RE:Demiurgoi 3

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Zur Bezeichnung gewisser Magistrate
Band IV,2 (1901) S. 2858 (IA)–2862 (IA)
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3) Der Etymologie entsprechend erhielt der Name der D. eine Sinneserweiterung, indem er zur Bezeichnung gewisser Magistrate als ‚öffentlicher Arbeiter‘ diente. Vor allem sollen sie in dorischen Staaten existiert haben (Hesych. παρὰ τοῖς Δωριεῦσιν οἱ ἄρχοντες τὰ δημόσια πράττοντες, ὥσπερ Ἀθήνησιν οἱ δήμαρχοι), natürlich in der Namensform δαμιωργοί oder δαμιοργοί (es muss übrigens bemerkt werden, dass nur die Form δαμιοργός, in späteren Zeiten δαμιουργός und auf Nisyros δαμιεργός für die nicht-ionischen Staaten sicher steht: δαμιωργός beruht nur auf möglicherweise falscher Transscription archaischer Inschriften; eine Erklärung dieser unregelmässigen Compositum hat Meister .Griech. Dial. II 41 versucht, dagegen aber Hoffmann Griech. Dial. I [2859] 151 Einspruch erhoben). Ob unter diesem Namen stets und überall Beamte derselben Art gemeint sind, erscheint mehr als zweifelhaft, obgleich sich ihre Functionen nur in seltenen Fällen feststellen lassen; die hesychische Gleichstellung mit den athenischen Demarchen lässt sich allenfalls für Elis aufrecht erhalten, in den meisten andern Staaten scheinen die D. eine der höchsten, wenn nicht die erste Stelle unter den Beamten eingenommen zu haben und sind häufig Eponyme. Am .zweckmässigsten erscheint es, die Städte, in denen sie vorkamen, in alphabetischer Reihenfolge, mit der Peloponnesos beginnend, aufzuzählen und daran etwaige Bemerkungen anzuknüpfen. I. Peloponnesos. 1. Achaia: Aigion (CIG 1567 = Cauer Del.² 232: eponymer Beamter) und Dyme (CIG 1543 = Dittenberger Syll.² 316; mehr als einer, scheinen aber keine höheren, sondern nur mit dem Urkundenwesen betraute Beamte gewesen zu sein, so dass sie vielleicht an die Stelle der früheren δαμοσιοφύλακες getreten sind, möglicherweise wären sie aber unter den ebenda erwähnten ἄρχοντες zu suchen, jedenfalls gehören diese Inschriften in römische Zeit). 2. Argolis: Argos (Etym. M.; nur einer wird genannt CIG 2 = IGA 30, aber es wird wohl, wie in den anderen argolischen Städten, ein Collegium gewesen sein mit einem ἀρητεύων an der Spitze. Thukydides V 47 kennt diese hohen Beamten nicht, aber die Verfassung von Argos wechselte häufig .– es wird das Beispiel der achaeischen und arkadischen Städte eingewirkt haben, obgleich für das relative Alter dieser Institution das Vorkommen derselben in den argivischen Colonien und die Erwähnung in oben angeführter Inschrift zeugt). Epidauros (uned. Inschr.). Hermione (CIG 1193 = Dittenberger Syll.² 654: ein Collegium mit einem Vorsteher an der Spitze, das mit Aufschreibung eines Volksbeschlusses betraut wird). Mykenai (Ἐφ. ἀρχ. 1887, 156. 4 158 = Collitz .Dial.-Inschr. 3315–3316 aus Anfang 2. Jhdts.): ein Beamtencollegium mit einem ἀρητεύων (so ist zu lesen nach der alten Form ἀϝρητεύων, Amer. Journ. of Arch. XI 43, nicht ἀριστεύων nach Ἐφ. ἀρχ. a. a. O.) an der Spitze, worin sich wohl der Einfluss von Argos zeigt, zu dem in dieser Zeit Mykenai im Verhältnis einer Kome stand). Trozen (14 D., die zugleich Prytanen waren – τοὶ αὐτοὶ δ. καὶ πρυτάνιες – namentlich aufgezählt Bull. hell. XVII 94). 