RE:Elephantine

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
korrigiert  
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
altägyptische Stadt am 1. Katarakt, der Grenze zu Nubien und Aithiopien
Band V,2 (1905) S. 23212324
Bildergalerie im Original
Register V,2 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|V,2|2321|2324|Elephantine|[[REAutor]]|RE:Elephantine}}        

Elephantine (Ἐλεφαντίνη), bekannte altägyptische Stadt auf der gleichnamigen Nilinsel, Pomp. Mela I 60. Ptolem. IV 5, 31. Agatharchides, Mar. Erythr. 22 (Geogr. gr. min. I 123, 1), dialektisch Ἐλεφαντίνα CIG III 5126 (= Collitz Dial.-Inschr. 5261), von Parthenios (bei Steph. Byz.) Ἐλεφαντίς (Elephantis, Vitruv. VIII 2, 6), von Joseph. bell. Iud. IV 611 ἡ ἐλεφάντων πόλις, von Plinius n. h. V 59 Elephantis insula genannt. [2322] Sie lag in der Thebaïs (Herodot. II 28. Ptolem. a. a. O. Plin. n. h. XVI 81. CIG III 4892, 33) am nördlichen Ende des letzten ,kleinen‘ Nilkatarakts, Strab. XVII 787. Pomp. Mela I 51. E. ist eine Übersetzung des altägyptischen Namens Iēbew (vgl. Χνονβωνεβιήβ) ,Elephantenstadt‘, das wohl darin seinen Grund hat, daß vermutlich hier die Ägypter der Urzeit zuerst Elefanten zu Gesicht bekamen. Andere suchen seinen Ursprung in dem hier mit den südlichen Nachbarn eifrig betriebenen Elfenbeinhandel (Erman Aeg. und äg. Leben 659. Wilcken Ostraka I 709), während Wiedemann Herodots 2. Buch S. 118 ihn gewiß irrtümlich mit der ,Gestalt der Insel, die entfernt an einen Elefanten erinnert‘, zu erklären sucht. Ursprünglich bezeichnete der Name das ganze Kataraktenland und ist erst später auf die Syene (s. d.) gegenüberliegende Insel und Stadt beschränkt worden; vgl. Sethe Sesostris 62. 81. Da der Nil wegen der Katarakte von Norden aus nur bis E. schiffbar war (Pomp. Mela I 51. Joseph. a. a. O.), so bildete die Insel die natürliche Südgrenze Ägyptens gegen Aithiopien (Herodot. II 17. Strab. a. a. O.), und dieser günstigen Lage hat sie wohl auch zunächst ihr Aufblühen zu verdanken. Ihren Fürsten lag es ob, das Bollwerk des Katarakts gegen die Angriffe der südlichen Barbaren zu verteidigen und den Schiffahrtsverkehr zwischen Ägypten und Aithiopien zu überwachen; in ruhigerer Zeit unternahmen sie Karawanenzüge nach dem oberen Nil, um von dort die geschätzten Produkte des Sudan nach dem Pharaonenlande zu bringen. So gewannen sie kriegerischen Ruhm und Reichtum, sowie politische Macht, so daß sie, wenn wir der Angabe Manethos (V. Dyn.) trauen dürfen, als 5. Dynastie sogar den Thron der Pharaonen bestiegen; vgl. aber die Angabe des Papyrus Westcar, nach der die 5. Dynastie aus Sechebu, einer Stadt des letopolitischen Gaus, stammte (Erman Die Märchen des Papyrus Westcar I 20). Als im mittleren Reiche (um 2000 v. Chr.) das untere Nubien, das ,Bogenland‘, Ägypten unterworfen wurde, wurde seine Verwaltung den Fürsten von E. übertragen und es mit dem Gebiete von E. zu einem besonderen Verwaltungsbezirk vereinigt. So konnte auch noch in späterer Zeit E. geradezu als eine Stadt Aithiopiens bezeichnet werden (Plin. n. h. XXIV 163). Mit der Unterwerfung Nubiens war aber auch die strategische Rolle, die E. in der älteren ägyptischen Geschichte gespielt hatte, zu Ende. Erst als Nubien dem ägyptischen Mutterlande verloren gegangen war (mit dem Anfang des ersten vorchristlichen Jahrtausends), tritt E. wieder als wichtige Grenzfestung in den Vordergrund; als solche wird es Herodot. II 30 zur Zeit Psammetichs I. erwähnt; über die Auswanderung seiner Garnison nach Aithiopien (Her. II 30–31) und einen anderen Aufstand seiner Söldner unter Apries vgl. Schäfer in Lehmann-Kornemanns Beiträgen zur alten Geschichte IV 152ff. Auch unter der römischen Herrschaft bildete E. den südlichen Grenzposten des Reichs (Tac. ann. II 61. Not. dign. or. XXXI 64) und war wie seine Nachbarorte Syene und Philae oft den räuberischen Einfällen der Nubier ausgesetzt; vgl. Strab. XVII 820. Gelegentlich wurde die Grenze freilich auch weiter südlich vorgeschoben, um dann von Diocletian [2323] endgültig wieder nach E. verlegt zu werden; Procop. bell. Pers. I 19 p. 102. Bei E. lag auch der nördliche Anfang des sog. ,Zwölfmeilenlandes‘ Her. II 29 (s. Dodekaschoinos), das südlich jedenfalls in griechisch-römischer Zeit bis Hierasykaminos (s. d.) reichte; vgl. Ztschr. f. ägypt. Sprache und Altertumsk. XLI 61. Als südlichste Stadt Ägyptens wird E. von den Klassikern oft bei Angabe von Entfernungen genannt; so gibt Herodot. II 9 die Entfernung zwischen Theben und E. auf 1800 Stadien (= 356,4 km, in Wirklichkeit ca. 220 km) und II 175 die Entfernung E.s von Saïs auf 21 Tage (Flußfahrt) an, was natürlich eine ganz willkürliche Bestimmung ist. Nach Aristokreon (Plin. n. h. V 59) ist von E. zum Meere 750 Milia, nach Plin. a. a. O. bis Alexandria nur 585 Milia. In Wahrheit beträgt die Entfernung von E. bis Alexandria etwa 1150 km. Neben seiner strategischen Bedeutung war E. aber noch von besonderer Wichtigkeit, da in seinem Gebiete am Ostufer des Flusses bei Syene (s. d.) große Steinbrüche lagen, aus denen die Ägypter von den ältesten bis in die Römerzeit die prachtvollen Granite, den ,Stein von E.‘ holten; Herodot. II 175. Auch andere wertvolle Gesteine und Minerale wurden in seiner Umgebung gefunden (Inschrift ,von den sieben Jahren der Hungersnot‘, Sethe Dodekaschoinos 23); vgl. Theophrast περὶ λίθων 31 (cap. 6). Eines besonderen Rufs erfreute sich auch das Klima der Insel, das so gut war, daß hier die Bäume, u. a. Weinstöcke und Feigen, das ganze Jahr hindurch ihre Blätter behielten; Theophr. h. pl. I 3, 5. 9, 5. Plin. n. h. XVI 81. Von einem schlimmen magischen Kraut ophiusa, das hier gedeihen sollte, erzählt Plin. n. h. XXIV 163.

