgniß, Nachbarn möchten in den Besitz einer Zucht kommen, die ein Stamm sich ausschließlich erhalten wollte. Ein arabischer Scheikh, fuhr er fort, ungefähr zwanzig Stunden von Bossora, besaß eine sehr beliebte Race. Er verlor eine seiner [604] besten Stuten, ohne daß er entdecken konnte, wie sie gestohlen oder abhanden gekommen war. Einige Zeit nachher geschah es, daß ein junger Mann aus einem andern Stamm, der um des Scheikhs Tochter freite, immer aber von diesem zurückgewiesen worden wurde, die Einwilligung der Dame erlangte, daß sie sich von ihm entführen ließ. Der Sheikh und seine Leute verfolgten das liebende Paar, das jedoch, nach einem wunderbaren Ritt, wobei sich beide nur eines Pferds bedient hatten, glücklich entkam. Der alte Häuptling schwur, der Bursche müße entweder auf dem Teufel oder auf seinem verlornen Lieblingspferd geritten seyn. Letztere Vermuthung fand sich bestätigt: der Liebhaber war der Dieb sowohl des Pferds als der Tochter und hatte jenes gestohlen, um diese zu entführen. Der Gedanke nun, daß nicht ein Pferd von einer andern Zucht ihn ausgestochen habe, war dem Scheikh eine große Beruhigung, und als der junge Mann sich dazu verstand, die Stute zurückzugeben, verzieh er ihm die Entführung der Tochter.

[613]
Das Dunstgebild der Wüste. Der geblendete Gouverneur von Kaßerun. Das Thal von Doscht-i-Erdschon. Der alte Jüngling.

Als ob die Natur der Wüste wenigstens imaginäre Reize hätte verleihen wollen, gab sie ihr zum Ersatz für ihre trübselige Einförmigkeit jenes wundervolle Dunstgebild [3], welches die Araber und Perser Serab nennen. In ihm erscheint Alles größer, phantastischer; wenn der nahe Beobachter einen etwas erhöhten Standpunkt hat, etwa zu Pferde sitzt, so glaubt er die Oberfläche eines Sees zu sehen, wovon die Gegenstände zurückgestrahlt werden. Aus einer Entfernung von sechs oder sieben Meilen dagegen zerfließt alle Wahrnehmung in eine dunkle Masse, die sich nicht über die Erde erhebt: so daß, während die niedern Theile der Stadt Abuschir unserm Gesichtskreise bereits entzogen waren, die höchsten Gebäude und die Wipfel einiger Dattelbäume noch sichtbar blieben. Der Zauberkreis der immerfort sich erneuernden optischen Illusionen, aus dem der Reisende nicht hinaustritt, die Schwüle der Luft und der feine Staub, der ihm das Athmen erschwert, versetzen ihn allmälig in einen Zustand krankhafter Aufregung, in welchem er Mühe hat, Schein und Wirklichkeit zu unterscheiden, oder nur das Bewußtseyn der Identität seiner selbst nicht zu verlieren.

Mit welchem Gefühl frischer Belebung näherten wir uns dem schönen Himmel und dem reichen Boden der Hochebenen Persiens! Nach einer Reise von fünf und fünfzig Meilen langten wir am Fuß der zweifachen Bergreihe an, wo das durch seine Dattelpflanzungen und Naphthaquellen berühmte Dorf Dalkhi liegt. Von hier steigen wir auf schmalen, rauhen und steilen Pfaden empor. Auf der Spitze des Gebirgs trafen wir die Vorsteher der benachbarten Stämme, die uns mit ihren vornehmsten Angehörigen entgegen geritten waren, und oben anhielten uns zu begrüßen, während ihre übrigen Begleiter, von Felsen zu Felsen springend und ihre Luntenschlösser zu Ehren der Fremden abbrennend, uns noch weiter entgegen kamen. Wir durften uns glücklich schätzen, daß wir dießmal nichts von den räuberischen Mama-Suni gelitten hatten, einem Stamm, der sich rühmt, Sitte und Namen von der Zeit Alexanders des Großen her unverändert erhalten zu haben. Wirklich war die letzte Mission von ihnen geplündert worden und der Verlust wäre wahrscheinlich noch beträchtlicher ausgefallen, wenn nicht der Geruch und der Dampf einiger mit Salpetersäure gefüllten Flaschen, die beim Abladen der Kameele zerbrachen, sie auf den Glauben gebracht hätte, daß ein darin eingeschlossener Genius der Farindschi (Franken) losgeworden sey, der an ihnen Rache nehme, worauf sie die Flucht ergriffen.

Die wilde und unfruchtbare Landschaftsscene änderte sich jetzt; schön angebaute Felder kamen zum Vorschein, grüne Wiesen, schattige Wälder. Die wilde Myrte, der Brombeerstrauch und die über die kleinen klaren Bächlein sich hinneigenden Weiden – ein Anblick, der jenes heimische Gefühl in uns’rer Brust erweckte, wovon nur der weiß, der in fernen Ländern war – verkündigten uns Kasseruns herrliche Thäler. Diejenigen von der Gesandtschaft, die Persien zum ersten Mal besuchten, fingen nun an, wenn wir ihnen die Rosen und die Nachtigallen und die ganz seltene Lieblichkeit des Landes anpriesen, uns Glauben beizumessen.

Die Stadt Kasserun liegt in der Gegend des alten Schapur, dessen Ruinen eben so sehr die Aufmerksamkeit des Antiquars als dessen verlassene Felder die des Jagdliebhabers [4] auf sich ziehen. Riza-Kuli-Khan, der Gouverneur von Kasserun, machte dem Eltschi seinen Besuch: er trug ein seidenes Band über den Aughöhlen, da er während der Thron-Streitigkeiten der Zend- und Kadschirfamilien geblendet worden war. Er begann bald, nachdem er sich gesetzt hatte, von seinen Schicksalen zu erzählen, und mir traten bei dem Gedanken an die Leiden des alten Mannes die Thränen in die Augen, aber bald fand ich zu meiner Verwunderung, daß er, blos um uns zu unterhalten, nicht um unsre Theilnahme in Anspruch zu nehmen, seine Geschichte zum Besten gab. „Ich war ein zu thätiger Anhänger der Kadschirfamilie, sagte er, als daß ich mir von dem schurkischen Zentstamm, dem ich in die Hände gefallen war, viel Schonung versprechen durfte. Ich machte mich daher schon auf den Tod gefaßt, und die Milde meiner Feinde, die mich blos zum Verlust meiner Augen verdammten, [614] kam mir ganz unerwartet. Ein stämmiger Kerl von einem Firasch (Hausknecht) erschien, um das Urtheil zu vollziehen; er hatte ein breites stumpfes Messer in der Hand, womit er die Operation zu machen gedachte; ich bot ihm zwanzig Tomans, wenn er sich eines Federmessers bedienen würde, das ich ihm zeigte. Diese Bitte schlug er mir in der gröbsten Manier ab, nannte mich einen grausamen Bösweicht, und behauptete, daß ich seinen Bruder ermordet, und er sich das gegenwärtige Geschäft blos um seine Rache zu befriedigen, ausgebeten hätte, wobei er nur bedauere, mich nicht todtschlagen zu dürfen. Da ich nun sah, daß von diesem Burschen nichts in Gutem zu erlangen war, so that ich, als ob ich mich darein ergebe, und legte mich freiwillig auf den Rücken. Er schien es ganz zufrieden, streifte seine Aermel hinauf, setzte ein Knie auf meine Brust, schwang sein Messer, und war im Begriff, sein blutiges Werk in aller Gemächlichkeit zu vollbringen, aber ich hätte müssen ein recht unschuldiges dummes Schaf seyn, wenn es ihm so leicht geworden wäre. Ich merkte den Augenblick, wo er nicht auf seiner Hut war, machte ein Bein frei, und gab ihm dergestalt einen Stoß auf die Herzgrube, daß ihr hättet lachen müssen, wenn ihr gesehen hättet, wie er die Füße über dem Kopf zusammenschlug; (er begleitete seine Erzählung mit einer entsprechenden Bewegung des Fußes, und lachte selbst herzlich). Ich sprang auf; eben so mein Feind; wir hatten einen kurzen Kampf – allein er war der stärkere; ich unterlag und so gelang es ihm, meine Augen herauszunehmen.

„Den Schmerz – fuhr er fort – fühlte ich im Augenblick, da ich von dem Ringen noch erhitzt war, weniger; die Wunden heilten bald, die Kadschirs behaupteten die Oberhand im Reich, und ich wurde belohnt. Als Gouverneur dieser Stadt und Provinz lebe ich in einem Ueberfluß und meine Lage ist ruhiger und angenehmer, als sie hier zu Lande die, welche sehen, je haben können. Findet sich ein Ausfall in den Einkünften, oder sonst eine wirkliche oder vorgeschützte Ursache, weßwegen ein anderer Gouverneur abgesetzt, am Leib oder am Leben gestraft würde, so sagt der König: Laßt’s gut seyn, s’ist der arme blinde Riza-Kuli. Ihr seht, Eltschi, schloß der alte Khan, daß ich nicht Ursache habe mich zu beklagen, da mich der Verlust meiner zwei Augen in der That besser vor Unglück schützt, als wenn ich zwanzig der hellsten in Persien besäße.“

Mirza-Aga-Mir, unser persischer Secretär, bemerkte, daß der Trostgrund des Khans unter der gegenwärtigen Regierung allerdings sehr statthaft sey. „Ich kann meinen Satz, sagte er, nicht treffender erläutern, als wenn ich die Antwort anführe, die neulich ein Hofmann dem Prinz-Regenten zu Schiras gegeben hat. Der Prinz fragte nehmlich einen seiner Räthe, welche Strafe für einen boshaften Missethäter, der vor ihn gebracht worden war, groß genug wäre? Mache ihn, erwiederte jener, zu einem Finanzverwalter: es kann kein Verbrechen geben, das nicht bei einer solchen Anstellung bald seine gerechte Strafe finden wird.“ –

Die Entfernung Doscht-i-Erdschon’s ist nicht beträchtlich, seine Lage aber viel höher. So zufrieden wir auch mit Kasserun waren, so stellte sich uns doch die Natur hier von einer ganz neuen Seite dar. Es ist ein kleines aber anmuthiges Thal, tief im Gebirg, dessen schroffen Seiten hundert Bäche entrieselten, die einem, in der Mitte gelegenen See zuströmen. Die Schönheit dieser Wasser, von denen einige in einer Reihe von Cascaden über die Rebenhügel hinabrauschen; der See selbst, aus dessen hellen Fluthen das Bild der überhängenden Berge zurück strahlt; seine mit fruchtbaren Gefilden reichgesäumten Ufer; die Pracht der Rosen und Hyacinthen, und der in wilder üppiger Fülle prangenden vielgestaltigen Blumen; die mit Wohlgerüchen durchwürzte Luft, kurz die ganze Herrlichkeit der Schöpfung, die mit ihrem Zauber auf alle unsre Sinne wirkte, versetzte uns in einen Taumel der Lust und in ein Meer von Wonne, während die Perser ohne Unterlaß ausriefen: das ist Persien! – das ist Persien! (Iran hemin äst! – Iran hemin äst!)

Ich wurde auf dem Weg durch die Begegnung meines alten Freundes Mahommed-Riza-Khan-Beiat erfreut, der von Schiras kam, um dem Eltschi seinen Gruß zu bringen. Er gallopirte wie ein Knabe auf mich zu, und rief: „Willkommen.“ Ich traute meinen Augen nicht, als ich ihn jünger und munterer fand, denn vor zehn Jahren, wo ich ihn als einen acht und sechziger verließ, der jeden Tag eine Quantität Opium zu sich nahm, womit man, wie unser Doctor meinte, dreißig Personen die nicht daran gewöhnt waren, hätte vergiften können. Ich und der Doctor hatten uns viele Mühe gegeben, den alten Ehrenmann von seiner üblen Gewohnheit abzubringen. Er erkundigte sich deswegen auch gleich nach jenem und sagte lächelnd: „es thut mir leid, daß er nicht hier ist; ich wollte ihm zeigen, daß die christlichen Doctoren, wenn sie auch Wunder thun wie ihr Messias, der Lahme und Blinde heilte, doch nicht immer gute Propheten sind. Er sagte mir ich müßte sterben, wenn ich meine Portion Opium nicht verringere; nun habe ich sie indessen vervierfacht, und ich bin, obgleich nahe an achtzig, noch so jung und so thätig, als einer!“ mit diesen Worten trieb er sein Pferd an, drehte sich im Ring herum, und schoß, wie die alten Parther mit dem Bogen und die jetzigen Perser mit dem Luntenschloß, in der entgegengesetzten Richtung, in der er daher gallopirt war, eine Kugel nach einem Ziel ab. Darauf ritt er auf mich zu, strich seinen Bart, der gut gefärbt war, daß man kein graues Härchen entdecken konnte, langte eine Büchse aus der Tasche, nahm eine ganze Handvoll Opium heraus, und schob sie wirklich den Hals hinab, indem er wiederholte; „ich wollte, der Doctor wäre hier.“

Ich ritt den Rest des Wegs mit Mahommed-Riza allein. Sein Vater Salah-Khan war einer der Omrahs am Hofe des gewaltigen Nadir-Schah, als dieser Eroberer ermordet wurde. Bei diesem Ereigniß warfen sich in jeder Provinz Könige auf. Salah-Khan trat auch in die Schranken. Er bemächtigte sich der Stadt Schiras, deren Festungswerke er erweiterte und verstärkte; aber sein [615] Königthum war von kurzer Dauer: er wurde gefangen und hingerichtet. Da der Sohn nichts vom väterlichen Ehrgeiz besaß, so brachte er sein Leben als geachteter Stammhäuptling zu, ohne je einen bedeutenden Staatsdienst bekleidet oder nur vielleicht gewünscht zu haben. In seinem zufriedenen Sinn schätzte er sich glücklich, daß er nicht der Nachfolger seines Vaters in jenem glänzenden aber sorgenschweren Königs-Traum, wie er dessen letzte Lebensepoche betrachtete, geworden war.

Als ob Alles dazu beitragen sollte, uns den Aufenthalt in Doscht-i-Erdschon angenehm zu machen, erhielten wir von dem Prinzen und seinen Großen aus Schiras eine solche Menge Zuckerwerk, Kreme, eingemachte Früchte, köstliche Trauben und Nektarinen zum Geschenk, daß man im Lager vom Gesandten bis zum Hundewärter herab, an Leckerbissen jeder Art vollauf hatte.

