Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Bobenneukirchen

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Autor: M. G.
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Titel: Bobenneukirchen
Untertitel:
aus: Voigtländischer Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 5, Seite 157–158
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: o. J. [1859]
Verlag: Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins
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Erscheinungsort: Leipzig
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Bobenneukirchen


21/4 Stunde von Oelsnitz, westsüdwestlich von der Plauen-Hofer Strasse 5/8 Stunde entfernt, liegt an dem nach dem Orte benannten Bache, der südlich von hier am Kleeholze entspringt und oberhalb Dröda den Feilebach erreicht, mitten zwischen den Dörfern Burkhardtsgrün, Ottengrün, Zettlarsgrün, Dechengrün, Engelhardtsgrün und Weidigt, nebst Weidenhaus und Einsiedel.

Der Ort, nebst den andern genannten, sind rein deutschen Ursprungs und kommt zuerst in einer Urkunde unter dem Namen Baben neun Kirchen vor, welches bei der von Heinrich dem Reichen vorgenommenen Ländertheilung unter seine drei Söhne mit an den mittlern seiner gedachten drei Söhne fiel, und in dem Landesstrich eben begriffen war, welchen Heinrich der Reiche im Voigtlande besass. Derselbe erstreckte sich von Voigtsberg mit Oelsnitz und Adorf bis nach Schönberg hinauf.

Die Erbauung Bobenneukirchens ist aber unbedingt vor dem 13. Jahrhundert erfolgt und ist vielmehr in das 11. Jahrhundert zu versetzen, in die Zeit, wo der Geist des Ritterwesens durch die geschehene Stiftung von Turnieren, welche König Heinrich I. einführte, geweckt wurde und so glänzend dastand. Mit Einführung dieser Turniere erfolgte auch die Normirung der Wappen der adelichen Herren nach festen Formen. Sie waren ursprünglich die gewählten Symbole, welche der Kriegsmann zu seiner Kennbarmachung auf seinem Schild und Rüstzeug malte und auch in sein Siegel sich stechen liess.

Zu gleicher Zeit zeichneten sich die Besitzer der Burgen und Schlösser durch einen kirchlichen Sinn aus und bauten Kirchen und Kapellen in Dörfern und Städten.

Bobenneukirchen verdankt ebenfalls seine Entstehung solch kirchlichen Sinnes. Die Sage darüber ist folgende:

Nicht weit von dem Platze, wo jetzt die Kirche steht, sei eine Grotte gewesen, in welcher die Göttin „Baba oder Boba“ verehrt worden sei. Den Namen „Grotte“ führt noch heute ein kleiner, ringsum mit einem ohngefähr 6 Ellen breiten Wassergraben umgebenen, westlich gelegener Hügel, und wird davon noch heute der ganze, nach dieser Seite hinaus liegende Theil des Dorfes „Grottensee“ genannt. Bei Einführung des Christenthums sei die Grotte zerstört und an ihre Stelle eine christliche Kapelle erbaut worden. Der Zahn der Zeit und die zunehmende Bevölkerung machte den Bau eines neuen Gotteshauses nöthig und wegen dieses Neubaues entstand der Name „Bobenneukirchen“.

Eine andere Ableitung des Namens Bobenneukirchen aus „Boom“, d. i. Baumneukirchen hat keinen Halt, da der hiesige Ort, wenn derselbe auch nicht zu den baumarmen gehört, durch grosse Baumzucht sich nicht auszeichnet.

Das hiesige Rittergut ist erst später entstanden als die Kirche und von den Besitzern der Herren von Posseck erbaut, von welcher es auf die Familie von Reitzenstein übergegangen ist, welche noch im 18. Jahrhundert im Besitze dieses Gutes waren; namentlich ist der Oberst Wolf Christoph von Reitzenstein auf Bobenneukirchen noch im Jahre 1722 hier Erb-, Lehn- und Gerichtsherr gewesen, welcher sich durch seine Mildthätigkeit um den Ort und die Kirche grosse Verdienste erworben hat.

