Seite:Aarne Vergleichende Märchenforschungen.djvu/5

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Vorwort.

Immer mehr hat die wissenschaftliche forschung begonnen auch den volksmärchen ihre aufmerksamkeit zuzuwenden. Aber trotzdem sind die auffassungen vom ursprung und den schicksalen der märchen noch keine feststehenden. Begegnet man doch in unserer zeit ansichten, die eine vergleichende märchenforschnug für überflüssig halten, welche es sich zum ziel steckt die heimat von volksmärchen ausfindig zu machen, denn, heisst es, die heimat der märchen kennen wir nicht und werden sie nie kennen[1]. Es ist wohl wahr, dass die bemühungen des vergleichenden märchenforschers in diesem punkt oft nur zu unbestimmten ergebnissen führen; gehen wir aber von der voraussetzung aus, dass die volksmärchen erzählungen sind, die in einer bestimmten gegend und zu einer bestimmten zeit entstanden sind und sich dann durch entlehnung von einem land zum anderen, von einem volk zu einem anderen verbreitet, dabei sich verändert und umgebildet haben – und diese überzeugung muss sich, glauben wir, jedem aufdrängen, der die märchen der verschiedenen völker in grösserem umfang kennen lernt –, dann können wir das suchen nach der heimat eines märchens nicht als vergebliche mühe bezeichnen. Die änderungen in den märchen gehen nach bestimmten gesetzen des denkens und der phantasie vor sich. Gelingt es uns eine erzählung von den änderungen und erweiterungen zu reinigen, die sie auf ihrer wanderung betroffen haben, und finden wir die ursprüngliche form des märchens heraus, so fällt damit zugleich licht


  1. Rittershaus, Einleitung, s. XLV.
Empfohlene Zitierweise:
Antti Aarne: Vergleichende Märchenforschungen. Société Finno-ougrienne, Helsingfors 1908, Seite III. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aarne_Vergleichende_M%C3%A4rchenforschungen.djvu/5&oldid=- (Version vom 31.7.2018)