Am folgenden Morgen zogen wir weiter; ein alter Reis oder Ritter, der ein bedeutender Grundeigenthümer in diesem Thale war, begleitete uns. „Wie glücklich seyd ihr, sagte ich, daß ihr einen so schönen und fruchtbaren Landstrich besitzt.“ Kopfschüttelnd erwiederte er: „dieses Grün, das ihr bewundert, macht eben unser Unglück; denn weil unser Thal das beste Grasland in Persien ist, so schicken uns alle Prinzen und Edelleute ihre Maulthiere auf den Hals; und während sie uns durch diese Thiere unsere Fruchtfelder und Gärten zertreten lassen, haben wir noch den Uebermuth ihrer Diener zu ertragen: denn die Knechte sind in unserm Lande (ich weiß nicht, ob es in dem euern auch so ist) immer zehnmal schlimmer als die Herren.“ [633] Zum Glück war der Eltschi ein Mann, der sich schon als Geschäftsträger bei mehreren Fürsten Indiens die edle Wissenschaft des Niedersitzens und des Aufstehens (Kaida-i-nischest-u-berkhast), d. h. den Inbegriff aller Grundsätze, Formen und Manieren eines feinen Benehmens, wie es nicht nur in der guten Gesellschaft überhaupt, sondern insbesondere an den asiatischen Höfen beobachtet werden muß, auf’s Gründlichste angeeignet hatte. Noch mehr, er hatte sich bei unserem ersten Auftreten in Persien vor zehn Jahren in jener Eigenschaft geltend gemacht und diesen formellen Asiaten Achtung abgenöthigt.

Aber wie mußten wir damals kämpfen, bis diese delicate Angelegenheit in’s Reine gebracht war! Für’s Erste wurden wir von dem Augenblick unsrer Landung in Abuschir an mit täglichen, ja fast stündlichen Uebungen geplagt: es wurde uns auf das Genaueste gezeigt, wo wir in Prozession zu reiten, wo wir zu stehen oder zu sitzen, wann wir uns vom Polster zu erheben, wie weit wir einem Gast von Rang entgegen zu gehen, wie weit wir ihn beim Abschied zu begleiten, kurz, wie wir uns an jedem Ort und unter allen Umständen zu benehmen hatten. Uebrigens war die Organisation unsers Steh-, Sitz- und Aufstehwesens noch von verhältnißmäßig geringer Bedeutung gegen die Wichtigkeit der Höflichkeitspflichten, die dem gebildeten Weltmann beim Rauchen seines Kelliâns, oder beim Trinken seines Kaffes obliegen. In der Art, wie man für Pfeife und Kaffe sorgt, gibt man zu erkennen, ob einem ein Besuch willkommen ist oder nicht; die geringste Vernachläßigung der Form wird eben so sehr als ein Mangel der Lebensart, wie als ein Verstoß gegen die schuldige Aufmerksamkeit und Achtung betrachtet. Steht der Besuchende im Range über euch, so wartet ihr ihm eigenhändig auf, und greift nicht eher selbst zu, als bis er’s euch heißt; steht er euch gleich, so wechselt ihr die Pfeifen aus und reicht ihm sie mit dem Kaffe, wobei ihr die nächste Tasse für euch nehmt; steht er etwas unter euch und ihr wollt ihn auszeichnen, so laßt ihr ihn zwar aus seiner eignen Pfeife schmauchen, aber der Bediente bringt ihm auf euren huldreichen Wink die erste Tasse; steht er endlich weit unter euch, so haltet ihr euch in gehöriger Entfernung von ihm und wahrt euern Rang, und erst, wenn ihr eure Tasse genommen habt, gebt ihr dem Bedienten ein Zeichen mit der Hand, jenem eine zu präsentiren. Mit einem Ruf nach Kaffe und Pfeife bewillkommt man, mit einem zweiten Ruf verabschiedet man; doch treten bei diesem Ceremoniel noch mancherlei Modificationen ein, welche von den Standes-Verhältnissen der Besuchenden zu einander oder von dem Grad ihrer Vertraulichkeit abhängen.

Jedermann rechnete damals auf unsere Unwissenheit in solchen Dingen: da war kein Bedienter, Kaufmann, Gouverneur, Befehlshaber oder Staatsbeamter, der es nicht bei jeder Gelegenheit auf eine Schmälerung unsrer Würde abgesehen hätte. Wir durften uns nicht das Geringste vergeben, wollten wir nicht den Erfolg unsrer Sendung aufs Spiel setzen. In Schiras kam es zuletzt noch zu sehr starken Auftritten, die aber die gute Folge für uns hatten, daß unsre Ansprüche, wie wir sie als die Repräsentanten einer großen Macht aufstellten, für immer gesichert und anerkannt wurden.

Der König war in Khorassan; aber in Schiras befand sich der Hof eines seiner Söhne, Hussein-Ali-Mirza, eines Knaben von 12 Jahren, der unter der Vormundschaft seiner Mutter, einer gewandten Frau, und seines Ministers Tscherâgh-Ali-Khan, diese Stadt mit der dazu gehörigen Provinz Fars dem Namen nach regierte. Wenn wir Mühe hatten, uns über Formen von wenigerem Belang zu verständigen, welche Schwierigkeiten erhoben sich erst, als wir über Formen unterhandelten, die wir beim Besuch eines Prinzen von Geblüt beobachten sollten?

Persischer Etikette gemäß saß Hussein-Ali-Mirza auf einem Nemmed oder dicken Filz, der über den Teppich gebreitet war und halb quer durch den obern Theil des Audienzsaals ging. Zwei Streifen Filz, zwei bis drei Zoll niederer, lagen zu beiden Seiten. Einen derselben nahmen die Minister und die Großen des kleinen Hofes ein, der andere war für den Eltschi und sein Gefolge bestimmt; aber nach einem geschriebenen Destur-ul-Amal (Programm), dem ein Plan des Zimmers beigefügt war, stand dem Eltschi nicht blos der Ehrenplatz auf unserem Streifen zu, sondern sein rechter Schenkel durfte noch auf dem Nemmed des Prinzen ruhen.

Der Eltschi trat ein, begrüßte den Prinzen und ging auf den ihm im Programm bezeichneten Sitz zu; aber der Ceremonienmeister wies ihn nach einem niederern, und da er sah, daß man davon keine Notiz nahm, so stellte er sich zwischen ihn und den Sitz. Hier blieb er wie eine [634] Bildsäule stehen, ohne daß er den Eltschi, der ihm mit der Hand winkte, Platz zu machen, einer Aufmerksamkeit würdigte. Der Eltschi sah sich nach dem Minister um; auch dieser war stumm und stierte, mit über einander gekreuzten Armen, vor sich auf den Teppich hin. Der junge Prinz, der sich bis jetzt mit derselben schweigsamen Würde, wie die Andern, benommen hatte, ersuchte nun den Eltschi, sich zu setzen, was dieser mit einer tiefen Verbeugung gegen ihn und einem Blick voll Verachtung auf den Minister that. Hierauf wurden die gewöhnlichen Erfrischungen gereicht; kaum war jedoch diese Ceremonie vorbei und noch hatte der zweite Gang nicht angefangen, als der Eltschi den Prinzen um Erlaubniß bat, sich zu entfernen, und ohne die Antwort abzuwarten aufstand und sich zurückzog.

Da der Minister sah, daß die Sache diese Wendung genommen hatte, so that er versöhnende Schritte zuerst selbst und dann durch den Mehmandar Mahommed-Scherif-Khan, den er abschickte, daß er mit dem Eltschi reden sollte. „Möge Tscheragh-Ali-Khan wissen,“ ward ihm zur Antwort, „daß der Repräsentant Englands nicht in Schiras bleibt, um sich neuen Beleidigungen auszusetzen. Sage ihm, wie zwar die Achtung für den König mich abgehalten hat, die Rücksichten gegen den Prinzen, der noch ein Kind ist, aus den Augen zu setzen; wie sich aber diese Rücksichten nicht auf einen Minister erstrecken, der so wenig weiß, was er der Ehre seines Gebieters und seines Landes schuldig ist, daß er sich nicht schämt, einem fremden Gesandten wortbrüchig gegenüber zu erscheinen.“

Dieser Bescheid, den der Eltschi laut und in unwilligem Tone gab, indem er sich zu Pferde setzte und augenblicklich weg ritt, verfehlte seine Wirkung nicht. Nun denke man sich die Verlegenheit und Bestürzung der Hofleute, die eben noch triumphirten, dem Eltschi den Sitz ein paar Schuhe niederer zu setzen, als er sich eingebildet habe. Die Mirzas und Omras eilten einer nach dem andern daher und wandten sich an verschiedene Personen vom Gefolge mit der Bitte, ihn zu besänftigen. Als aber vollends zum Aufbruch des brittischen Lagers Befehl gegeben wurde, da langten Botschaften über Botschaften an: „Der Eltschi legt doch auf eine Kleinigkeit gar zu viel Gewicht;“ – „es war ein Mißgriff von meinem Ceremonienmeister; ist es der zürnende Eltschi zufrieden, wenn ich ihn verungnade – wenn ich ihn bestrafe – wenn ich ihm die Bastonade geben – wenn ich ihn die Augen ausstechen – wenn ich ihm den Kopf abhauen lasse?“ Umsonst. Auf alle Ausflüchte nur Eine Antwort: „Tscheragh-Ali-Khan erklärte schriftlich, daß er die Uebereinkunft gebrochen hat, und daß er mich um Verzeihung bittet; wenn mir ein solches Papier eingehändigt wird, so bleibe ich, wo nicht, so verlasse ich Schiras.“ Endlich verzweifelnd, den Entschluß des Eltschi zu ändern, gab der Minister die verlangte Erklärung, mit dem Beisatz, wenn ja ein Wort zu den Ohren Sr. Majestät kommen sollte, daß der Eltschi gekränkt worden, so können die, welche Seine brittische Excellenz um Ihre gute Laune gebracht hätten, nicht streng genug bestraft werden. Darauf ließ der Eltschi zurückschreiben, wie ihm diese Erklärung völlig genüge, und er um aller Welt nicht wolle, daß um seinetwillen irgend jemanden in Persien, am wenigsten seinem theuern Freunde Tscheragh-Ali-Khan etwas zu Leide geschehe, und auf unsers Mirza-Aga-Mir’s besonderes Verlangen und nach seiner Angabe schloß der Brief mit der Versicherung: „Alle widrigen Erinnerungen seyen ausgethan aus der Gedächtnißtafel des Eltschi, und jetzt stehen darauf nur noch die zwei Worte mit goldener Schrift: Freundschaft und Eintracht.“

Am folgenden Tag stattete der Minister einen langen Besuch ab und bestand darauf, daß der Eltschi den Prinzen noch einmal sehen sollte. Wir gingen – aber welcher Unterschied in unsrer Aufnahme! Welche Aufmerksamkeit von allen Seiten! Der Ceremonienmeister verneigte sich fast bis auf den Boden, und obgleich der Eltschi nur seinen bestimmten Sitz einnehmen wollte, so war das dem Prinzen und dem Minister nicht genug; statt blos einen Schenkel auf den früher unnahbaren Nemmed zu bringen, mußte er ganz hinauf. Das war eine Gunst und eine Auszeichnung (miherbâni ser-afrâzi)!

[637]
Persische Gesellschaft und Literatur. Die Grundidee zum Kaufmann von Venedig. Plagiate der Perser.

Wollte man die Perser für bloße Formenmenschen halten, so würde man ihnen sehr Unrecht thun. Gegen den Fremden und Unbekannten benehmen sie sich freilich steif und abgemessen; sie legen ihm die ganze Bürde ihres Ceremoniels auf, gleichsam prüfend, ob er ein gebildeter Mann sey. Diese Prüfung ist die vorläufige Bedingung, die man erfüllen muß, um auf ihre Achtung Anspruch machen zu können. Dann aber findet man an ihnen auch das munterste Volk von der Welt, Freunde der traulichsten Geselligkeit, deren Erholungspartien von der Art sind, daß sie sich hier für den gelegenheitlichen Zwang, den ihnen die Sitte auferlegt, schadlos halten; und sofern eine Gesellschaft überhaupt angenehm seyn kann, die ihres Hauptschmuckes, der Frauen, entbehrt, so ist es die persische: Prinzen, Befehlshaber, Staatsmänner, die sich ihrer Meisterschaft in den Manieren der feinen Welt rühmen mögen, bieten Alles auf, um auch als angenehme Gesellschafter zu gelten. Dichter, Geschichtschreiber, Astrologen, Schöngeister, Erzähler, kurz ausgezeichnete Männer jeder Art werden nicht nur in den ersten Cirkeln zugelassen, sondern auch mit der größten Achtung behandelt. Es ist nicht ungewöhnlich, daß der Edelmann vom höchsten Rang dem Gelehrten oder Belletristen, von dem die Gesellschaft Unterhaltung oder Belehrung erwartet, den Vortritt gibt, und daß der letztere durch die Anwendung des Talents, dem er diesen Vorzug verdankt, zeigt, daß er diesen Platz mit Recht einnimmt.

Ehe ich selbst die persische Gesellschaft kennen lernte, hörte ich über sie die widersprechendsten Urtheile. Ich merkte bald, daß man, um einen Genuß von ihr zu haben, sich einiger Maßen vorbereiten müße: ich widmete deswegen einen Theil meiner Zeit dem Studium der volksthümlichsten Werke Persiens in Versen und Prosa; ich machte Uebersetzungen, nicht blos von Gegenständen aus der Geschichte und der höhern Poesie, sondern auch aus dem großen Gebiete der Fabeln und Erzählungen, überzeugt, daß, während ich meine Sprachkenntnisse vermehrte, ich zugleich meine Vorstellungen von den Sitten und der Denkweise des Volks berichtigte. Jeder Perser besitzt eine gewisse Kenntniß seiner Literatur, und Anspielungen darauf sind so gewöhnlich in der Unterhaltung, daß man selbst diese Kenntniß besitzen muß, wenn man nicht überall als stumme Person figuriren will.

Im Morgenlande wirken mehrere bestimmte Ursachen zusammen, um dem gesellschaftlichen Wesen ein eigenthümliches Gepräge aufzudrücken, das den trockenen und abstracten Menschen des Westens nicht sogleich behagt. Es ist die Ueppigkeit einer urkräftigen Natur, die mit verschwenderischer Hand ihre Schätze ausschüttet und ihre blühenden Schöpfungen in die phantasiereichsten Formen kleidet, die sich auch der Sprache mittheilt und den Kreis ihrer Vorstellungen mitten unter die duftenden Gewürze und die glühenden Farben einer immergrünen Landschaft versetzt; es ist der Charakter der Menschen voll Leben, Einbildungskraft und Leidenschaft, denen die Erde alle Sehnsucht nach Genuß befriedigt, aber auf wucherndem Boden die rauhe Pflanze der Freiheit nicht erzeugen kann, die, gegenüber despotischen Obern, Familienvätern, Stammhäuptern und Königen, nie die nackten Worte der Wahrheit gelernt haben, sondern sich gefälliger Bilder und Allegorien, Fabeln und Mährchen bedienen müssen, „damit die Zunge der Weisheit sonder Gefährde nahe dem Ohr der Macht;“ es ist endlich der Bildungs-Zustand dieser Menschen, die in den meisten Gegenständen des Wissens noch wahre Kinder sind, wodurch auch die weisesten unter ihnen eine Redeweise anzunehmen genöthigt werden, welche die ernsten Mahnungen der Wahrheit nicht nur verständlich, sondern auch eindringlich macht. „Habt ihr keine Gesetze,“ sagte ich eines Tags zu Aga-Mir, „als den Koran und die Ueberlieferungen und Erläuterungen zu diesem Buch?“ „Wir haben,“ erwiederte er mit Nachdruck, „die Denksprüche von Sadi.“ Wollte ich nach meinen Beobachtungen urtheilen, so würde ich behaupten, daß Sadi’s Werk, das Jeder, der König wie der Bauer, kennt, eben so viel zur Milderung der Willkür und einer ungerechten Ausübung der Gewalt beiträgt, als das Gesetz des Propheten.