3. Arkadien: Mantineia (höchstes Beamtencollegium, Thukyd. V 47). Megalopolis (Olympia V 46 z. 32). Stymphalos (Bull. hell. VII 490f.). Tegea (Bull. hell. XIII 281f.: erscheinen als höchste Magistrate). 4. Elis. Hier scheinen die D. (δαμιοργοί, ζαμιοργοί wirklich den athenischen Demarchen entsprechend als Vorsteher einzelner Gaue fungiert zu haben (Olympia V 17). wobei sie in die unterworfenen Gemeinden von Triphylien und Pisa von Staatswegen gesandt wurden (zwei καταστάτω. die die Functionen von D. ausüben in Skillus, ebd. 16); dabei bildeten sie aber auch ein Collegium (ζαμιοργία, δαμιοργία, ebd. 2–4, 16) oder Rat, welcher vielleicht identisch war mit dem Rat der Neunzig, der die Leitung des Staates besass (Aristot. polit. VIII [V] 1306 a 18. verglichen mit Thukyd. V 47, wo die D. an der Spitze stehen neben den τὰ τέλη ἔχουσι. so G. Gilbert .Griech. [2860] Staatsalt. II 101, 1). Dass die D. eine bevorrechtete Classe bildeten (wie die Neunzig bei Aristot. a. a. O.), hat A. Kirchhoff (Arch. Ztg. 1877, 197) richtig daraus geschlossen, dass ein gewisser Deukalion von den Chaladriern zum Ϝισοδαμιοργός ernannt, also in den Stand der D. erhoben oder ihrer Privilegien teilhaftig wird (Olympia V 11). Zweifelhaft kann nur erscheinen, wie sich die beiden Functionen (Gauvorsteher und Ratsmitglied) vereinigen liessen, und ob Elis wirklich eine so grosse Zahl von Gemeinden enthielt, endlich in welchem Verhältnis die D. zu den βασιλᾶες standen, neben denen und einem Hellanodiken, also sicher vor 580 (Paus. V 9, 4), wahrscheinlich noch vor dem 7. Jhdt. sie in einer Urkunde (Olympia V 2) erscheinen. Jedenfalls war das Amt noch im 2., vielleicht sogar 3. Jhdt. n. Chr. vorhanden (ebd. V 468). 5. Messenien: Andania (Lebas-Foucart II 326a = Dittenberger Syll.² 653, 116) – hier lag es ihnen ob, die Volksversammlungen zu berufen und zu leiten, ob aber anzunehmen ist mit Sauppe (Mysterieninschr. von And. z. St. = Ausgew. Schrift. 2861), dass sie monatlichem Amtswechsel unterlagen und in ihren Befugnissen den athenischen Prytanen entsprochen haben, erscheint sehr zweifelhaft gegenüber den Ausführungen Foucarts (a. a. O. 194) und Dittenbergers (a. a. O.), noch weniger dürfte diese Deutung verallgemeinert und auf die D. in andern Staaten übertragen werden. Messene – hier erscheint ein Collegium von D. mit einem προστάτας an der Spitze um die Wende des 4.–3. Jhdts. (nach sicherer Ergänzung A. Wilhelms Athen. Mitt. XVI 346). – II. Mittel- und Nordhellas. 1. Delphoi. Collegium von D. mit προστάτας (Bull. hell. XVII 357 nr. 32), daneben auch ein einzelner mit Urkundenaufzeichnung betrauter genannt (ebd. XVIII 77 nr. 4). 2. Lokris: Chaleion und Oiantheia (IGA 322–323 = IGS III 333. 335: scheinen das höchste Beamtencollegium gebildet zu haben und mit dem Gerichtswesen betraut gewesen zu sein). 3. Megaris: Aigosthenai (IGS 1 223: mit Aufstellung einer Urkunde betraut). Megara (IGS I 41: fünf δαμιοργοί mit ihrem γραμματεύς scheinen die höchste Behörde gebildet zu haben). In beiden Städten gehört die Erwähnung der D. in die Zeit des Anschlusses an den achaeischen Bund und ist auf Assimilation an seine Einrichtungen zurückzuführen. 