RE:Vinitor 1

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Aufseher über im Weinberg arbeitende Sklaven, Winzer
Band IX A,1 (1961) S. 121122
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Vinitor 1) bezeichnet entweder den Aufseher (magister) über die im Weinberg arbeitenden Sklaven (Colum. r. r. III 3, 8), dann aber auch den einzelnen Winzer: Cic. fin. V 40. Verg. eclog. 10, 36; Georg. II 417. Colum. IV 24, 1; dieser entspricht dem griech. ἀμπελουργός. Die zweckmäßige Pflege des Weinlandes erforderte großenteils qualifizierte Arbeiter, die je nach ihrer Tätigkeit besondere Bezeichnungen führten; sie hatten sich mit dem Setzen der Stöcke (satores Colum. III 15, 3), mit dem Behacken (pastinatores ebd. III 13, 12), Anbinden (alligatores IV 13, 1), Beschneiden (putatores IV 24, 11), Abranken (pampinatores IV 10, 2), Lesen (vindemiatores III 21, 6. XII 17, 2. Horat. sat. I 7, 30; vindemitores Plin. n. h. XIV 10) und Keltern (calcatores Calpurn. ecl. 4, 124; factores Cato 13, 1) zu befassen.

Julius Graecinus, ein Zeitgenosse Caligulas, erwähnt, daß ein tüchtiger Weinbergsklave (vinitor), dem man die Bewirtschaftung von sieben Morgen Weinland anvertrauen kann, sechs- bis achttausend Sesterzen kostet (Colum. I 1, 14. III 3, 8): diese nicht unbedeutende Summe bezeugt allein schon die hohe Schätzung der Arbeitsleistung eines vinitor. Gutbegabte, gewandte Sklaven waren für diesen Beruf gesucht, wobei man junge Männer schlanken Körperbaus bevorzugte. Columella, der nicht müde wird, seinen Landsleuten den Weinbau als den einträglichsten Teil der Landwirtschaft anzupreisen, legt darüber (III 3, 9ff.) eine ausführliche Berechnung vor. Der Anlagebetrag für dreiviertel Hektar Rebgelände stellte sich bei Mitrechnung des Vinitors, der Setzlinge, der Bewirtschaftungsgeräte und der Zinsen in den ersten zwei noch ertraglosen Jahren der jungen Pflanzung auf 32 480 Sesterzen; bei entsprechender Pflege des Weinberges verzinste sich diese Summe (Columella nimmt sechs Prozent als Leihzinsfuß an) mit rund 19 Prozent: vgl. Billeter Gesch. d. Zinsfußes 183f. Außerdem warf der Verkauf der Setzlinge ein beachtenswertes Einkommen ab. Columella erwähnt nämlich unter anderem, daß er auf jeden Morgen Weinlandes zwischen den Reihen der Rebstöcke 20 000 Setzlinge zu pflanzen pflegte und von den Weinbauern 600 Sesterzen für 1000 Schnittlinge erhielt. Vgl. Orth Weinbau u. Weinbereitung der Römer, Frankfurt a. M. 1902, 15. Marquardt Privatleben d. Röm.2 445. Mommsen Röm. Gesch. I11 (1912) 843. In seiner Berechnung fällt auf, daß er für die Bestellung des Weinberges bloß einen vinitor annimmt. Doch steht es außer Frage, daß dieser wenigstens zur Lese eine Anzahl Hilfsarbeiter angefordert haben wird (vgl. Plin. n. h. XIV 10), [122] falls er schon sämtliche der Ernte vorangehenden Arbeiten allein durchzuführen vermochte. An anderer Stelle (XVII 215) gibt Plinius an, daß in Italien zehn Arbeiter für die Bestellung von hundert Morgen Weinlandes ausreichen. Daß Columella die Unterhaltskosten des Weinbergsklaven und seiner Helfer außeracht läßt, dürfte sich daraus erklären, daß die zwischen den Reihen der Rebstöcke gepflanzten Nutzgewächse (Hülsenfrüchte u. a.) zur Verpflegung dieser Leute dienten.

Jedenfalls sah man im Erwerben eines bewährten vinitor eine gute Vermögensanlage. Nach dem Zeugnis des Plinius (n. h. XIV 49ff.) machte sich der Freigelassene Acilius Sthenelus als tüchtiger Weinbergaufseher einen Namen, indem er allerlei Verbesserungen im Weinbau, so unter anderem das Rigolen der Pflanzungsgründe, mit derartigem Erfolg einführte, daß die Trauben des von ihm betreuten Weinberges nach acht Jahren einen Wert von 400 000 Sesterzen darstellten (§ 50). Die zahlreichen Ratschläge, die Columella und andere Verfasser landwirtschaftlicher Bücher dem italischen Winzer erteilten, sollten ihm zum verdienten Lohn für seine mühereiche Tätigkeit verhelfen.

Vom griechischen ἀμπελουργός erfahren wir nur wenig. Bei Aristophanes (Pax 190) stellt sich Trygaios vor als ἀμπελουργὸς δεξιός, οὐ συκοφάντης οὐδ’ ἐραστὴς πραγμάτων, und dies könnte den Anschein erwecken, als wollte er seinen Beruf als ein besonders ehrenwertes und eines klugen Mannes würdiges Gewerbe hinstellen. Theophrast kommt nur an einer einzigen Stelle (c. pl. II 4, 8) auf den Winzer zu sprechen und hebt dessen sorgsame Bedachtnahme auf die reichliche Sonnenbestrahlung eines bergigen Geländes hervor: an anderen Stellen ist nur von der zweckentsprechenden Arbeit der ἀμπελουργία (c. pl. III 14, 1f. 15, 1) die Rede. Eine Abgabe, die man den in den Weinbergen der Insel Kos beschäftigten Arbeitern auferlegte, erwähnt Th. Reinach Rev. des Ét. gr. IV 1891, 369. – Literatur: siehe s. Vinarius und Vindemia.