Eine sonderbare Erscheinung – diese Empfänglichkeit des Morgenländers für die intellectuellen Offenbarungen erleuchteter Männer, dieses Eindringen des geistigen Princips in das Leben, und doch wieder dieses oft weniger kindliche als abergläubische Festhalten an veralteten mangelhaften Formen und diese Selbstverarmung, eine nothwendige Folge des Stillstands mitten unter den Schwingungen der Zeit!

Aber Asien, einst die Heimath der Sagen, von wo all [638] unsre Völkerkunde ausging, und jetzt noch das fabelnde Land der Mythen, der Gnomen und der Parabeln – sollte es vor uns, die wir uns streng an die unpoetische Wirklichkeit zu halten pflegen, Gerechtigkeit finden? – „Die Dichtung,“ sagt Baco, „gibt den Sterblichen, was ihnen die Geschichte verweigert; sie befriedigt den Sinn durch die Schattenbilder der Dinge, da sie ihn das Wesen nicht schauen lassen kann.“ – Werke der Dichtung sind es, denen die ersten Geister des Morgenlandes ihre Talente gewidmet und so viel Anmuth und Schönheit verliehen haben, daß sie ein Eigenthum aller Völker der Erde geworden sind. Der große Einfluß dieser Werke auf Europa schreibt sich ungefähr von den Kreuzzügen her, und, wenn unser Welttheil den heiligen Kriegen sonst nichts zu verdanken hat, so mögen schwärmerische Verehrer dieser Gattung der Poesie die Erzählungen Boccaccio’s und ähnliche Erzeugnisse als vollen Ersatz für alles vergossene Blut und für alle verschwendeten Schätze betrachten!

Aus den reichen Fundgruben des Morgenlandes hat Shakspeare die Grundidee zu seinem Kaufmann von Venedig geschöpft. Die Geschichte des Mahommedaners und des Juden findet man bei mehreren morgenländischen Schriftstellern. In einer persischen Bearbeitung verbindet sich die Liebe mit der Habsucht in der Brust des Hebräers, der sein brünstiges Auge auf die Gattin des Mahommedaners geworfen hat und erwartet, daß diese, wenn er auf der Erfüllung des Contracts beharre, um ihren Mann zu retten sich zu einem Opfer verstehen werde. Die Parteien sind vor Gericht und der Jude begehrt das verwirkte Pfund Fleisch. „Was antwortest du darauf?“ sagt der Richter zu dem Mohammedaner. „Es ist so,“ erwiedert dieser, „ich bin das Geld schuldig, aber außer Stand, zu bezahlen.“ „Dann,“ fährt der Richter fort, „mußt du, weil du mit der Zahlung nicht eingehalten hast, das Pfand geben; man bringe ein scharfes Messer.“ Darauf gegen den Juden gewandt: „Jetzt schneidest du ihm ein Pfund Fleisch vom Leib, ein Pfund, und keinen Gran mehr oder weniger, widrigenfalls du ein Mörder und des Todes schuldig bist.“ „Ich kann das nicht so genau,“ sagte der Jude, „es wird immer etwas mehr oder weniger seyn.“ Der Richter besteht auf dem genauen Gewicht; der Jude will auf seine Forderung verzichten; allein dieß wird nicht gestattet: er soll entweder den Contract mit dem ganzen Wagniß vollziehen, oder wegen frevelhafter Lebensgefährdung in eine erkleckliche Geldstrafe verfallen seyn; er zieht das letztere vor und geht als geprellter Wucherer nach Hause.

Vorausgesetzt, daß durch die Saracenen diese Erzählungen und Apologen nach Europa gebracht worden sind, so fragt sich, woher sie die Saracenen erhielten. Mahmommed und seine unmittelbaren Nachfolger, die der poetischen Erfindung als gottlosem Lügenwerk den Krieg erklärten, beschuldigten die Perser des Besitzes und der Verbreitung desselben. Allmälig wurden die Kaliphen jedoch weniger zelotisch und der Geschmack an persischen Geschichten und arabischen Mährchen erwachte von Neuem. Die Zeit ist nicht ferne, wo man Arabien und Persien als die beiden Hauptquellen dieses Zweigs der Literatur ansah, als man die heilige Sprache der Hindus noch nicht kannte. Als man aber in dieser die Hitopadesa, die Pancha-Tantra und den Kath-Sarit-Sagar, den Ocean des Stroms der Erzählung, las, da entdeckte man, daß die Perser nicht allein das leibliche, sondern auch das geistige Gut und Vermögen ihrer östlichen Nachbarn geplündert, und um den Raub zu verbergen, theils die Namen verändert, theils an die Stelle der Götter und Göttinnen des indischen Pantheons ihre Magier und alle die Geister des Himmels und der Erde, die Zoroasters Schule angehören, gesetzt hatten.

[642]
Nuschirwan läßt Pilpay’s Fabeln aus Indien kommen. Der Skepticismus des weisen Barzuyeh.)

Eines ihrer vorzüglichsten Werke der Einbildungskraft, in Europa unter dem Namen Pilpays Fabeln bekannt – haben die Perser unter Umständen erworben, die dem gerechten König Nuschirwan, seinem weisen Minister Buzurdschimir und dem gelehrten Barzuyeh gleich sehr zur Ehre gereichen.

Nuschirwan hatte viel Schönes von dem Werk eines singalesischen Braminen gehört, und wünschte eine Abschrift davon zu bekommen. Die Sache ließ sich nicht so leicht machen, da die Priester das Buch mit großer Sorgfalt verwahrt hielten, damit die darin enthaltene Weisheit nicht durch die Augen der Unheiligen entweiht würde. Barzuyeh unternahm es, den Willen seines Gebieters auszuführen. Mit Geld und Allem, was seine Zwecke fördern [643] konnte, reichlich versehen, reiste er nach Indien. Angelangt in der indischen Hauptstadt gab er sich als einen Mann zu erkennen, der dahin gekommen sey, um sich bei den dortigen Weisen über wichtige Gegenstände des Wissens Raths zu erholen. In der heiligen Gesellschaft, unter die er sich begab, suchte er sich bald einen Braminen aus, der ihm das wahre Muster der Weisheit zu seyn schien. Er bemühte sich daher um seine Freundschaft, was ihm so gut gelang, daß er beschloß, ihm seine wirkliche Absicht zu eröffnen. „Ich habe Euch ein Geheimniß anzuvertrauen,“ sagte er eines Tages zu seinem Freund, „und Ihr wißt, ein Zeichen ist einem weisen Manne genug.“ „Ich weiß, was Ihr meint,“ erwiederte der scharfsinnige Bramine, „auch ohne Euer Zeichen; Ihr seyd gekommen, unsre Wissenschaft zu entwenden und Persien damit zu bereichern. Euer Vorhaben ist Betrug; aber Ihr habt Euch mit solch vollendeter Geschicklichkeit benommen, die mir eine hohe Meinung von Euch gegeben hat. Ich habe an Euch die acht Eigenschaften bemerkt, deren Verein den vollkommenen Mann bildet: Enthaltsamkeit, Selbstkenntniß, Pflichttreue, Klugheit in der Wahl des Vertrauten, Verschwiegenheit, Selbstbeherrschung, die Kunst, sich bei Hof in Achtung zu setzen, und ein bescheidenes An-sich-halten, wenn man in allgemeiner Gesellschaft spricht oder in die Angelegenheiten Andrer sich einmischt. Ob nun gleich Eure Bewerbung um meine Freundschaft nicht aus lauterer und uneigennütziger Absicht entsprang, so schätze ich Euch doch zu hoch, als daß ich Bedenken tragen sollte, für Euch etwas zu wagen.“ Der Bramine wußte sich das ferngesuchte Buch zu verschaffen und mit seiner Hülfe war bald eine Abschrift zu Stande gebracht. Nuschirwan, von dem glücklichen Erfolg seines literarischen Abgesandten benachrichtigt, erwartete mit Ungeduld seine Rückkehr; und als jener an der Grenze ankam, empfingen ihn die Angesehensten des Hofes und geleiteten ihn zu dem Monarchen. Die Aufnahme bei Nuschirwan war glänzend; er ließ eine große Versammlung halten, wobei sich alle Würdeträger und alle Gelehrten des Königreichs einfanden. Barzuyeh las aus dem Buch, das er mitgebracht hatte, vor; die Bewunderung war allgemein. „Oeffnet meine Schatzkammer,“ rief der dankbare König aus, „und der Mann, der dieses Gut unserm Lande erworben hat, nehme sich das Kostbarste, das er darin findet.“ „Ich verlange weder Juwelen noch edle Metalle; nicht dafür, sondern für die Gunst meines Fürsten habe ich gearbeitet. Aber ich habe eine Bitte: der König hat seinen Minister Buzurdschimihr beauftragt, das Werk in das Pehlwi zu übersetzen: nun befehle er ihm, daß meines Namens, so wie meiner Familie, meines Gewerbs und meiner Religion darin gedacht werde.“ „Ihr seyd Zeugen,“ wandte sich Nuschirwan an die Versammlung, „Zeugen der edlen Uneigennützigkeit dieses Manns; ihr wißt, wie schön er sich seiner Pflicht entledigte, mit welchen Schwierigkeiten und Gefahren er in meinem Dienste zu kämpfen hatte. Ich wollte ihn mit Reichthümern belohnen; aber diese haben in seinen Augen keinen Werth, da die Liebe zum Ruhm in seinem Herzen ist. So möge er eine Stelle haben im Anfang des Buchs der Weisheit, welches Persien aus seiner Hand empfangen hat.“

Dieß ist das Wesentlichste der Geschichte, wie sie in Abul-Fazl’s, unter dem Namen Eiyar-i-Danisch, d. i. Prüfstein der Weisheit, erschienener persischer Uebersetzung zu lesen ist. Dasselbe Werk theilt die religiösen Ansichten des philosophischen Barzuyeh mit.

„Gott und die Zukunft – Fragen endlosen Streites. Jeder hält seine Meinungen für allein wahr, und wenn er am Abende seines Lebens Rechnung hält mit seinen Arbeiten, so ist es seine Secte, für deren Emporkommen, so sind es andere Secten, für deren Erniedrigung er gearbeitet hat. So manche sind bloße Selbstanbeter ohne eine Spur von wirklicher Religion, ohne innere Kenntniß von Gott! Wie bedauern muß ich meine verlorne Zeit, als ich mich diesen eiteln Dingen überließ, jeden Pfad durchforschend, ohne den rechten Weg finden oder auch nur einen Führer entdecken zu können. Ich fragte die Weisen und die Lehrer aller Religionen nach dem Ursprunge ihres Glaubens; aber ihr ganzes Dichten und Trachten ging nur dahin, ihre Vorurtheile aufzubauen, und die der Andern umzustürzen. Zuletzt, als ich nirgens Heilung der Krankheit meines Herzens, nirgends Balsam für die Wunden meiner Seele fand, kam ich auf den Schluß, daß die Grundlage aller dieser Secten Selbstbetrug sey. Ich hatte nicht gehört, daß ein wahrhaft weiser Mann ihnen Beifall geschenkt hätte, und ich fürchtete, wenn ich ihnen glaubte, eben so thöricht zu seyn, wie der arme Dieb, der sich durch ein einfältiges Wort selbst ins Verderben stürzte.

„Einige Diebe waren auf den Giebel des Hauses eines reichen Mannes gestiegen; dieser hörte Tritte, vermuthete einen Einbruch und weckte seine Frau. Ich werde thun als ob ich schlafe, flüsterte er ihr in’s Ohr, du weckst mich und fangst mit mir eine laute Unterhaltung an, und läßt nicht nach, bis ich dir sage, wie ich meinen Reichthum erworben habe. Die Frau that, wie ihr befohlen war. Verschone mich mit diesen Fragen, entgegnete der Mann; es könnte uns ja jemand hören. Auf die abschlägige Antwort ward die Frau inständiger. Wenn ich deinen Wunsch erfülle, so verfehle ich mich gegen die Regel, keinem Weib ein Geheimniß anzuvertrauen. Wie soll ich das nehmen? sagte die Dame aufgebracht. Bin ich nicht das geliebte Weib deines Busens? Wohl, wohl, erwiederte jener, sey nur um Gotteswillen zufrieden; vor meiner treuen und vertrauten Freundin habe ich keine Heimlichkeit; aber ich bitte dich, laß es niemand erfahren, was du jetzt hören wirst. Sie macht tausend Versicherungen, daß kein Wort über ihre Lippen kommen solle. So wisse denn, liebes Weib, daß all mein Reichtum Raub ist. Ich besitze einen Zauber, daß, wenn ich des Nachts beim Mondschein an dem Haus eines reichen Mannes stehend das Wort Scholim, Scholim, Scholim siebenmal wiederhole und dabei meine Hand auf einen Mondstrahl lege, ich mich auf den Altan schwinge; das zweite Rufen des Wortes Scholim, Scholim, Scholim bringt mich mit einen leichten Sprung in’s [644] Haus hinab, und das dritte Rufen desselben Worts bringt alle Schätze des ganzen Hauses vor mich. Ich nimm dann, was mir ansteht, und spring durch das Fenster mit meiner Beute hinaus. Durch diesen Zauber bin ich nicht nur unsichtbar, sondern auch gegen jeden Verdacht einer Schuld sicher gestellt. Die Diebe hatten ängstlich gehorcht und sich das magische Wort gemerkt. Einige Zeit nachher, als der Anführer der Bande die Bewohner wieder im Schlaf glaubte, stand er auf das Fenster, rief siebenmal Scholim, Scholim, Scholim, sprang und – fiel kopfüber in das Zimmer. Der Hausherr war auf dieses Resultat gefaßt, packte den Burschen, und fing an, seine Schultern mit einem Knüttel zu streichen. Wär ich, sagte er, mein Leben lang ein geplagtes Menschenkind, um reich zu werden, damit ein Schuft, wie du, mein Vermögen in einen Bündel schnüren und davon tragen sollte? Aber jetzt sage mir, wer du bist? Ich bin der Dummkopf, erwiederte der Dieb, den ein Athemzug von dir in den Staub geweht hat. An meinem Schicksal ist wahr geworden, wie es im Sprichwort heißt: Ich habe meinen Teppich ausgebreitet, um mein Gebet auf den Wassern zu verrichten; doch das Maß meines Unglücks ist voll und mir bleibt nun nichts übrig, als dich zu bitten, daß du eine Handvoll Erde auf mich werfest.