4. Phokis: Steiris und Medeon (IGS III 32 = Dittenberger Syll.² 426: die D. scheinen hier eher sacrale Beamte gewesen zu sein, da sie zwischen den profanen und den Priestern in der Mitte stehen und der Ausdruck δαμιουργεόντων vorkommt). 5. Thessalien: Larissa (Aristot. pol. III 1275 b 29) und wohl auch andere Städte (Etym. M. s. v.). In ersterer waren es Beamte mit grosser Machtbefugnis, so dass sie Neubürger aufnehmen konnten (Aristot. a. a. O.). – III. Inseln des aegaeischen Meeres: 1. Astypalaia (Bull. hell. VIII 26 B = IGIns. III 168). 2. Knidos: höchste und eponyme Magistratur, CIG 2653 = Collitz 3509. Bull. hell. VII 62. Inscr. of Brit. Mus. IV nr. DCCCXVI (= Collitz 3526). DCCCXVII; wie es scheint, war es ein Collegium, aus dem stets einer abwechselnd den Vorsitz und die Amtsgewalt hatte: ὁ ἐν ἀρχᾷ δαμιουργός wird erwähnt (Inscr. of Br. Mus. IV [2861] nr. DCCLXXXIX), und das Collegium besass ein gemeinsames Verwaltungslocal, wo es selbst speiste und auch durch Volksbeschluss geehrten Männern die σίτησις ἐν δαμιοργίῳ (= σίτησις ἐν πρυτανείῳ zu Athen) verliehen wurde (ebd. nr. DCCLXXXVII = Collitz 3502. Bull. hell. VII 485 = Collitz 3501); auch auf den knidischen Henkelinschriften erscheint meistens zur Datierung der Name des D., bisweilen mit ausdrücklichem Zusatz ἐπι δημιοργοῦ (Dumont Inscr. céram. de la Grèce 138, 1, 139, 4. 7. 383, 6. 384, 13. 385, 18. 20. 22). 3. Melos (Collegium von drei D. an der Spitze des Staates, IGIns. III 1104. 1115). 4. Minoa auf Amorgos (eponymer Beamter δημιοργός: Reinach Chroniques d’Orient I 469). 5. Nisyros (eponymer Beamter δαμιεργός: IGIns. III 89. 104. 91 = Dittenberger Syll.² 263 = Collitz 3497). 6. Rhodos: nur für Kameiros ist ein D. als eponymer Beamter bezeugt (IGIns. I 696. 703–705), wird aber wohl auch in den anderen Gemeinden vorhanden gewesen sein, da nur durch rhodischen Einfluss sich das zeitweilige Erscheinen dieser Magistratur auf Naxos (CIG 2416 b) und in Arkesine auf Amorgos (Bull. hell. XVIII 4061) erklären lässt, wo er als Eponym an die Stelle des einheimischen Archon tritt. 7. Samos (Lebas-Waddington Inscr. III 202: ein D. C. Curtius Stud. z. Gesch. v. Samos, Lübeck 1877 nr. 9 und Bull. hell. V 484 = Dittenberger Syll.² 666: zwei D. – in allen Fällen als eponyme Beamten). 8. Telos (IGIns. III 34. 35: eponymer Beamter. 9. Thera (IGIns. III 450). - IV. Kleinasien. Hier erscheint das Amt der D. in römischer Zeit in manchen Städten als höchstes Gemeindeamt, das selbst Kaiser übernahmen (Bull. hell. VII 286). 1. Kilikien: Aigai (Heberdey-Wilhelm Reis. in Kilikien nr. 42), Auazarboi (Bull. hell. VII 286), Mallos (Le Bas-Waddington III 1487. Heberdey-Wilhelm nr. 19), Pompeiopolis (Bull. hell. V 318), Tarsos (Le Bas-Waddington III 1400. Bull. hell. VII 326). 2. Pamphylien: Perge (Le Bas-Waddington III 1371), Side (CIG 4347), Syllion (Bull. hell. XIII 488). Vgl. die Zusammenstellung von Radet und Paris Bull. hell. XIII 495. 3. Pisidien. Ariassos (Bull. hell. XVI 483), Pogla (ebd. XVI 421. 