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ist, die Dachfenster des Rundbaues zu den Schallöchern in der Turmhaube. Wappenträger direkt über Lockes Haupttür kehren vergrößert als Überleitung zum Rundfenster bei Exner wieder. Mehrere sitzende Frauengestalten zeigen die gleichen Bewegungen wie bei Locke. Nebensächlicher ist, daß die runden Dachfenster in beiden Plänen vorkommen, denn eine Reihe von Motiven war naturgemäß Gemeingut der Zeit oder Erbe gemeinsamer Schule. Dagegen ist zu erwähnen die übereinstimmende Seitenschiffüberdeckung, die Zusammenfügung der Hauptfenster durch Brüstungen, die gleiche An­ordnung und Lage der Turmtreppe, die Grundform der Eingangshalle im Turm. Auch die späteren Innenpläne Exners zeigen manche Übereinstimmung.

Lockes Pläne müssen in Exners Hand gewesen sein, und zwar die angeblich verloren gegangenen Originale (S. 117). Ob mit oder etwa ohne Wissen Lockes muß dabei eine offene Frage bleiben. Eine Tektur auf einen Treppenturm in der Seitenansicht und eine Grundrißvariante dürfte auf Exner zurückgehen. Im Grundriß (Abb. S. 116) sind die Treppen nicht mehr diagonal, sondern in die Hauptrichtungen der Kirche eingeschwenkt so, daß die Kirchenbreite genau der Schmidtschen entspricht und das Relief der Stirnseite die gleiche Grundform erhält wie im späteren Exnerschen Plan. Die Länge der Seitenfassade ist größer (57 m). Die Hauptumfassungen stehen wie vorher zurück, eine vorgelegte offene Säulenhalle verbindet die Treppenhäuser und stellt die Flucht her. Der Innenraum ist an der Turmseite geändert durch Ausbildung eines zweiten Triumphbogens mit einer der Chor­rundung entsprechenden Nische für die Orgel. Damit ist auch ein künstlerischer Mangel des Lockeschen Planes beseitigt. In der Tektur ist statt des malerischen Turmaufbaues ein schlichtes Rundgeschoß mit Obelisk geplant hinter einem massiven Brüstungsumgang, den flache volutenartige Postamentschweifung mit dem Hauptgebälk verbindet. Von Locke selbst können diese Änderungen nicht stammen, das zeigt die abweichende Technik, und dann steht die Tektur durch ihre schlichtere Art, durch Verwendung wurstartiger Girlanden, kurz stilistisch stark im Widerspruch zum Plan und zu den gleichzeitigen Bauten Lockes. Dagegen entspricht sie den Mitte der 60 er Jahre unter dem Einfluß der Akademie im Bauamt herrschenden Anschauungen. Bei der kombinierenden Schaffensart Exners liegt die Annahme nahe, daß er nach der Aufforderung zur Turmkonkurrenz die Lockeschen Pläne den bereits gegründeten Schmidt­schen Umfassungen anzupassen suchte. Das würde mit der Baugeschichte stimmen. Im Februar 1766 hatte er nur erklärt, er habe keine Pläne fertig, und erst im April, er werde keine Pläne mehr liefern. Die Benutzung der Lockeschen Pläne war naturgemäß Anlaß zu erneuter Prüfung, ob wirklich Locke und nicht etwa Exner selbst der Urheber sei. Doch ist letzteres nicht möglich, wie die oben nachge­wiesenen Beziehungen des Planes zu Locke ergaben.

Die Art, wie Exner seine Projekte herstellte, ist die für eine zentrale Bauverwaltung charakte­ristische und auch heute noch übliche. Eingereichte Projekte werden umgearbeitet, mehrere Entwürfe werden zu einem neuen verschmolzen, zu Grundrissen neue Fassaden gefertigt oder der „Stil“ bei­behalten, aber die Raumeinteilung geändert. Exner besaß ein ziemliches Geschick im Zusammen­schmelzen einer ganzen Reihe von Plänen und im Zusammentragen wirkungsvoller Motive. Wenn das Ergebnis nicht befriedigen konnte, so lag das einmal daran, daß er seinen klassizistischen Regeln und Gesetzen zuviel Macht über die künstlerische Wirkung einräumte und daß es ihm selbst an künst­lerischer Kompositionskraft zu einheitlichem Gestalten aus dem Vollen fehlte.

Saalarchitektur und Querschnittsbildung.

Nach Übernahme der Direktion beschäftigte sich Exner auch mit dem Innern der Kirche. Seinem ersten Bericht ans Kabinett (30. Juni 1767) lag ein Grundriß und „Profil“ bei, vermutlich ein Längenschnitt. (Skizze in der Samml. f. Bauk.) Im Januar 1768 legte er ebenda seine aus­gearbeiteten Innenpläne vor. Im Juni wurden solche von Prinz Xaver approbiert. (Schnitte und Grundrisse im Hauptstaatsarchiv.) Die Grundrisse (Abb. S. 130) zeigen seine kolossalen Pfeilerstärken. Die Strebemauern hinter ihnen für den Schub des Hauptgewölbes sind kassiert. In den Schnitten ist die Pfeilerstärke geringer, aber nicht etwa in der Ansicht, sondern in der Tiefe. Gerade das erstere aber war nötig, auch aus statischen Gründen. Vermutlich sind die Schnitte zwischen Januar und Juni

Empfohlene Zitierweise:
Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/137&oldid=- (Version vom 25.4.2024)