„Ich überzeugte mich, fahrt Barzuyeh fort, daß, wenn ich einem Glauben anhänge, der nicht andere Beweise als trügerische Worte darböte, mir es nicht besser ergehen würde, als dem Thoren in dieser Erzählung, der sein Vertrauen auf das Scholim, Scholim, Scholim setzte. Deswegen sprach ich zu mir selbst: wenn ich noch einmal diesen Dingen nachjage, so wird Ein Leben nicht hinreichen, und mein Ende wird nahen, während ich noch in den Irrgängen wandle, und mir die Frist verloren geht, die ich benutzen muß, damit der große Tag, der meiner wartet, mich nicht unvorbereitet überrasche. Da mein Streben nach Wahrheit redlich war, so däuchte mir, ich sollte sie in Handlungen suchen, die von allen Religionen als rechtschaffen gebilligt werden. Da erholte ich mich durch die Güte Gottes aus dem Zustand meiner Zerrüttung, und fing an zu arbeiten und that Gutes so viel in meinen Kräften war, und hörte auf, die Thiere zu quälen und die Menschen zu beleidigen.“

[646]
Die Fabel von den zwei Katzen. Der hyperbolische Stil. Zwei Parabeln von Sadi.

Wenn nicht geleugnet werden kann, daß die Perser in Bezug auf poetische Erfindung den Indiern nachstehen, so besitzen sie dagegen jene blendende Kunst der Darstellung, welche die schlichten Werke des indischen Genius mit seltenen Reizen ausgestattet aus ihren bildnerischen Händen hervorgehen läßt. Das kleinste Thier, das sie in die Fabel einführen, spricht eine Sprache, die einem Könige Ehre machen würde. Die ganze Natur öffnet ihnen ihren Bildersaal, und welche Natur! und wie gestaltet in diesen phantasiereichen Seelen! Darum ist der blühende Stil (Ibâret-i-Rendschin) ihre Hauptstärke; aber die Mine ihrer Literatur ist so ergiebig, daß sie eben sowohl den glänzenden Diamant als den nützlichen Baustein zu Tage fördert, ebensowohl, um Schlösser in die Luft als auf die Erde zu bauen, Materialien liefert. Man findet Redewerke, in denen eine an das Schwülstige grenzende Ueppigkeit herrscht, und wieder andere, welche als Muster edler Einfachheit dienen können. Ein gewisser leichter Humor zeichnet die von der letztern Art nicht selten aus. Wir geben zum Beleg die Fabel von den zwei Katzen, vermuthlich die Quelle, woraus unsere „Stadt- und Landmaus“ geflossen ist.

„Es war ein altes Weib in den Tagen der Vorzeit, die lebte in einer Hütte, die war enger als die Seele des Unwissenden, und dunkler als das Grab des Unglücklichen. Das Weib hatte keinen Umgang als eine Katze. Dieses arme Thier kannte das Brod nicht einmal dem Namen nach, und wußte noch weniger wie es aussah, denn nie hatte der Spiegel der Einbildungskraft dessen Erscheinung ihm entgegengestrahlt oder war dessen Namen aus dem Munde eines Freundes oder eines Fremden zu seinem Ohr gelangt. Genug, daß sie dann und wann eine Maus roch oder die Fußstapfen von einer auf der Flur bemerkte; wenn ihr aber vollends die Gunst der Sterne oder ein gütiger Zufall eine in die Klauen führte, dann fühlte sie sich überglücklich

Dem Bettler gleich, der einen Schatz entdeckt und in dem Wonrausch,
Der seine Wangen röthet, der überstand’nen Noth nicht mehr gedenkt [5]

An einem solchen Schmaus labte sie sich eine Woche oder länger, und sie rief wohl manchmal aus:

O Gott! wie ist mir? Wacht’ ich wirklich und es wär’ kein Traum,
Daß mir nach solcher Widerwärtigkeit solch Heil geblüht?

Da jedoch die Wohnung des alten Weibes nach wie vor eine Herberge des Hungers für die Katze blieb, so klagte sie beständig und entwarf allerhand närrische und abenteuerliche Plane. Eines Tages war sie wieder weit heruntergekommen, und schleppte sich mit großer Anstrengung auf das Dach der Hütte, als sie auf der Mauer des Nachbarhauses eine Katze gewahr wurde, die, wie ein wilder Tiger, mit gemessenen Schritten einherstieg, und so mit Fleisch beladen war, daß sie ihre Füße kaum aufheben konnte. Die Freundin des alten Weibes ward so überrascht von dem fetten und wohlgenährten Aussehen einer ihres Geschlechts, daß sie folgende Rede an sie richtete:

Du trittst so stattlich auf: o sag, wo kommst du her?
Von wannen diese liebliche Erscheinung?
Man sollte glauben, vom Bankett des Khans von Khatal,
Und wie kamst du zu diesem Anstand, dieser Kraft?

Ich bin des Sultans Abträgerin, erwiederte jene; jeden Morgen, wenn man die Tafel deckt, begebe ich mich nach dem Palast und zeige meine Gewandtheit und meinen Muth. Aus der Fülle der köstlichen Braten und Waizenkuchen hole ich mir dann einige ausgesuchte Bissen, ziehe mich damit zurück und bringe meine Zeit bis zum nächsten Tag in vergnüglicher Sorglosigkeit zu.

Des alten Weibes Katze begehrte zu wissen, was diese köstlichen Braten seyen und wie dieser Waizenkuchen schmecken? Was mich betrifft, setzte sie in schwermüthigem Tone hinzu, ich habe mein Lebenlang nichts gegessen und nichts gesehen als des alten Weibes Hafergrütze. Lächelnd entgegnete die andere: Mir wird es immer schwerer, [647] dich von einer Spinne zu unterscheiden. Dein Aussehen ist so, daß es das ganze Katzenvolk roth macht: ja wir müssen uns schämen, wenn du dein Marterbild zur Schau trägst.

Du hast zwar Katzenohren, Katzenwuchs,
Doch bist du spinnenartig sonst genug.

Du sollst des Sultans Palast sehen und die herrlichen Fleischtöpfe kosten: gewiß wird die Haut um diese abgezehrten Knochen wieder ausgefüllt; du wirst neu aufleben; du mußst hervor hinter diesem Vorhang der Unsichtbarkeit auf das Feld der Beobachtung.

Bring ihm auf’s Grab den süßen Lieblingsduft
Und aus der Asch’ ersteht das Leckermaul.

Des alten Weibes Katze wendete sich flehentlich an die andere: O meine Schwester, rief sie aus, habe ich nicht die heiligen Ansprüche der Nachbarschaft an dich? Sind wir nicht verbunden durch die Bande des Bluts? Was hielte dich ab, mir einen Beweis deiner Freundschaft zu geben und mich bei deinem nächsten Besuch in den Palast mitzunehmen? Vielleicht daß durch deine Gunst mir Ueberfluß zuströmt, daß ich unter deinem Schutz zu Ehren und Ansehen gelange.

Das Herz der Abträgerin des Sultans schmolz bei dieser pathetischen Anrede. Sie versprach ihrer neuen Freundin, daß sie sie das nächste Mal nach dem Palast begleiten solle. Die letztere, entzückt über die Zusicherung, begab sich unmittelbar von dem Altan herab zu ihrer Alten und erzählte ihr die ganze Begebenheit.

Liebe Freundin, sagte diese, laß dich nicht verführen durch die Sprache der Welt, die du gehört hast; bleib in unserem stillen zufriedenen Winkel, denn der Becher der Wollust ist mit Moder gefüllt, und das Auge der Begierde und der Hoffnung schließt sich nur durch den Zwirn des Schicksals und die Nadel des Todes.

Zufrieden seyn, das macht den Menschen reich.
Merkt’s, Gier’ge, euch, die ihr die Welt durchirrt:
Der kennt und zollt nicht Liebe seinem Gott
Wer über sein Geschick unwillig murrt.

Allein der erwartete Schmaus hat sich dergestalt in der Einbildungskraft der Katze festgesetzt, daß der heilsame Rath des alten Weibes keinen Eingang findet.

Wer Widerspenst’gen rathet, sperrt den Wind
In’s Käfig, füllt das Wasser in ein Sieb.

Die halbverhungerte Katze humpelte demnach in der Gesellschaft ihrer neuen Bekanntin nach des Sultans Palast. Wie es aber zu gehen pflegt, daß die Gedanken der Habsüchtigen vereitelt werden, so war daselbst, ehe der arme Schelm noch hin kam, ein außerordentliches Ereigniß eingetreten, und der Unstern wollte, daß die trübe Fluth vereitelter Hoffnung in die Flammen des unreifen Ehrgeizes sich ergießen sollte. Der Fall war dieser. Tags zuvor hatte ein ganzes Heer von Katzen den Schmaus umlagert und einen solchen Lärmen verführt, daß die Gäste auf’s Höchste beunruhigt wurden; deswegen hatte der Sultan für den folgenden Tag befohlen, daß einige tatarische Bogenschützen sich in den Hinterhalt stellen, und auf jede Katze, bei dem ersten Bissen, den sie fräße, den Pfeil anlegen sollten. Des alten Weibes Katze war von diesem Befehl nicht unterrichtet. In dem Augenblick, als die Fleischdüfte in ihre Nase stiegen, flog sie darauf los, wie ein Adler auf seinen Raub. Aber kaum hatte sie das Gewicht eines Mundvolls auf die Wagschale ihres Hungers gelegt, als der herzspaltende Pfeil sie durchbohrte. <poem>Ein Strom von Blut rauscht aus der wunden Brust. Sie flieht in Todesangst, indem sie ausruft: Läßt mich der Himmel dieß Mal noch entkommen, Zufrieden will ich seyn mit meiner Maus Und mit der Hütte meiner alten Frau. Dem Honig ist ein Stachel beigesellt: Mir frommt am besten meine mäß’ge Kost.“

Wo wäre hier, könnte Jemand fragen, jenes unmäßige Schwelgen der Sprache auf den blumigen Gefilden der Einbildungskraft, jener hyperbolische Stil, den die Perser selbst mit einer feurigen Stute vergleichen? So arg ist es nun freilich in der Regel nicht, und der übertriebene Kanzleistil, dessen man sich bei Eingängen zu Briefen, Büchern oder Urkunden bedient, scheint fast als eine Ausnahme von der gewöhnlichen Gesetzgebung des guten Geschmacks betrachtet werden zu müssen. Jener findet aber auch nicht Worte, Bilder und Metaphern genug. Welche scrupulöse Gewissenhaftigkeit besonders im Beilegen von Titeln, welche Verschwendung von Witz, damit ja keine Höflichkeit vergessen, jede dem Rang und der Macht gebührende Rücksicht beobachtet werde! Wenn in öffentlichen Acten der Name des Königs erwähnt wird, so darf nicht nur Niemand über ihn gesetzt, sondern auch Niemand ihm gleichgesetzt werden; der König muß schlechterdings der in seiner Art Einzige seyn; läßt er sich jedoch herab, mit einem fremden Fürsten in Unterhandlungen zu treten, wo er denn nicht umhin kann, diesem eine Anzahl Ehren beizulegen, so wird sicherlich vorgebeugt, daß er sich selbst nichts vergibt. So hieß in dem zwischen Persien und England im Jahr 1800 abgeschlossenen Tractat der Schah „die Zuflucht der Welt; der Juwel im Ring der Könige; der Schatten des Schattens Gottes; ein Khosru, dessen Sattel der Mond und dessen Steigbügel der Neumond ist; ein Herrscher des Alls; ein Kaherman, ein Alexander, ein Fürst von hohem Rang, vor dessen Angesicht die Sonne sich verhüllt,“ während der König von England zwar auch die Zuflucht der Welt und ein Hauptjuwel in der Krone des Königthums war, aber doch mit seiner Herrschaft so ziemlich auf die See verwiesen wurde – als „Anker der Flotte des Siegs und des Glücks.“

Ich fragte Aga-Mir, mit dem ich mich über diesen Gegenstand unterhielt, ob alle ihre Monarchen solche Freunde der Hyperbeln gewesen seyen? „Nicht alle, sagte er; z. B. der letzt verstorbene König Aga-Mahommed war durch seinen Haß gegen jede Prunkdarstellung bekannt. Wenn seine Sekretäre ihre schmeichelnden Einleitungen begannen, verlor er oft die Geduld und rief: zur Sache, ihr Schurken (bi-mezmum, badbakht)! Vielleicht wären diese Redensarten aus der Mode gekommen, wenn er länger [648] gelebt hätte; aber der gegenwärtige König bildet sich selbst etwas darauf ein, ein guter Dichter und Prosaist zu seyn, und die Folge davon sind solche Prachtstücke von Eingängen, wie ihr in eurem Tractat eines aufzuweisen habt, welches, wie ich weiß, seines besondern Beifalls sich zu erfreuen hatte.“

Auf jeden Fall sind die ausgezeichnetsten Schriftsteller Persiens dieser Rhetorik ziemlich fremd. In den Werken ihrer ersten Dichter, eines Ferdusi, Nizami, Sadi und Anweri findet man Stellen genug, die eben sowohl durch die Schönheit und Kunstlosigkeit des Ausdrucks als durch die Wahrheit und Erhabenheit der Gesinnung classisch sind; und viele ihrer Geschichtschreiber geben uns reine Erzählungen von Thatsachen ohne die Beigabe jener manirirten Ausstattung, welche der gewöhnliche Fehler ihrer Landsleute ist.

Wie einfach beschreibt Sadi die Frucht einer guten Gesellschaft:

„Ich war eines Tags im Bad, da legte ein Freund von mir ein wohlriechendes Stück Thonerde in meine Hand. Ich nahm sie und sagte zu ihr: Bist du Bisam oder Ambra, denn dein Duft bezaubert mich? Sie erwiederte: Ich war eine bloße verachtete Thonerde; aber ich kam in die Gesellschaft der Rose, und die süße Eigenschaft meiner Gefährtin theilte sich mir mit, sonst wäre ich eben wie ich zu seyn scheine, ein Stück Thonerde.“

Oder das Wesen echter Liebe:

„Es war einmal ein zärtlicher und liebenswürdiger Jüngling, der war verlobt mit einem schönen Mädchen. Ich las, daß sie auf der hohen See schifften, und mit einander in einen Wirbel fielen. Als nun ein Matrose kam, und dem jungen Mann die Hand reichte, daß er ihn errettete aus dem Verderben, rief derselbe laut und zeigte auf seine Geliebte mitten aus den Wassern: Laß mich und rette meine Gebieterin! Die ganze Welt bewunderte ihn ob dieser Rede, und da er starb, hörte man sagen: Lerne die Geschichte der Liebe nicht von dem Elenden, der seine Geliebte in der Stunde der Gefahr vergißt.“

[781]
Der Oberpriester von Schiras. Derwisch Seffer. Abdolla von Khorassan.