425, einmal Mann und Frau, zweitemal eine Frau). – V. Vereinzelte griechische Colonien im Norden und Westen: 1. Chersonesos (Latyschew Inscr. orae sept. P. Euxini I 196. 199). Petelia (in einer höchst altertümlichen Inschrift: CIG 4 = IGA 544 = IGI 636). Aus den angeführten Einzelheiten ergiebt sich der Schluss, dass die Magistratur der D. keineswegs den Dorern eigentümlich war: wenn man von den Colonien absieht, so erscheint dieselbe gerade bei den Dorern späteren Ursprungs, denn in Andania und den argivischen Städten wird sie eingeführt worden sein unter dem Einfluss sei es des arkadischen, sei es des achaeischen Bundes, wie solcher auch für Argos (wegen des Schweigens der Urkunde bei Thukydides) wahrscheinlich ist, für Aigosthenai und Megara ganz feststeht. Selbst für die arkadischen Städte kann die Frage nicht sicher entschieden werden, ob diese Behörde bei ihnen wirklich ursprünglich oder nach dem Beispiel der Nachbarn entstanden war – jedenfalls existierten die D. in Mantineia und Tegea schon [2862] im 5. Jhdt. Unzweifelhaft alt erscheint diese Institution in Elis, in Achaia (hierher ist auch die achaeische Colonie Petelia zu rechnen), bei den Lokrern und Phokern und vielleicht in einigen Städten Thessaliens. Daraus erklärt sich auch die Rolle, welche die D. in den zwei schon genannten Bünden spielten. In dem achaeischen bildeten sie ein Collegium von Zehnmännern, die dem Strategen zur Seite standen (Plut. Arat. 43), die Gesamtversammlung beriefen und die derselben vorzulegenden Fragen berieten und ihre diesbezüglichen Ansichten kund gaben (Polyb. XXIV 5, 16. Liv. XXXII 22). Ursprünglich werden sie die Vertreter der zwölf Bundesstädte gewesen sein und erst durch den Untergang zweier derselben auf zehn heruntergebracht worden sein. Wie ihre Zahl sich zu der später angewachsenen der Bundesstädte verhielt, wie letztere Vertretung im Collegium fanden, wie diese Vertreter der Einzelgemeinden bestellt wurden, entzieht sich vollständig unserer Kenntnis (vgl. Bd. I S. 168). Den achaeischen Einrichtungen entschieden nachgeahmt war die Verfassung des mit Megalopolis als Centrum gegründeten arkadischen Bundes, wenigstens in der zweiten Hälfte des 3. Jhdts., nur dass das Princip der Vertretung hier besser durchgeführt war, indem die Zahl der Vertreter der Bedeutung der verschiedenen Gemeinden angepasst wurde: in den an der Spitze des Bundes stehenden Rat der 50 D. entsandte Megalopolis zehn, je fünf Heraia, Kleitor, Kynuria, Mantineia, Orchomenos, Tegea und Thelpusa, drei Mainalion und zwei Lepreon (Le Bas-Foucart II 340a - Dittenberger Syll.² 106; ob die in Olympia V 46 erwähnten D. Mitglieder dieses Rates waren, oder wohl eher eigene Beamte der Stadt Megalopolis, ist nicht zu entscheiden). Genaueres lässt sich auch über diesen Rat nicht feststellen, vgl. Bd. II S. 1132. Im ganzen scheint es, dass die D. häufiger Städten von einer mehr aristokratischen als demokratischen Verfassungsform eigen waren.

Litteratur: G. Gilbert Handb. d. Staatsalt. II 113. 134. 327 u. a. O. Daremberg-Saglio Dict. d. Antiq. II 66ff. (Caillemer). Smith Diction. I 612.