Nach der Familie von Reitzenstein folgte die Familie Spiess im Besitze von Bobenneukirchen. Der königl. sächsische pensionirte Major vom Ingenieur-Corps, Herr Spiess, hat es zuletzt besessen, von welchem es ein gewisser Domsch und Hänsel erkaufte.

Der jetzige Besitzer ist Herr von Krüger in Dresden.

Die Gebäude des Gutes sind gerade nicht hervorragend, doch gewähren sie ein liebliches Bild ob der ganzen Lage.

Das Areal des Rittergutes, in 80 Ackern bestehend, ist sämmtlich an die hiesigen Einwohner verpachtet.

In Bobenneukirchen sind ausserdem zwei geistliche Stellen, ein Pastor und ein Diaconus und zwei Schulstellen. Ueber diese geistlichen Stellen steht nicht dem Besitzer des Rittergutes von Bobenneukirchen das Collaturrecht zu, sondern Patron und Collator dieser Stellen ist der Besitzer des Rittergutes Posseck. Ein Recht, dessen Ursprung man sich leicht erklären kann. Die Herren von Posseck, welche Kirche und Gut in Bobenneukirchen zuerst errichteten, haben natürlich das Recht für sich dann auch vorbehalten.

Das jetzige Kirchengebäude steht erst seit 1706–1707, indem die [158] alte Kirche, nebst Schule, geistlichen Gebäuden und andern 15 Häusern, am 6. November 1704 des Nachts völlig eingeäschert worden ist.

Das Feuer wurde von dem damaligen Amtsrichter Hänsel Degenkolb, vulgo Raizen Hansel, in der sogenannten „Gasse“ zu Bobenneukirchen wohnhaft, veranlasst, indem derselbe vom Amte Voigtsberg trunken nach Hause gekommen und in diesem Zustande mit einer Schleise in den Stall gegangen sein soll.

Degenkolb musste zum Wiederaufbau der Kirche als Strafe 195 Gulden 11 Groschen ans Kirchenärar bezahlen.

Der Thurm, welcher vor dem Brande auf der Morgenseite der Kirche stand, wurde nach dem Brande auf der Mittagsseite der Kirche angebaut, und zwar nur bis zum Glockenstuhle, und wurde erst im Jahre 1737 vollendet. Er ist 101/2 Elle weit, 105 Ellen hoch und hat zwei Glocken.

Das Pfarrhaus ist in gutem Zustande. Auf dem Pfarrhause befindet sich, ausser einem Stall und Schuppengebäude und Scheune noch die Pachterswohnung mit angebautem Stalle. Dieses Gebäude ist in früheren Zeiten als Brauerei benutzt worden, indem die früheren Pfarrer ihren Tischtrunk selbst zu brauen berechtigt waren. Die Diaconat-Wohnung ist zwar kleiner als die Pfarr-Wohnung, liegt aber sehr freundlich und hat unmittelbar vor den Fenstern nach Morgen ein Gemüsegärtchen, welches dem Inhaber desselben manchen Genuss gewährt.

An die Entstehung dieses Gärtchens knüpft sich folgende Sage:

Das Gärtchen war in frühester Zeit ein abschüssiger wüster Fleck. Ein Diaconus nun fasst den Entschluss, diesen Fleck in ein Gärtchen zu verwandeln, und wendet sich deshalb an die jungen Bursche des Dorfes, welche sogleich zusammentreten, die Arbeit mit vereinter Kraft beginnen und in kurzer Zeit den wüsten Fleck in Gartenland umschaffen.

Nach vollbrachtem Werke soll sie der Diaconus, um sich erkenntlich zu beweisen, mit einem Gerichte Rüben regalirt und ihnen überhaupt ein kleines Fest gegeben haben, und soll daraus die hier gebräuchliche Vor- oder Rübenkirmess, wie sie gewöhnlich genannt wird, entstanden sein. Diese sogenannte Kirmess wird hier acht Wochen vor der eigentlichen Kirchweih gefeiert.