Der Glanz, womit die englische Gesandtschaft bei ihrem ersten Erscheinen in Persien auftrat, die großmüthige Freigebigkeit, wie jede Dienstleistung, die sie empfing, belohnt, der Werth jeder Achtungsbezeugung, die sie ertheilte, erhöht ward, das kluge Benehmen des Eltschi, der nie seiner Würde Etwas vergab, aber auch nie mit europäischem Stolze der asiatischen Sitte zu nahe trat, – hatte den Persern nicht nur eine günstige Meinung von dem Reichthum und der Macht, sondern auch Achtung für die Bildung der Britten eingeflößt. Diesem Umstande hatten wir es zu danken, wenn wir so manche interessante Bekanntschaft anknüpfen, so manchen Blick selbst in die engern Kreise ihres geselligen Lebens werfen konnten.

Als wir in Schiras ankamen, war Besuche abstatten, Festen beiwohnen, Geschenke geben und empfangen unsere einzige Beschäftigung. Indessen machte das zuthätige Wesen der Perser, als ich sah, wie Minister, Hofleute, Kaufleute, Schöngeister und Poeten sich an den Eltschi drängten, um sich ihm angenehm zu erweisen und dafür eine Uhr, ein Stück Tuch oder Zitz von ihm zu erhaschen, auf mich einen widrigen Eindruck. Ich ließ darüber einige Bemerkungen fallen. „Wir sind nicht so schlimm, als ihr glaubt,“ sagte dann wohl der gute Aga-Mir, unser Secretär, der gewöhnlich die Sache seiner Landsleute gegen uns verfocht, „es fehlt uns nicht an trefflichen Charakteren, wenn sie auch selten sind.“ Bei solchen Anlässen, die sich oft wiederholten, vergaß er zur Ehrenrettung des persischen Namens nie den Scheikh-ul-Islam[6] von Schiras anzuführen. Endlich war ich so glücklich, bei einem Frühstück, welches uns Mahommed-Husein-Khan, der Sohn des Ministers Hadschi-Ibrahim, gab, mit dem würdigen Manne zusammen zu treffen.

Die Gesellschaft hatte sich in dem Garten Sadi’s, neben einer Quelle am Grabmal dieses berühmten Weisen, versammelt. Es erhoben sich einige Schwierigkeiten ob der Anordnung der Plätze – ein zarter Punkt, den der Eltschi dadurch erledigte, daß er erklärte, der oberste Sitz gebühre dem Scheikh-ul-Islam. „Wenn ich eine solche Ehre annehme,“ entgegnete dieser, „so muß ich bemerken, daß ich sie als eine Artigkeit betrachte, die nicht meiner Person, sondern meinem heiligen Amte widerfährte“. Er entschuldigte sich hierauf gegen den Eltschi, daß er ihm keinen Besuch abgestattet hätte. „Ich kenne kein größeres Vergnügen,“ sagte der Scheikh, „als von fremden Ländern erzählen zu hören; mich zog es deswegen sehr nach Eurer Gesellschaft hin. Allein ich durfte nicht meiner Neigung folgen. Die Armen haben keinen Schild, der sie gegen den Uebermuth der Mächtigen deckt als die Stimme des Dieners der Religion: wenn nun unser Betragen den mindesten Anstoß gäbe, so verlören jene das Zutrauen zu uns, diese die Achtung – und unser Schutz wäre unwirksam.“

Der Scheikh-ul-Islam suchte dem Eltschi einen möglichst vortheilhaften Begriff von der Rechtspflege des Landes beizubringen und pflegte seine Beweise durch Anekdoten aus dem Leben frommer und gelehrter Männer zu erläutern.

„Der berühmte Abu-Jusuf,“ erzählte er unter Anderem, „war Oberrichter zu Bagdad unter der Regierung des Kalifen Hadi. Das Bewußtseyn seiner Mängel ließ ihn oft Zweifel finden, wo Männer von weniger Kenntnissen und mehr Eigendünkel unbedenklich entschieden hätten. Einst erklärte Abu-Jusuf, nachdem er alle Thatsachen auf das Sorgfältigste geprüft hatte, sein Wissen für unzureichend, um über einen vorliegenden Fall zu erkennen. „Ey,“ meinte ein vorwitziger Höfling, der dabei [782] stand, „Ihr werdet doch nicht erwarten, daß der Kalife Eure Unwissenheit bezahle?“ „Gewiß nicht,“ war die Antwort; „der Kalife zahlt mich für das, was ich weiß, denn wollte er mich zahlen für das, was ich nicht weiß, so würden alle Schätze seines Reichs nicht zureichen.“

Zu meiner Verwunderung äußerte sich der orthodoxe Scheikh über die Sufis, die wegen ihrer wildphantastischen Lehrmeinungen den mahommedanischen Priestern im Allgemeinen ein Gräuel sind, ziemlich mild.

„„Es giebt manchen rechtschaffenen und musterhaften Mann in dieser Sekte, welcher unsere beiden Dichter, Hafiz und Sadi, hauptsächlich der erstere, angehören, und wer wollte in Schiras geboren seyn, der sie verdammen könnte? Wir bedauern die Irrthümer der Sufis um so mehr, als wir ihre Tugenden kennen, die selbst durch ihre Schwärmereien nicht verdunkelt werden. Man kann Viel von ihnen lernen: wie einfach und schön z. B. prägt Abd-ul-Kadir von Ghilan in der Geschichte [7] seiner Kindheit die Liebe zur Wahrheit ein.

„Abd-ul-Kadir hatte ein Gesicht gehabt, worin ihm die Bestimmung seines Lebens geoffenbaret worden war. Er bat daher seine Mutter, ihm zu erlauben, nach Bagdad zu gehen, um sich Gott zu weihen. Ich sagte ihr – dieß sind seine Worte – was ich gesehen hatte, und sie weinte; hierauf nahm sie achtzig Dinars aus dem Kasten und sprach, da ich noch einen Bruder hätte, so betrüge mein ganzes Erbe bloß halb so viel; sie gab mir meinen Antheil; „schwöre, rief sie aus, daß du nie eine Unwahrheit sagen willst;“ ich schwur: „Nun so gehe mein Sohn, ich vertraue dich deinem Gott; wir werden uns nicht mehr begegnen bis am Tage des Gerichts.“ –

Ich zog wohlgemuth meine Straße, bis ich in die Nähe von Hamadan kam, wo unsere Karavane von sechzig Reitern überfallen und geplündert wurde; ein Bursche fragte mich, was ich habe? – „Vierzig Dinars sind in mein Kleid eingenäht.“ Der Bursche lachte, ohne Zweifel, weil er meine Antwort für Scherz hielt. – „Was hast du?“ fragte ein Anderer. Ich gab dieselbe Antwort. Als die Beute getheilt wurde, führte man mich auf eine Anhöhe, wo der Anführer stand. „Was besitzest du von Eigenthum, Kleiner?“ – „Ich habe es schon Zweien von deinen Leuten gesagt, daß ich vierzig Dinars habe, die sorgfältig in mein wollenes Futter eingenäht sind.“ – Er ließ es aufschneiden und fand mein Geld. „Wie kömmt es, daß du so offen erklärst, was du so geheim verborgen hast?“ – „Weil ich meine Mutter nicht täuschen will, der ich versprochen habe, nie eine Lüge zu sagen.“ – „Kind,“ sagte der Räuber, „du hast in deinen Jahren ein solches Gefühl der Pflicht gegen deine Mutter und ich sollte in meinem Alter unempfindlich seyn gegen die Pflicht, die ich meinem Gott schuldig bin? Reich’ mir deine Hand, unschuldiger Knabe, daß ich meinen Schwur der Reue hineinlege.“ Er that es. Die Räuber sahen gerührt der Scene zu. „Weil du in den Irrgängen des Lasters unser Führer warst,“ sagte Einer zu ihm, „so sey es auch auf dem Pfade der Tugend,“ und auf seinen Befehl erstatteten sie das geraubte Gut, und schwuren Reue und Besserung in meine Hand.““

Der Eltschi drang in den Oberpriester, daß er ihm manchmal das Vergnügen seiner Unterhaltung schenken möchte; aber diese Einladung wurde auf eine Art und aus Gründen abgelehnt, die mich überzeugten, daß Mirza Aga-Mir nicht zu Viel gesagt hatte.

Wir verlebten eine glückliche Zeit in Schiras. Ein ländliches Fest auf einem schönen freien Platze bei Hazar Bagh, d. i. bei den tausend Gärten, wo wir auf einem Hügel von Rosenblättern, der mit feinen Teppichen überbreitet war, lagerten, wo die klaren Bächlein uns umrauschten und die Wohlgerüche überströmten, bildet eine liebliche Episode in dem Cyclus der Vergnügungen, womit der Prinz, sein Hof und die vornehmsten Einwohner der Stadt unsern Aufenthalt angenehm zu machen wetteiferten.

Den Tag vor unserer Abreise fand sich noch ein alter Bekannter, Derwisch Seffer, zum Besuche ein. Dieser merkwürdige Mann gilt für einen der besten Erzähler und Deklamatoren Persiens, desjenigen Landes in der Welt, das solche Talente am Meisten schätzt, und wo derjenige, der sie in ausgezeichnetem Grade besitzt, ein so sicheres und ehrenvolles Glück zu erwarten hat, als der erste dramatische Künstler in Europa. Derwisch Seffer, den der König mit seiner Gunst beehrt, hat eine äußerst melodische Stimme und diese hat er so in seiner Gewalt, daß er jeden Ton, den der zartesten weiblichen, wie der rauhesten männlichen Stimme, hervorbringt. Die Ausdrucksfähigkeit seines Gesichts ist eben so bewundernswerth, wie die seines Organs, seine Gebehrden sind voll Anmuth und immer dem Gegenstande angemessen. Sein Gedächtniß, das ihn nicht nur mit einer Masse von historischem Stoffe, sondern auch mit dem ganz reichen Vorrathe der poetischen Literatur Persiens versorgt, setzt ihn in den Stand, dem trockensten und unfruchtbarsten Gegenstand, durch Einschaltung passender Stellen oder durch freie Aneignung von Gedanken und Wendungen aus den vorzüglichsten Schriftstellern, augenblickliches Leben und Interesse zu verleihen. Man kann Derwisch Seffers Kunst mit der eines Improvisatore vergleichen, indem die Kunst beider aus zwei Elementen besteht, aus jener bloßen Reproduktionskraft, welche das Empfangene wieder giebt, und aus einer selbstständigen geistigen Thätigkeit, welche, wenn auch nicht neue Schöpfungen, doch neue Bildungen hervorruft.

Derwisch Seffer ermangelte nicht, vor dem Eltschi eine Probe seiner Kunst abzulegen, wobei er wahrscheinlich eben so sehr auf dessen Freigebigkeit, als sein Stolz auf dessen Bewunderung rechnen mochte. Nachdem er sich die gehörige Haltung gegeben, präludirte er mit einer schönen Stelle aus Nizami zum Preise des Talents, welches den edlen Sinn und die Weisheit abgeschiedener Geister unter Lebenden in fortdauernder Wirksamkeit erhält. Hierauf begann er seine Erzählung.

[783] In einem einsamen Thale des fruchtbaren Landes Khorassan lebte der Landmann Abdolla. Er heirathete eine Person von seinem Stande, ein ganz einfaches Mädchen. Schade, daß der Vater durch den thörichten Einfall, ihr den hoffärtigen Namen Ziba[8] zu geben, den Samen der Eitelkeit in ihr Herz gestreut hatte. Sie nannte deswegen auch ihre beiden Kinder, Jusuf und Fatima: „Der berühmte Name,“ sprach sie, „den der Sohn Jakobs, der Weßir Faruns, der Bezauberer Suleika’s, trug, wird meinem Sohne wohl anstehen; und wenn ich das kleine Ding nach der Tochter des Propheten, nach der Frau des großen Ali, nenne, so darf es wohl zufrieden seyn.“

Bei diesem Großthun mit vornehmen Namen blieben aber Abdolla’s Vermögensumstände die armseligsten, seine Aussichten, die beschränktesten, die man sich denken kann; doch fühlte er sich nicht unglücklich: denn er war gesund und stark, und arbeitete für den Reis[9], dem das Land gehörte, worauf seine Hütte stand: so war er es von Jugend auf gewohnt, und nie hatte er sein Thal verlassen, auch nie daran gedacht, es zu verlassen. Der Lohn seiner Arbeit bestand in Getreide und in Kleidung, so viel er von beiden für sich und seine Familie brauchte; Geld kannte er nur dem Namen nach.

Eines Tags war der Reis mit Abdolla’s Fleiße so zufrieden, daß er ihm zehn Piaster zum Geschenk machte. Abdolla fand in seiner Freude über diesen plötzlichen Zufluß von Reichthum kaum Worte des Dankes. Sobald er von seinem Tagesgeschäft weg kommen konnte, eilte er nach Hause zu seinem Weib: „Hier, Ziba, sind Schätze für dich!“ und mit diesen Worten breitete er die Geldstücke vor ihr aus; die Ueberraschung und das Entzücken der guten Frau läßt sich schwer beschreiben; sie hatte im Augenblick keinen Gedanken, als ihre Kinder zu rufen, um sie an dem Jubel der Eltern Theil nehmen zu lassen. „Gut,“ sagte Abdolla, noch immer das Geld betrachtend, „das Nächste ist jetzt, daß wir ausmachen, was wir mit dieser großen Summe anfangen. Der Reis hat mir morgen einen Feyertag erlaubt, und ich will, denk’ ich, wenn es dir recht ist, liebes Weib, in die berühmte Stadt Mesched gehen; ich weiß es nicht so genau, aber es ist nicht über sechs oder sieben Fersekhs.[10] Zuerst verrichte ich dann meine Andacht am Grab des Gott wohlgefälligen Imam Mehdi, und als ein guter Moslim lasse ich ein Fünftheil von meinem Ueberfluß als Opfer zurück; mit dem Rest gehe ich auf den Bazar, von dem ich so Viel gehört habe, und kaufe Alles für euch ein. Jetzt sagt mir nur, was ihr am Liebsten möchtet.“

„Ich will bescheiden seyn,“ sagte Ziba; ich brauche bloß einen schönen Seidenzeug zu einem Kleid.“ „Mir,“ rief der wilde kleine Jusuf, „bring ein fein Pferd und einen Säbel.“ „Und mir,“ sagte Fatima, „ein indisches Halstuch und ein Paar goldene Pantoffel.“ „Morgen Abend sollt ihr Alles haben,“ erwiederte Abdolla, indem er seine glückliche Familie in seine Arme schloß. Und seinen schweren Knotenstock in der Hand trat er am folgenden Morgen seine Reise an.

