Rhynsolt und Lucia

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Autor: Christian Fürchtegott Gellert
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Titel: Rhynsolt und Lucia
Untertitel:
aus: Sämmtliche Schriften. 1. Theil: Fabeln und Erzählungen, Drittes Buch. S. 251-254
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1769
Verlag: M. G. Weidmanns Erben und Reich und Caspar Fritsch
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Erstdruck 1746/48
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[251]
Rhynsolt und Lucia.


Umsonst wandt Rhynsolt alles an,
Ein reizend Weib, getreu dem Mann,
Ein edles Herz zur Wollust zu verführen.
Ihm öffnete sein hoher Stand ihr Haus;

5
Allein sie wich des Fürsten Liebling aus,

Und ließ ihm die Verachtung spüren,
Die der, wärs auch ein Prinz, verdient,
Der sich, die Tugend zu verführen,
Aus Niederträchtigkeit erkühnt.

10
     Was kann das Laster nicht erzwingen,

Wenn es die Hoheit unterstützt!
Sollt es der Brunst, die Rhynsolts Herz erhitzt,
Durch Unrecht nicht, nicht durch Gewalt gelingen?
Gerichtlich zieht er bald des Weibes Ehmann ein,

15
Und eilet, ihm das Leben abzusprechen.

Allein, was ist denn sein Verbrechen?
Ists mehr noch, als der Mann der schönsten Frau zu seyn,
Die von der Pflicht nicht weicht, den Mann allein zu lieben?
Ja, Rhynsolt zeigt, wer Danvelt sey,

20
Er überführet ihn der Landsverrätherey

Durch Briefe, die er nie geschrieben.
Und Morgen eilt sein Todestag herbey.

     Sein Weib wirft sich zu Rhynsolts Füßen,
Und klagt und fleht verzweiflungsvoll.

25
Doch auch das Auge selbst, aus dem itzt Thränen schießen,

Das Ach! das ihn mitleidig machen soll;

[252]
Ein Blick, beseelt von Wehmuth und von Treue,

Und Hände, die gerungen flehn,
Erhitzen nur des Richters Glut aufs neue.

30
Nie sah er Lucien so schön.

Er klagt ihr sein unkeusches Feuer. – – –
Verschämte Muse, sags nicht nach,
Was ein erhabnes Ungeheuer
Zu einem frommen Weibe sprach!

35
     Um sie durch ihren Mann zu rühren,

Läßt er sie selbst in seinen Kerker führen,
Und läßt sie da mit ihm allein.
Sie kämpfen mit dem größten Leiden,
Lieb und Verzweiflung spricht aus Beiden.

40
„O Danvelt! soll ich dich vom Tode nicht befreyn?

Man eilt, dich schrecklich hinzurichten.
Vergeß ich nicht noch heute meiner Pflichten:
So wirst du morgen nicht mehr seyn.
Willst du die Schande mir verzeihn:

45
Nun so gebeut!“ – – Sie zittert, mehr zu sagen,

Und drückt ihn starr an ihre Brust.
Er klagt, und weint in ihre Klagen;
Ihn schreckt ein doppelter Verlust.
„Soll ich den Tod, den peinlichsten erdulden?

50
Ach! liebstes Weib, ich bin zu schwach!

Befreyst du mich durch deine Schmach:
So sind es zwar nicht deiner Tugend Schulden;
Und doch – – O Gott! was soll ich nun erdulden?“

     Der Morgen kömmt; und Lucia,

55
Die Danvelts Tod vor Augen sah,
[253]
Ergiebt sich thränend dem Barbaren.

Er stillt die Brunst und bittet ungescheut,
Mit einer gleichen Gütigkeit
Auch gegen ihn in Zukunft fortzufahren.

60
Itzt aber, fängt er lächelnd an,

Itzt kannst du deinen lieben Mann,
Nach deinem Wunsch aus seinem Kerker holen;
Doch daß er mir nicht künftig schaden kann:
So hab ich das zugleich gethan,

65
Was Lieb und Klugheit mir befohlen.

Ich weis, du zürnst deswegen nicht.

     Sie flieht, mit Scham und mit verletzter Pflicht,
Des Mannes Kerker aufzuschließen.
Doch Himmel! ohne Haupt lag er zu ihren Füßen.

70
     Sie steht erstarrt; kein Ach! erschallt,

Man sieht auch keine Thräne rinnen.
Des Schmerzens tödtliche Gewalt
Heißt sie allein auf Rache sinnen.
Sie sucht den Hof, wo Carl, ihr Fürst, regiert,

75
Und hat das Glück, den Fürsten zu erreichen.

Wenn dich, ruft sie, die Schmach der Tugend rührt:
So laß, o Carl, dich itzt mein Flehn erweichen!
Es ist zu spät, mein Schutz zu seyn.
Du kannst nichts thun, als mich Elende rächen.

80
Denn Rhynsolt – – Strafe sein Verbrechen;

Ich schäme mich, es auszusprechen.
Lies diese Schrift und fühle meine Pein!

[254]
     Carl liest, und eine fromme Zähre

Fließt von des Helden Angesicht,

85
Der Tugend und auch ihm zur Ehre.

Ihr Fürsten, welch ein Lobgedicht!
Carl liest, und eine fromme Zähre
Fließt von des Helden Angesicht.

     Doch ists genug, das Laster zu beweinen?

90
Ein Tag wird angesetzt; der Liebling muß erscheinen,

Und gleich nach ihm tritt Lucia herein.
Kennst du dies Weib? spricht Carl. Ein plötzliches Erschrecken
Verräth den Bösewicht; er räumt das Laster ein;
Und ihre Schande zu bedecken,

95
Will er mit ihr vermählet seyn.

Der Fürst läßt gleich den Bischoff kommen
Und wohnt der Trauung selber bey.
Du, spricht er, hast sie zwar aus Furcht vor mir genommen;
Doch dieß beweist nicht deine Treu;

100
Sie zur Vergebung zu bewegen,

Verschreib ihr alle dein Vermögen.
Er thuts. Sieh, Lucia, fieng drauf der Herzog an,
Du bist durch mich gerächt; allein aus gleichen Pflichten
Räch ich nunmehr auch deinen Mann.

105
Und er gebot, den Liebling hinzurichten.