Der Hauptgott von E. war Chnubis (s. d.). Neben ihm wurden hauptsächlich noch die Göttinnen Satis und Anukis, die die Griechen ihrer Hera und Hestia vergleichen, verehrt. Als dem Chnum heiliges Tier galt in E. die Ziege; dagegen hielten die Leute von E. die Krokodile, die z. B. in der wenig nördlich gelegenen Stadt Ombos verehrt wurden, nicht für heilig, sondern aßen sie sogar; Herodot. II 69. Auch der Nil hatte in E. einen Kultus; lagen doch bei der Insel im Kataraktengebiete die geheimnisvollen Schlünde, aus denen nach ägyptischer Vorstellung der Strom hervorkommen sollte (vgl. Herodot. II 28; s. Art. Neilos) und bei denen von den Pharaonen und nach ihnen von den Ptolemaiern und den römischen Statthaltern besondere Opfer dargebracht wurden; vgl. Dittenberger Orientis Graeci Inscr. sel. nr. 168. Wilcken Archiv für Papyrusforschung III 326. Von den Tempeln E.s sind jetzt noch die Trümmer eines größeren Heiligtums, dessen Reliefs die Bilder Alexanders, des Sohnes Alexanders d. Gr., zeigen, und das vielleicht unter dessen Regierung erbaut worden ist, und eines kleinen Tempelchens aus der Zeit Traians vorhanden. Zwei ältere Heiligtümer, ein von Amenophis III., und ein zweiter von Thutmosis III. erbauter Tempel, die noch zu Ende des 18. Jhdts. standen, sind in der ersten Hälfte des 19. Jhdts. abgerissen worden; vgl. Baedeker Ägypten5 332. Ob eines dieser Heiligtümer der Strab. XVII 817 erwähnte Tempel des Knuphis (Chnum) oder das in der Inschrift Dittenberger a. a. O. [2324] genannte Ἡραῖον ist, läßt sich nicht feststellen. Am Ostufer der Insel befindet sich der von Strabon (XVII 817) geschilderte Nilmesser (νειλομέτριον), der die Steigungen des Stromes anzeigt; vgl. Plutarch. de Isid. c. 43. Er ist 1870 von Mahmud Bey wieder in Stand gesetzt worden; Baedeker a. a. O. 332. Heute führt E. den Namen Gezîret Assuân ,Insel von Assuan (Syene)‘ oder kurzweg El-Gezîre ,die Insel‘. Die Trümmer der antiken Stadtanlage liegen am Südende der Insel.