Als Abdolla sich der heiligen Stadt näherte, war das Erste, was seine Aufmerksamkeit anzog, die glänzende Gruppe der vergoldeten Kuppeln und Minarets, die das Grab des Heiligen umschlossen. Jeder Schritt, den er vorwärts that, gab seiner Bewunderung neuen Stoff. So hatte er sich die Herrlichkeiten gedacht, die der Prophet seinen Gläubigen im Himmel verheißt, aber nie hätte er sich träumen lassen, daß auf Erden dergleichen Wunder zu finden wären! Er wanderte langsam durch die Straßen und konnte sich nicht satt sehen an den Prachtgebäuden. Als er endlich an das hohe Portal des Wallfahrts-Tempels kam, blieb er stehen und fragte einen ehrwürdigen Priester, der im Koran las, ob er hinein dürfe. „Gehe zu, mein Bruder,“ erwiederte der Alte, „und bringe deine Gabe dar; es wird dir einst vergolten werden; denn einer der frömmsten Kalifen sagt: das Gebet bringt den Mann halbwegs zum Paradies; das Fasten bis an die Pforten; aber dem milden Almosengeber öffnen sie sich.“

Nachdem der fromme Abdolla den fünften[11] Theil von seinem Schatz auf dem Schrein des heiligen Imam niedergelegt hatte; begab er sich nach dem Bazar. Der Anblick des lärmend sich durcheinander drängenden Volkes, der sich ihm hier darbot, die reich geschirrten Pferde, die glänzenden Aufzüge der Vornehmen, die schwer beladenen Kameele und Maulthiere, die den Raum zwischen den Buden einnahmen, wo alle Waaren aus Europa, Indien, China, der Tatarei und Persien zur Schau lagen – das war zu viel für seine Fassungskraft. Er stand mit stieren Augen und mit offenem Munde da, Alles anstaunend, und nur das Eine fühlend, daß er selbst eine höchst unbedeutende Person hier sey. Ob er gleich manche Fußstöße bekam, manchmal beinahe überritten wurde, so verging doch einige Zeit, bis er der Gefahr gewahr wurde, der er sich aussetzte. Die Umstände trugen indessen dazu bey, daß es ihm in den Gewühl nicht mehr behagen wollte und daß er sich entschloß, sein Geschäft schnell zu beendigen und ruhig nach Hause zurück zukehren.

Er trat an eine Bude, wo eine Menge Seidenstoffe lagen, wie er sie in dem Hause des Reis gesehen hatte, und fragte nach den schönsten. Der Kaufmann warf einen flüchtigen Blick auf seine Kleidung und dachte: gewiß so ein reicher Pächter vom Land; diese Leute haben Geld und verstehen die Waaren nicht und folglich sind sie meine besten Kunden. In dieser guten Meinung durchstöberte er sein ganzes Waarenlager und legte ein Stück um das andere heraus. Allein es waren der schönen Sachen zu viele da, als daß der gute Abdolla so schnell hätte zu [784] einem Entschluß kommen können: entlich entschied er sich für einen purpurrothen Zeug mit gesticktem Saum. „Diesen will ich behalten,“ sagte er, indem er das Stück zusammen legte und unter den Arm nahm „Was ist der Preis?“ „Ihr seyd ein neuer Kunde, deswegen fordere ich nur zweihundert Piaster; ich sollte eigentlich für deine so auserlesene Waare drei bis vier hundert fordern; aber ich möchte, daß Ihr mir euren Zuspruch auch ein andermal wieder schenket, wenn Ihr Eure schöne Ländereien verlaßt, um unsre gewerbsame Stadt mit eurer Anwesenheit zu beehren.“ Abdolla legte den Seidzeug wieder hin: „Zwei–hundert–Piaster! Ihr müßt Euch gestoßen haben. Meint Ihr solche Piaster, wie diese?“ sagte Abdolla, indem er einen von seinen acht aus der Tasche langte und dem Kaufmann zeigte. „Freilich,“ erwiederte der letztere, „und der Preis ist noch billig.“ „Arme Ziba!“ sagte Abdolla seufzend. „Wer arm?“ murmelte der Kaufmann. „Mein Weib,“ sagte Abdolla. „Was will ich von Eurem Weib?“ sagte der Kaufmann, dessen Ton mit der verringerten Aussicht auf einen guten Handel immer brummiger wurde. „Ich will Euch Alles erzählen,“ sate Abdolla. „So alt ich bin, arbeite ich für den Reis unseres Dorfs; ich habe nie Geld gesehen, bis gestern, wo er mir zehn Piaster geschenkt hat. Mit diesem Geld gehe ich nach Mesched, wo ich zuvor nie gewesen bin, gebe als ein guter Moslim den fünften Theil dem Imam Mehdi und will mit dem Rest meinem Weib ein seidenes Kleid, meinem Jungen ein Pferd und einen Säbel und meinem lieben Töchterlein ein indisches Halstuch und eine Paar goldene Pantoffel kaufen. Und Ihr fordert mir für einziges Stück Seide zwei hundert Piaster. Wie soll ich nun das Uebrige bezahlen, das ich kaufen muß?“ Dieß sagte Abdolla mit dem Ton des Vorwurfs. „Packt Euch von meiner Bude fort,“ schrie der erboste Seidenhändler, „ich verliere mit Euch meine beste Zeit und verderbe meine kostbaren Waaren wegen eines Narren. Geht zu Eurer Ziba und zu euren lieben tölpelhaften Kindern und kauft ihnen Zuckerbrod, aber laßt mich in Ruhe.“ Mit diesen Worten wies er seinem neuen, schätzbaren Kunden die Thüre.

Abdolla sagte beim Weggehen vor sich hin: „Das ist ohne Zweifel ein Schurke; aber es giebt auch ehrliche Leute in Mesched; ich will jetzt zu den Pferdehändlern gehen, und wenn ich weiß, wo sie sind, so kauf’ ich dem Jusuf einen hübschen Klepper.“ Kaum zeigte er sich auf dem Pferdemarkt als Liebhaber, da hatte man ihm schon zwanzig vorgeführt. Eines, das sich prächtig aufbäumte, hatte bereits seinen ganzen Beifall, als ein Freund, den er zuvor nie gesehen, ihm in’s Ohr wisperte, er sollte sich in Acht nehmen, das Thier sey ja steif, gehe blos gut, wenn es warm geritten sey.

Es war an dem, daß er sich für ein anderes entschied, als derselbe Mann, mit einem bedeutenden Blick bald auf die Hand des Verkäufers, an welcher ein Finger fehlte, bald, indem er das Kauen eines Thieres nachahmte, auf das bewunderte Pferd hinwies, wodurch er zu verstehen gab, daß es bei diesem Handel Einiges zu bedenken gebe.

Abdolla wandte sich in der Verlegenheit an den guten Freund und fragte ihn, ob er nicht ein passendes Pferd für ihn wüßte? Der Mann antwortete: sein Bruder habe eines, aber er zweifele, daß es feil sey; doch da der Sohn das Pferd gewöhnlich reite, der sich jetzt gerade auf der Schule befinde, so könne man ja den Vater fragen. Der dankbare Abdolla bat ihn, ein Fürwort für ihn einzulegen. Das wurde versprochen und gehalten; und in ein paar Minuten gallopirte ein kleiner schmächtiger Schimmel, Kopf und Schwanz in der Luft, daher. Der entzückte Bauer dachte schon seinen Jusuf hinauf und, um seinen Traum schnell zu verwirklichen, fragte er nach dem Preis. „Ein Anderer, als Ihr,“ war die Antwort, „sollte ihn nicht unter zweihundert Piastern haben; weil es mir nicht blos um einen Kauf, sondern um einen Freund zu thun ist, so habe ich meinem Bruder zugeredet, daß er ihn Euch um hundert und fünfzig zukommen läßt.“ „Abdolla trat drei Schritte zurück: „Wie ihr Pferdehändler, ihr seyd so schlimm als die Seidenkrämer!“ Er wiederholte nun seinem Freund, was ihm vor und seit seinem Eintritt in Mesched begegnet war. Der Mann hatte kaum Geduld, ihn ganz anzuhören. „Und so konnte ich meine Freundschaft an einen dummen Lümmel wegwerfen, daß ich dem zu gefallen und aus übertriebener Ehrlichkeit mir vielleicht Vorwürfe von meinem Bruder zugezogen hätte! Geh du zu deiner Ziba und zu deinem Jusuf und zu deiner Fatima und kaufe für deinen hoffnungsvollen Jungen ein Sechszehntel von einem Esel! Der kleinste Theil von einem solchen Thier steht deinen Mitteln und deinem Verstand besser an, als ein Haar aus dem Schwanz eines der schönen Pferde, die du unverschämt genug gewesen bist dir zeigen zu lassen!“

Dieß gesagt, ließ er den armen Abdolla stehen. Indessen, dachte dieser, kann ich vielleicht einen der kleinern Artikel bekommen; allein zu seinem Verdruß fand er, daß der niedrigste Preis für einen Säbel dreißig, für ein paar Goldpantoffel zwanzig, und für ein schmales indisches Halstuch zwölf Piaster betrug, was auf jeden Fall Mehr war, als er besaß.

[786] Dem guten Mann blieb nun eben Nichts übrig, als der Heimweg; den trat er auch an. Kaum war er aber über die Vorstädte hinaus, da begegnete ihm ein heiliger Bettler, der rief: „Almosen! Almosen! Wer dem Armen giebt, leiht dem Herrn, und wer dem Herrn leiht, dem wird’s vergolten hundertfältig!“ „Was sagst du?“ fragte Abdolla. Der Bettler wiederholte seinen Spruch. „Ihr seyd die einzige Person, mit der ich handeln kann,“ versetzte der gutmüthige, aber einfältige Bauer; „hier sind acht Piaster – Alles, was ich besitze; nehmt sie und gebraucht sie in dem Namen des Allmächtigen, aber sorget dafür, daß ich nachher hundertfältig bezahlt werde, denn sonst kann ich meinem lieben Weib und meinen Kindern keine Freude machen.“ Und in der Einfalt seines Herzens erzählt er dem Bettler alle seine Begebenheiten, damit er seine Lage genau kennen lerne. Der heilige Mann konnte kaum ein Lächeln unterdrücken, als er die acht Piaster sorgfältig zusammenwickelte. Abdolla wanderte weiter und der Bettler fuhr fort auszurufen, wie zuvor: „Almosen! Almosen! Wer dem Armen giebt, leiht dem Herrn, und wer dem Herrn leiht, dem wird’s vergolten hundertfältig!“

Als Abdolla in dem Gesichtskreis seines Dorfes anlangte, eilten ihm Alle entgegen. Der athemlose Jusuf war der erste, der den Vater einholte: „Wo ist mein Pferd und mein Säbel?“ „Und wo mein indisches Halstuch und meine Goldpantoffeln?“ sagte die kleine Fatima, die nachkam. „Und mein seidenes Kleid?“ sagte Ziba, die dicht hinter ihrer Tochter folgte. „Aber der Reichthum hat dich ja verstimmt, du bist so ernst geworden; ohne Zweifel,“ [787] setzte sie lächelnd hinzu, „hast du dich mit den Sachen nicht selbst beschwert, sondern einen Diener gedungen, der das Pferd und die übrigen Geschenke bringt. Geduld, meine Kinder, wir werden in wenigen Augenblicken Alles sehen.“ Abdolla schüttelte den Kopf, aber er mochte nicht sprechen, ehe sie in die Wohnung traten. Hier setzte er sich auf seine grobe Matte und fing an, alle seine Abentheuer vom ersten bis zum letzten Akte zu erzählen. Ziba, die etwas Mehr von der Welt wußte, als ihr Mann, machte ihm Vorwürfe über seinen Unverstand, das Geld, welches er der Freigebigkeit des Reis verdankte, so wegzuwerfen und ging hin und erzählte dem Reis die ganze Begebenheit. Dieser wurde sehr zornig und schickte nach Abdolla, daß er zu ihm komme: „Was hast du getrieben, Dummkopf?“ fuhr er ihn an; „Ich, der ich ein Mann von Vermögen bin, gebe diesen lumpigen Landstreichern nie mehr als eine Kupfermünze, und du giebst einem von ihnen acht Piaster. – Aber er versprach dir’s hundertfältig zurück. Das soll dir werden. Holla, Knechte, faßt den Burschen und gebt ihm hundert Prügel!“ Der Befehl war nicht so bald ertheilt, als er ausgeführt wurde, und als der arme Abdolla in der Nacht auf den Tag, der noch auf seinen Reichthum geschienen hatte, heimkam, da war er wund geschlagen, ohne einen Heller in der Tasche, mißvergnügt über Seidenkrämer, Pferdenhändler, Messerschmide, Schuster, Bettler, Gutsherrn, Weiber, über sich selbst und die ganze Welt.

Am nächsten Morgen wurde er mit der Nachricht geweckt, daß der Reis nach ihm geschickt habe. Ehe er ging, verzieh er seinem Weib, die sehr bekümmert war, daß sie ihren Mann durch ihre Unvorsichtigkeit in Strafe gebracht hatte. Er küßte auch seine Kinder und hieß sie guten Muths seyn, denn er wolle mit Gottes Hülfe seinen Fehler schon wieder gut machen. Als er zu dem Reis kam, sagte dieser: „Ich habe für dich ein Geschäft, Abdolla, das dich zur Besinnung bringen muß. Ich will in diesem dürren Boden nach Wasser graben lassen: du gräbst also so lange fort, bis du welches findest.“ Mit diesen Worten überließ er den Mann seinem Nachdenken und seiner harten Arbeit. An den zwei ersten Tagen machte die Arbeit nur geringe Fortschritte; als am dritten das Loch ungefähr sechs Ellen tief war, stieß er auf ein ehernes Gefäß, darin lagen eine Menge runde weiße Stein, die ungemein lieblich und schön glänzten. Er suchte einen mit den Zähnen zu zerbrechen, aber es gelang ihm nicht. „Wohl,“ sagte er, das sind Reiskörner, die dem Gutsherrn gehört haben und in Steine verwandelt worden sind; ich will sie nach Haus nehmen; sie sind gar zu niedlich; – jetzt besinn ich mich, daß ich einige ganz ähnliche in Mesched feil sah.“ – „Was kann das seyn?“ sagte er, als er einen neuen Topf aus der Erde hervorzog. „Oho! das müssen Weizenkörner seyn, denn sie sind dunkler – aber sie sind recht schön; und hier – diese schimmernden Glasstücke sind noch schmucker, als Alles; ich will probiren, ob es Glas ist,“ und er legte eines zwischen zwei Steine, konnte es jedoch nicht zerbrechen.