Ausserdem existirt noch eine merkwürdige Sage: Es soll nämlich ein früherer Rittergutsbesitzer von Posseck in Bobenneukirchen selbst sich zum Pfarrer in Bobenneukirchen bestellt haben. Es ist dies aber wohl ein Irrthum. Vielleicht ist derselbe vor seiner Anstellung Besitzer von Posseck gewesen oder es nach seiner Anstellung erst geworden. Anders lässt sich die Sache nicht leicht erklären.

Bobenneukirchen hat beim Einfalle der Franzosen im Herbste 1806 viel gelitten durch Plünderung und Spanndienste, was auf den überdies nicht ganz wohlhabenden Ort lang anhaltend nachwirken musste. Uebrigens sind die hiesigen Einwohner sehr betriebsam und fleissig und auf der andern Seite genügsam und mit Wenigem zufrieden.

Hier in Bobenneukirchen giebt es für das Plauische Weisswaarengeschäft die besten und fleissigsten Stickerinnen, und der Klöppelsack ist dem Nährahmen allenthalben gewichen.

Ausserdem werden hier silberne und messingene Klappen zu musikalischen Blasinstrumenten gefertigt, wenn auch dieser Industriezweig in jüngster Zeit durch die jetzt so misslich gestalteten merkantilischen Verhältnisse Amerikas, wohin sehr bedeutender Instrumentenhandel von Markneukirchen aus getrieben ward, sehr verloren hat.

Ausser mehreren Webermeistern finden sich hier auch zwei Schmiede-, drei Fleischer-, drei Schuhmacher-, drei Schneider-, ein Tischler-, ein Bäcker-, ein Zimmer-, ein Böttcher- und ein Töpfermeister. Die übrigen Einwohner leben vom Landbau.

Im Dorfe selbst sind zwei Wirthshäuser und ein hiesiger Einwohner hat Concession zum Materialhandel erlangt.

An den Bobenneukirchner Bach, welcher durch das Dorf läuft (wie oben schon erwähnt worden), liegen drei Mahl- und eine Schneidemühle mit ausreichendem Wasser.

Der Ort selbst hat in jeder Beziehung das Ansehen eines kleinen Marktfleckens, das derselbe auch der Sage nach früher gewesen sein soll. Dafür spricht zum Theil, dass früher die gewöhnliche Landstrasse von Oelsnitz nach Hof durch hiesigen Ort sich zog und dass der letzre sonst drei Jahrmärkte hatte, den ersten am Dienstag vor Ostern, den zweiten vor Johanni und den dritten vor Martini. Der Sage nach soll der Ort seine Jahrmarktsgerechtigkeit dadurch verloren haben, weil an einem dieser Jahrmärkte unter zwei Schuhmachern zwischen ihren Ständen Streit entstanden sei und der Eine den Andern erschlagen habe.

Vor der neuen Gerichtsorganisation gehörte ein Theil von Bobenneukirchen unter das Voigtsberger Amt, ein anderer Theil unter Possecker, ein dritter Theil unter Pirker, und ein vierter Theil unter Drödaer Jurisdiction.

Jetzt gehört Bobenneukirchen mit seinen 158 Gebäuden und seinen 953 Bewohnern zum Gerichtsamte Oelsnitz und steht sonach unter dem Bezirksgericht zu Plauen, unter der Amtshauptmannschaft des letztern Ortes und unter der Kreisdirection von Zwickau.

Bei der Berechnung von 158 Gebäuden sind natürlich die ausserhalb des Dorfes gelegenen einzelnen Höfe und Häuser, als die sogenannte Zech, das Höfel, das Wiesenhaus, Einsiedel und der Pfaffenberg, das Weidig und der weisse Stein mit eingezählt.

Unerwähnt ist nicht zu lassen, dass um Bobenneukirchen herum auch Eisenstein gefunden wird.

M. G.