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Auch die Turmbildung Exners ist als eine Kombination der Konkurrenzpläne aufzufassen. Von Krubsacius übernahm er die Teilung in vier Säulengeschosse mit Zwischenpostamenten, das Prinzip „Schaft auf Schaft“, die abgeeckte Rechteckgrundform. Aus Schmidts Plan konnte er die Anschweifung der Stirnwand, die Diagonalwirkung der Säulen, die geschlossene Gliederung der Turmspitze ver­wenden. Schmidt hatte die Spitze im regelmäßigen Achteck ausgebildet, als Grundform des Unter­baues in Anpassung ans Hauptgebäude ein gedrungenes Rechteck mit schwach gekrümmten Seiten, aber ohne Verbrechung gewählt. Während die oberen Stützen auf die Turmmitte bezogen waren, rückten die der unteren drei Geschosse nach einem im Saal gelegenen Zentrum zu. (Abb. S. 27.) Nur zum Teil stand „Schaft auf Schaft“. Das betonte Uhrpostament mit seiner starken Verjüngung bildete die Vermittelung. Exner stellte als neuen Grundsatz auf, alle Geschosse müssen gleiche Grund­form haben. Deshalb mußte er sein „Verjüngungszentrum“ in den Turmgrundriß hineinrücken.

Exners Turm und Fassade beheben zwar die von der Oberbaukommission beziehentlich von ihm selbst geltend gemachten Einwände gegen die beiden anderen Pläne. Sie waren aber selbst nicht einwand­frei. Bedenklich war die Änderung der Fenstergrößen, um so mehr, als er sich hierbei eingestandener­maßen (S. 85) nicht um das Innere der Kirche gekümmert hatte, weiter die Dachbildung über den Seitenschiffen, die Nichtberücksichtigung der Überschneidung an der Attique und schließlich die Massenverteilung des Turmes. Der Unterbau zeigt noch die bei Krubsacius gerügte Abtreppung. Der obere Teil ist zwar geschlossen und einheitlich, aber er steht in einem ungelösten Konflikt mit der schweren Masse der Attique, der freilich in der orthogonalen Projektion nicht so stark zur Geltung kommt. Die Teile sind wohl durch ein geometrisches Bildungsgesetz, nicht aber künstlerisch durch harmonische Gliederung der Massen verknüpft. Während das entscheidende 3. Geschoß bei Schmidt nur schwaches Pilasterrelief und fast quadratische Grundform hat, kann Exner hier bei seiner Grund­form nicht die nötige Kraft entfalten. Da Rechtecke und Ellipsen bei gleichen Abständen je kleiner desto schlanker werden, wird auch Exners Turm nach oben zu immer flacher, statt dem Kreis zuzustreben. Der Turm ist nicht eine selbständige künstlerische Komposition, sondern eine gelehrte Kombination, ein Erzeugnis des kalkulierenden Verstandes. Die zeichnerische Darstellung der Risse ist sehr geschickt und in den Farben herzhafter als bei Krubsacius. Sie ist nicht von Exner selbst ausgeführt, sondern von einem seiner Kondukteure, vermutlich von Joh. Aug. Gebhardt[1], dessen stilistische Eigenart der der Plandetails verwandt ist.

Weitgehenden Einfluß auf Exner hatte Lockes Kreuzkirchenentwurf. Hier fand er das einzige Neue an seinem Turm, das Bildungsprinzip, bereits vor, übereckstehende Säulen vor oblongem Kern­mauerwerk, er brauchte es nur seiner Aufgabe anzupassen. So fügte er Zwischenpostamente ein, machte auch das 4. Geschoß den übrigen konform, nahm Dreiviertelsäulen statt der freistehenden und setzte die gekuppelten Säulen auf eigene Radien, so daß die Abstände nach oben kleiner wurden, ähnlich wie bei Chiaveri. Die Folge war, daß die Abeckung nicht mehr unter 45 ° erfolgte. Locke hatte der elliptischen Aufstellung der Säulen entsprechend auch das Kernmauerwerk elliptisch gehalten. Exner konnte, nachdem das Prinzip einmal gefunden war, die zwischen den Schäften gelegenen Stücke durch Kreisbögen vom Turmmittelpunkt aus ersetzen, die sich besser an die Schäfte anschweifen ließen. Das Mittelmotiv im 3. Geschoß bei Chiaveri gab ihm das Vorbild. Locke hatte im untersten Geschoß die Höhe von Säule mit Gebälk gleich der größten Breite gemacht und dies Verhältnis nach oben schlanker werden lassen. Exner übernahm auch dies. Der Einfluß Chiaveris ist fast ausschließlich durch die drei Entwürfe vermittelt, aus denen Exner den seinen zusammenkombinierte und -kopierte.

Exners Abhängigkeit von Lockes Plan erstreckt sich noch weiter. Fast sämtliche Einzelheiten, soweit sie nicht an den Konkurrenzplänen vorkamen, sind Lockes Plänen entnommen, zum Teil umgebildet, vergrößert oder auf andere Bauteile übertragen. So ist der Aufsatz des Sakristeibaues mit

Voluten und Muschelschmuck zur Turmspitze geworden, die der Hofkirche entsprechend etwas gebaucht


  1. Gebhardt, 1735 in Dresden geboren, hatte unter Exner und Knöbel studiert. Er war 1760 jüngster Kon­dukteur mit 50 Talern Gehalt. Von ihm ist die architektonische Innen-Ausstattung der großen Flurhalle im Japanischen Palais. (1766.)
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Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/136&oldid=- (Version vom 25.4.2024)