Vergnügt über seinen Fund, grub er Alles sorgfältig aus, was er finden konnte, steckte es in einen Sack und verbarg es vor seinem Weib. Sein Plan war, von seinem Herrn einen Tag Urlaub zu erhalten und wieder nach Mesched zu gehen, wo er aus den artigen bunten Steinen so viel Geld zu lösen hoffte, um das seidene Kleid, das Pferd, den Säbel, die Pantoffeln und das Halstuch zu bezahlen. Er dachte mit Lust an die Ueberraschung seiner Lieben, wenn er nun zu Pferd heimkäme und ihnen die schönen Sachen zeigte. Er vergaß übrigens das Fünftheil, das dem Imam Mehdi gebührte, keineswegs in seinem Traum.

Nach einigen Wochen harter Arbeit fand sich das Wasser. Der Reis, der in guter Laune war, bewilligte den Urlaub. Abdolla brach vor Tag auf, daß Niemand den Sack sähe, den er trug. In der Nähe der Stadt angekommen, verbarg er ihn auf einem Baum, nachdem er erst etliche Handvoll Steine herausgenommen hatte, um zu versuchen, was sich damit erhandeln lasse. Er ging an eine Bude, wo er einige Steine sah, die den seinigen glichen. Er fragte den Mann, ob er mehr dergleichen möchte? „Allerdings,“ sagte der Juwelier, „hast du einen zu verkaufen?“ „Einen! – Ich habe eine Menge.“ „Eine Menge?“ versetzte der Mann. „Ja einen Sack voll.“ „Wahrscheinlich lauter Kiesel; zeig her!“ „Hier,“ sagte Abdolla, indem er eine ganze Handvoll heraus nahm und dem erstaunten Juwelier hinhielt. „Willst Du einige Augenblicke warten, ehrlicher Mann,“ sagte er mit bebender Stimme; „ich bin im Augenblick wieder da.“ Mit diesen Worten verließ er seine Bude und in einigen Minuten erschien er, aber nicht allein, sondern mit dem Oberbeamten.

„Hier ist der Mann,“ sagte er; „er hat den längst verlorenen Schatz Khusrus gefunden; seine Taschen sind mit Diamanten, Rubinen, Perlen, kostbarer und schöner, als sie irgend wo existiren, angefüllt; er sagt, er habe so einen Sack voll.“ Abdolla wurde mit den Juwelen, die er bei sich trug, und mit dem Sack, den man von dem Baum holte, vor den Statthalter gebracht, und aufs Strengste ausgeforscht. Er erzählte seine ganze Geschichte von den zehn Piastern an, die ihm der Reis schenkte, bis zu dem Plan, den er mit den niedlichen Steinen vorhatte. Aber obgleich seine Erzählung nicht nur an sich schon durch ihre Klarheit und Einfachheit den Stempel der Wahrheit an sich trug, sondern noch überdieß seine Frau und seine Kinder sie bestätigten, so wurde ihm doch wenige Tage nachher angekündigt, daß er mit seiner ganzen Familie nach Isfahan abgeschickt werden sollte. Denn gleich bei der Entdeckung des Schatzes hatte man die Minister des großen Abbas davon benachrichtigt.

Während dieser Vorfälle in Mesched begaben sich außerordentliche Dinge in Isfahan. Schah Abbas, der Große, hatte einen Traum; der heilige Imam Mehdi erschien ihm in einem grünen Gewande, der Heilige sah den Monarchen ernst an und sprach: „Abbas schütze meinen Freund.“ Der König war über das Gesicht sehr betroffen [788] und ließ alle Sterndeuter und Weisen zusammen rufen, daß sie es ihm deuteten; aber sie konnten dieß nicht. In den beiden folgenden Nächten wiederholte sich die Erscheinung und er hörte dieselben Worte. Der Monarch verlor alle seine Heiterkeit und bedrohte das Haupt der Sterndeuter und die andern Sterndeuter mit dem Tod, wenn sie ihm nicht vor dem Abend desselben Tags die Angst von seiner Seele nähmen. Mitten unter den Vorbereitungen zu ihrer Hinrichtung langten Eilboten aus Mesched an, und der Weßir eilte mit den Briefen zum König: „Möge in die Seele der Zuflucht der Welt die Ruhe kehren: der Traum unsers Monarchen ist ausgelegt. Abdolla von Khorassan, ein unwissender und armer, aber frommer und mildthätiger Mann, den die Vorsehung zum Werkzeug der Entdeckung der Schätze Khusrus erkor, ist der angedeutete Freund des heiligen Imam Mehdi, der ihn der Gnade des Königs der Könige empfiehlt.“

Schah Abbas, war voll Freude über die Nachricht, die man aus Mesched schrieb, sein Geist lebte wieder auf, und er gab Befehl allen seinen Edeln und seinem ganzen Heere, mit ihm zu ziehen eine Tagreise von Isfahan, um den Freund des heiligen Imam zu begrüßen. Als dem König angesagt wurde, daß der Zug von Mesched anrücke, so ging er aus seinem Zelte demselben einige Schritte entgegen. Zuerst erschienen hundert Reiter; darauf Abdolla, mit gebundenen Armen auf einem Kameel; hinter ihm auf zwei anderen Kameelen, seine Frau mit ihren Kindern. Auf die Gefangenen folgten die Schätze; hundert Reiter deckten die Seiten und zwei hundert schlossen den Zug. Schah Abbas ließ die Kameele, welche Abdolla und seine Familie trugen, niederknien und half mit seinen königlichen Händen die Bande des guten Mannes zerschneiden, während die Andern sein Weib und seine Kinder losbanden. Eines von des Königs eigenen Gewändern wurde Abdolla angezogen und der Monarch stellte ihm einen Sitz neben seinen Thron; aber ehe Abdolla sich niedersetzte, richtete er folgende Anrede an Seine Majestät: „O König der Welt, ich bin ein armer Mann, aber ich war zufrieden mit meinem Loos und glücklich in meiner Familie, bis ich den Reichthum kennen lernte. Von diesem Tag an, war mein Leben eine Folge von Leiden; Thorheit und Ehrgeiz unterhielten Wünsche in mir, die außer meiner Sphäre lagen, und ich habe über die, so ich liebte, Jammer und Ungemach gebracht. Nun da mein Tod nahe ist, und es Eurer Majestät gefällt, Eurem Sklaven im Scherz noch eine Ehre zu erweisen, so fühle ich mich glücklich, wenn Eure königliche Huld das Leben meines Weibes und meiner Kinder schont. Laß sie in Frieden und Unschuld in ihr Thal zurückkehren und verfahre mit mir nach deinem königlichen Wohlgefallen.“

Diese Worte hatte Abdolla gesprochen, da übermannten ihn seine Gefühle und er brach in Thränen aus. Abbas selbst war sehr gerührt. „Guter Mann,“ sagte er, „ich will dich ehren, nicht tödten. Dein demüthiges und aufrichtiges Gebet und deine milden Gaben auf dem Schrein des heiligen Mehdi haben Wohlgefallen bei ihm gefunden. Er befiehlt mir, dir Gutes zu erweisen. Du sollst einige Tage in meiner Hauptstadt zu bringen, dich von deinen überstandenen Mühseligkeiten erholen und als Statthalter in die Provinz zurück kehren, wo du Gefangener warst. Ein weiser Minister, der die Formen des Dienstes kennt, begleitet dich; ich finde jedoch in deiner Frömmigkeit und Rechtschaffenheit alle Eigenschaften, die dich zu dem Amte des Herrschens über Andere geschickt machen. Die gute Frau Ziba hat bereits das ängstlich erwartete seidene Kleid empfangen und es soll meine Sorge seyn, fuhr der gnädige Monarch lächelnd fort, daß Jusuf sein Pferd und seinen Säbel, und die kleine Fatima ihr Halstuch und ihre Goldschuhe empfängt.“

Die Weise und die Rede des Königs entfernte alle Besorgnisse Abdolla’s und erfüllte sein Herz mit grenzenloser Freude. Er wurde zum Statthalter von Khorassan ernannt, wo er den Ruhm der Menschlichkeit und Gerechtigkeit erwarb. Er verschönerte und bereicherte den Schrein des heiligen Imam. Jusuf wurde ein Günstling des Monarchen und zeichnete sich als geschickter Reiter und tapferer Krieger aus. Fatima heirathete einen der Fürsten des Landes und die gute Ziba hatte die Freude, ihr Lebenlang die einzige Herrin im Hause zu seyn, und das ungetheilte Herz ihres Gatten zu besitzen, welcher in seinem Palaste fortfuhr, die zu lieben, deren Liebe das Glück seiner Hütte gewesen war.

[802]
Eine Schlacht, aus Ferdusi. Rustem, der persische Herkules.

Die Kunst des Erzählens, worin Derwisch Seffer glänzte, war ehedem sehr verbreitet. Noch unter der Regierung des letztverstorbenen Königs, Aga Mahommed, und unter dem persönlichen Schutze dieses Monarchen, blühte in Persien eine Art von Minstrels, welche nicht nur im häuslichen Kreise zur Unterhaltung ihre Mährchen und Geschichten vortrugen, sondern auch zur Ermunterung der Tapferkeit vor dem Beginn und während der Schlacht ihre Recitative intonirten und ihre Lieder sangen. Wie bei den Griechen Homer, so war Ferdusi bei den Persern die unerschöpfliche Quelle poetischer Vergnügungen.

Unter dem Gefolge der Gesandtschaft befand sich ein alter Mann, Namens Dschusi Beg, dessen Dienste wir zuweilen benützten, um uns die langen Nachtmärsche auf der Reise nach dem königlichen Hoflager zu verkürzen. Er gehörte, wie wir von ihm erfuhren, dem Zendstamme an, und als seine Fürsten noch den Thron Persiens einnahmen, erging es ihm nicht schlecht. „Murad Ali Khan und Lutf Ali Khan,“ sagte er, „haben meine Stimme vernommen, wenn ich sie anstrengte, den Muth ihrer Krieger zu beseelen; aber diese Tage sind vorüber: ein türkisches Geschlecht trägt die Krone von Iran; gleich den Uebrigen meines Stammes befinde ich mich jetzt in Armuth und Dunkelheit; einst ergötzten meine Sagen das Ohr der Könige, jetzt hören sie nur noch Leute von meinem niedern Stande.“

Dieser Eingang machte uns um so mehr Vergnügen, als wir dadurch lebhaft an die Worte unsers nordischen Minstrels erinnert wurden;

No longer courted and caressed,
High placed in hall, a welcome guest,
He poured, to lord and lady gay,
The unpremeditated lay.
Old times are past, old manners gone,
A stranger filled the Stuarts throne.
A wandering harper, scorned and poor,
He begged his bread from door to door,
And tuned, to please a peasant’s ear,
The harp a King had love to hear.
[12]

„Vor einem Mann von so großer Wissenschaft, wie [803] der Eltschi,“ begann Dschusi Beg, „und vor Männern von so erleuchtetem Verstand, wie die, welche ihn umgeben, wäre es eigentlich nicht nöthig, zu bemerken, daß Siyawesch, der Sohn des Ky-Kaus, Königs von Persien, in die Tatarey floh, wo ihn Afrasiab, der König dieses Landes, an seinen Hof aufnahm und ihm seine Tochter, die schöne Feringisch zur Ehe gab, ihn aber nach einiger Zeit tödtete. Die Wittwe des unglücklichen Prinzen blieb nun mit ihrem kleinen Sohne, dem nachmals so berühmten Ky-Khusru [13], den Verfolgungen ihres grausamen Vaters so lange Preis gegeben, bis darüber ein Rachekrieg zwischen beiden benachbarten Völkern ausbrach. Doch Ihr sollt jetzt hören, wie sie gegen einander zogen in die Schlacht – Die Perser unter ihrem Helden Rustem, die Türken unter ihrem Könige Afrasiab.

„„Noch horchten die Krieger, vor Ungeduld schlugen die kampfmuthigen Herzen: da schmetterten ferne die Trompeten, da erklang ein dumpfes Getöse von Pauken, Cymbeln, Clarinen, indischen und chinesischen Pfeifen; da kam es immer näher und näher, und das Feldgeschrei erhob sich zum Himmel, und die Erde erdröhnte unter dem Hufschlag der wiehernden Rosse. Sie sagten Rustem, dem Rächer, der Feind rücke heran mit einem starken Heer, das über die Ebene ziehe wie eine stolze Flotte über die See, zahllos wie die Ameisen und wie die Heuschrecken, und so weit das Auge reiche, Berge, Fluren und Wälder überdeckend. Als Rustem sahe, daß der König von Turan [14]nahe war, stellte er sich in den Mittelpunkt seiner Macht; Zewareh, seinem Bruder, übergab er das Hintertreffen; seinem Sohne Feramerz das Vordertreffen; Tus mit seiner Schaar besetzte den rechten Flügel. Sie waren ihrer Viel an Zahl, aber Alle waren Ein Herz. Feribus, der Sohn des Königs Ky-Kaus, stand auf dem linken Flügel, um ihn ein Geschlecht kühner Männer; Guders mit seinen Verwandten, lauter freien Helden, deckte den Rücken. Ein Berg von Säbeln und Lanzen erhob sich, als jetzt Gaweh’s [15]Standarte aufgepflanzt wurde.

„Aus den Reihen der Krieger Turan’s stürzte Pilsem hervor: sein Herz war voll bitterer Galle und seine Stirn voll tiefer Runzeln. „Wo ist Rustem?“ rief er den Helden von Iran zu. „Man sagt mir, er sey ein Drache am Tage der Schlacht.“ In diesem Augenblick vernahm man einen Schrei, daß die Erde zitterte. Es war Rustem’s Stimme. Er sprach zu seiner Schaar: „Rührt euch nicht von der Stelle, worauf ihr steht. Ich gehe, diesen Pilsem zum Schweigen zu bringen.“ Schäumend vor Zorn spregte Rustem vor die Schlachtlinie; er legte seine starke Lanze ein, schwang seinen Schild über sein Haupt und rief aus: „Pilsem, du gepriesener Krieger, hast du mich herausgefordert, daß du mich möchtest vernichten mit der Kraft deines Athems?“ Mit diesen Worten stieß er Pilsem die Lanze durch den Leib und hob ihn auf ihrer Spitze aus dem Sattel, wie einen leichten Ball. Und er trug seine Last weiter, bis vor die Schlachtlinie von Turan: hier warf er sie von der Spitze seiner Lanze zu ihren Füßen und sprach: „Hüllt nun den Körper eures Freundes in ein blasses Tuch, der Staub hat ihn schwarz gemacht.“ Wie jauchzten jetzt die Stämme der Helden, wie fielen die Schläge der Keulen, wie schmetterten die Trompeten und erklangen die Pauken meilenweit auf dem Rücken der Elephanten! Jeder Sumpf ward ein See von Blut, die Ebene glich einem Berg von Erschlagenen. Viel waren der Stolzen, die ihr Haupt senkten an diesem Tage. Der Himmel schien Blut zu dürsten, und die Brust des Vaters kannte keine Schonung gegen den Sohn; aber die Köpfe der Todten schienen zu jammern um einander. Der dunkle Flug der adlerbefiederten Pfeile drückte die Luft aus den Räumen, die ihr gebührten. Die Säbel und Speere glänzten durch die dicken Staubwolken wie der gezackte Blitz, der durch die düstre Nacht des Firmaments bricht. Der König von Turan sprach: „Unser gutes Glück wacht nicht mehr, sondern schläft.“ Sie verließen das Schlachtfeld, bedeckt mit Eisen, Silber und Gold, mit Helmen, Lanzen und Schilden. An diesem Tage ward der Aermste im Heere von Iran ein reicher Mann von der Menge der Juwelen und Kostbarkeiten.““

In der Nähe von Persepolis erneute sich uns Rustem’s Andenken, als wir die Bildnereien sahen, die seinen Namen [16] führen. Aus der Aehnlichkeit zu schließen, welche diese Figuren mit denen der Saßanidischen Münzen haben, kann man nicht zweifeln, daß sie den Ruhm der ersten Fürsten aus der Familie Rustem’s zu verewigen bestimmt waren. Als ich jedoch am folgenden Tag meinen persischen Freunden diese Vermuthung äußerte, so fand ich, daß sie mich als einen neidischen Franken betrachteten, der ihrem Helden, an dessen Namen in Persien alle Wunder der Tapferkeit und Größe sich anknüpfen, Abbruch thun wollte. Um meinen Irrthum wieder gut zu machen, hielt ich eine Lobrede auf Rustem. Wir besitzen, sagte ich, eine Nachricht von einem berühmten griechischen Helden, der Herkules hieß; manche von unseren Gelehrten haben ihn mit eurem Rustem verwechselt – allein nach meiner Meinung ist dieser Herkules nicht werth, eurem Helden die Pantoffel zu tragen.

Die Griechen erzählen von der Keule des Herkules: was soll aber diese Keule von Holz, wenn man sie mit der Ochsenkopfkeule Rustem’s vergleicht, womit dieser ganze Heere zu Boden schlug? Herkules erwürgte, als er noch ein Kind war, ein paar Schlangen: Rustem zerschmetterte in diesem Alter einem wüthenden Elephanten die Hirnschale. Herkules trug eine Löwenhaut; Rustem’s Gewand war aus den Häuten mehrerer Löwen zusammen gesetzt. Beide Helden besassen übernatürliche Kraft, aber Rustem bedurfte deren nicht einmal; denn seine natürliche Stärke war gleich der von hundert und zwanzig Elephanten, und unter fünfzig tausend Pferden fand sich nur eines, der herrliche [804] Reksch, der die Schwere seines Körpers tragen konnte! Herkules, erzählen die Griechen, verrichtete zwölf Thaten – aber was sind diese gegen „die sieben Stufen“ Rustem’s? Ueberdieß frägt sich, ob Herkules reiten konnte; wenigstens hatte er kein Pferd von einigem Ruf; während Reksch alle Pferde, so wie sein Reiter alle Männer der Erde übertraf.

[810]
Der Hof von Teheran.

Als wir uns in vollem Staate – aber nicht wie man dem Gesandten zugemuthet hatte, in der Tracht des Sir Anthony Shirley, des Repräsentanten der Königin Elisabeth, von welchem die persischen Minister eine Abbildung zum Vorschein brachten – unter Pauken und Trompeten dem königlichen Palaste näherten, zogen wir an einer Menge Menschen zu Fuß und zu Pferd vorbei, welche Spaliere bildeten. Ueberall herrschte die größte Stille, europäische Ordnung und asiatischer Ernst. Aber erst, nachdem wir die hohe Mauer zurückgelegt hatten, welche die Residenz umschließt, und in den Garten gelangten, dessen Vorderseite der Audienzsaal, ein reich verziertes und weitläufiges Gebäude, einnimmt, konnten wir uns von der Herrlichkeit des persischen Hofes einiger Maßen einen Begriff machen.

Mitten durch den Garten fließt ein Kanal, längs seinen beiden Ufern laufen schöne Alleen und zahlreiche Fontänen beziehen aus ihm ihr Wasser. Zwischen den Bäumen und dem Wall war eine Reihe von Soldaten mit Luntenschlössern aufgestellt und den Weg vom Thor bis in den Saal hielten die Prinzen, Hof- und Staatsbeamten besetzt, nach ihrem Rang, von dem Offizier der Leibwache, der am Eingang, bis zu dem Erben des Throns, Abbas Mirza, der zur rechten Seite seiner Brüder, einige Schritte vom Throne stand.

Unter dieser ganzen Versammlung persischer Herren befand sich keiner, der nicht einen Säbel mit goldenem Griff an der Seite und zwei Kaschemir-Shawls, einen als Turban und einen andern als Gürtel, trug. Mehrere [811] von ihnen waren sehr prachtvoll gekleidet, doch der König verdunkelte sie alle.

Er war ein schöner Mann, damals im mittlern Alter, jetzt mag er ein Sechsziger seyn – mit regelmäßigen und feinen Zügen und einem sehr gescheidten Ausdruck im Gesicht. Sein schwarzer glänzender Bart, der sich in reicher Fülle bis auf die Brust herab senkte, zog am Meisten unsre Aufmerksamkeit auf sich. Der Grundstoff seines Kleides war weiß; aber es war so mit Brillanten überdeckt, und der Glanz, der von seinem Throne, wie die Strahlen von der Sonne, ausgeströmt wurde, war so blendend, daß Niemand die einzelnen Theile zu unterscheiden vermochte, deren Ganzes einen solchen Zauber über seine Gestalt verbreitete.

Zwei Ceremonienmeister mit goldenen Stäben eröffneten den Zug; im Angesicht des Throns angelangt, machten sie zweimal Halt und verbeugten sich tief und zu gleicher Zeit nahm der Gesandte seinen Hut ab. Hierauf meldete der Minister der Bittschriften den Gesandten und der König sprach: „Er ist willkommen.“ In zehn Minuten war die ganze Ceremonie vorbei. Um Fragen, wie sich der König von England, wie sich der Generalgouverneur von Indien befinde, ob der Gesandte während der Reise durch die Staaten Sr. M. gut behandelt worden sey etc. drehte sich Alles. Später traten jedoch mehrere Fälle ein, wo der Schah den formellen Ton verließ und sich über verschiedene Gegenstände von uns Aufschluß erbat. „Ich habe gehört,“ sagte er zu dem Eltschi, „kann es aber nicht glauben, daß euer König nur Ein Weib haben soll.“ „Christliche Fürsten können nicht mehr haben,“ erwiederte dieser. „O ich weiß das,“ meinte der König, „er hat aber gewiß noch so ein kleines Dämchen.“ Als man jedoch bestimmt versicherte, daß S. M. von Großbritannien ein Muster von Tugend und Frömmigkeit in dieser wie in jeder Hinsicht sey, so lachte S. M. von Persien und sagte: „Das mag recht schön seyn, aber ich möchte nicht mit einem solchen König tauschen.“ – Es war die Rede von der englischen Regierungsform. Der Eltschi erklärte sie ihm, so gut er konnte. Als er von der Freiheit der Unterthanen sprach, wußte der König nicht, was das seyn solle; als er aber auseinander setzte, daß kein Mann in England so hoch stehe, der Etwas gegen die Gesetze vermöge, oder so nieder, der nach den Gesetzen nicht Alles vermöge, so sagte S. M. nach einigem Besinnen: „Jetzt verstehe ich, was ihr gesagt habt. – Ich sehe, euer König ist nur die erste Obrigkeit [17] eures Landes. Eine solche Lage,“ setzte er lächelnd hinzu, „gewährt Sicherheit, aber keinen Genuß. Ihr seht hier Suleiman Khan Khadschir und mehrere der Häupter meines Reichs – ich kann ihnen allen die Köpfe abschlagen. Kann ich nicht?“ sagte er, indem er sich an diese Herren selbst wandte.“ „Allerdings, o König der Welt [18], wenn es dir gut dünkt.“ – „Das ist wirkliche Macht – aber freilich ist sie nicht so sicher. Wenn ich abgetreten bin, so werden meine Söhne um die Krone fechten, und Alles wird in Verwirrung gerathen, aber das ist mein Trost, daß Persien von einem Soldaten regiert seyn will.“

Der König besitzt feine Manieren und überhaupt mancherlei Vorzüge. Er ist unter Anderem Dichter und hat ein Buch Oden geschrieben, von welchem die Kritiker Persiens mit Entzücken sprechen. Er ist sehr geregelt in der Erfüllung seiner Pflichten gegen den Staat; und König von Persien seyn ist keine Sinecure. Jeden Tag hat er zweimal Audienz zu geben: einmal öffentlich, wo er die Huldigungen seiner Söhne, seiner Minister, seiner Beamten und seines Adels empfängt, auch Fremde sich vorstellen läßt; ein andermal, wo nur Minister und Günstlinge vorgelassen und Geschäfte verhandelt werden. In seinen Mußestunden hält er sich für den Zwang, den ihm die Etikette in seinen öffentlichen Funktionen auflegt, schadlos: er widmet einige Zeit dem Umgang mit Gelehrten, Dichtern und Erzählern; aber auch Possen [19]werden als Unterhaltungsmittel nicht verschmäht; wobei einige Lieblingsdiener zu großer Vertraulichkeit berechtigt sind. Man erzählte uns als einen gewöhnlichen Scherz S. M., wenn Sie gerade in ihrer besten Laune sey und die tollsten Sprünge mache, daß Sie plötzlich rufe: „Der Hadschi! der Hadschi!“ als ob der Minister käme, worauf dann Alle nach ihren Plätzen eilten und die ernsthafteste Miene annähmen, bis das Lachen des gnädigen Monarchen ihnen verkündigte, daß Alles nur Spaß gewesen sey. Eine andere Unterhaltung ist die Jagd: der König ist ein trefflicher Reiter und ein guter Schütze.

Gleich allen guten Muselmännern steht der König früh auf, da das erste Gebet mit dem Anbruch des Tages verrichtet werden muß; zu seiner Toilette hat er weibliche Bedienung. Hat er sich angekleidet, so hält er sein Lever, bei welchem sich mehr als dreihundert Damen einfinden: jede von ihnen steht nach dem Grad ihres Ranges oder der Gunst, die sie genießt, näher oder entfernter vom Thron. Nur zwei von ihnen haben das Vorrecht, sich niederzusetzen, die Mutter des Thronerben und die Tochter Ibrahims, Khans von Schischa. Es giebt drei Ministerinnen des Harems, eine für die Gesuche, eine zweite für die Ceremonien, eine dritte für die gute Ordnung. Der Einfluß mehrerer Damen ist sehr groß. So sind z. B. die Prinzen, die der Schah in entfernten Provinzen als seine Statthalter anstellt, von ihren Müttern begleitet, und diese suchen die Macht, die sie einst ihren Reizen verdankten, nun durch Intriguen zu erhalten. Der König darf nach dem Gesetz bloß vier Gemahlinnen haben: diese wählt er denn rein nach Gründen der Politik. Sie leben auf einem ganz andern Fuß, als die übrigen Damen des Serails: jede hat ihre besondern Zimmer, man behandelt sie mit größter Achtung und Aufmerksamkeit, aber wie manche [812] würde ihren Rang als Königin an die geliebte Sklavin abtreten, wenn diese ihr vielleicht die Neigung ihres Gemahls geben könnte.

Um acht Uhr verläßt der König seine innern Gemächer, und bringt eine oder zwei Stunden vor dem Frühstück in der Gesellschaft seiner Günstlinge zu.

Beim Frühstück, das S. M. um 10 Uhr einnimmt, herrscht die größte Pracht: alle Schüsseln sind von lauterem Gold. Die Speisen werden in verschlossenen Capseln aufgetragen, worauf der Obersthofmeister sein Siegel gedrückt hat. Während diese Vorsichtsmaßregel gegen Giftmischerei Statt findet, steht der Leibarzt neben der Tafel, um Sorge zu tragen, daß der königliche Appetit sich nicht einem Uebermaß überlasse, welches der Gesundheit schädlich werden könnte. Niemand speist mit dem König; doch hat er in der Regel einen oder zwei seiner kleinsten Söhne bei sich, denen er die besten Bissen giebt; ja zuweilen sendet er auch den andern als ein großes Merkmal seiner Gunst Speisen aus seiner Küche.



  1. Sketches of Persia from the Journal of a traveller in the East. II Vols. London 1828.
  2. Der Toman, eine Goldmünze nahezu im Werth von 1 Pf. Sterl.
  3. Vergleiche Ausl. S. 445.
  4. Hauptsächlich wegen des schwarzen Rebhuhns (Derradsch), das an den Ufern des Tigris so wie in Indien unter höhern Breiten sehr gewöhnlich ist.
  5. Strophen, aus berühmten Dichtern entlehnt, dürfen bei Compositionen dieser Art nicht fehlen.
  6. Oberrichter und Oberpriester.
  7. Vergl. Malcolm’s history of Persia Vol. II, p. 405.
  8. Die Schöne.
  9. Der Gutsherr.
  10. Parasangen, eine = 4 engl. Meilen
  11. Von dem, was man nothwendig braucht, verlangt das Gesetz nur einen kleinen Abzug für die Armen; von überflüssigem Reichthum den fünften Theil. Abdolla war seiner Meinung nach in dem letztern Fall.
  12. Walter Scott’s Lay of the last Minstrel.
  13. Der Cyrus der Griechen.
  14. Die Tatarey oder Turkomannien.
  15. Gaweh war ein Hufschmid, der den wilden Tyrannen Zohak vom Thron stürzte. Als er zu diesem Zwecke ein Heer sammelte, diente sein Schurzfell als Standarte. Bis auf die Eroberung des Reichs durch die Mahommedaner blieb ein mit Brillanten besetztes Schurzfell persische Nationalfahne.
  16. Rekscha-i-Rustem.
  17. Ket-khuda-i-avvel
  18. Kibla-i-elim; der Punkt, nach welchem sich die Welt beim Gebet richtet – die gewöhnliche Anrede des Persers an den Schah.
  19. Für seinen Harem hält der Schah ganze Banden von Sängern, Tänzern und Mimikern.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Häfen