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Jeremias Gotthelf: Die schwarze Spinne. In: Bilder und Sagen aus der Schweiz, Band 1

wollte er das Kindlein selbsten tragen, zur Sühne der Schuld, die auf ihm lag, dem Haupte seines Hauses; das Uebrige überließ er Gott. Todte hemmten seinen Lauf; vorsichtig mußte er seine Tritte setzen. Da ereilte ihn ein leichter Fuß, es war das arme Bübchen, dem es graute bei dem wilden Weibe, das ein kindlicher Trieb dem Meister nachgetrieben. Wie Stacheln fuhr es durch Christens Herz, daß seine Kinder alleine bei dem wüthenden Weibe seien. Aber sein Fuß stund nicht stille, strebte dem heiligen Ziele zu.

Schon war er unten am Kilchstalden, hatte die Kapelle im Auge, da glühte es plötzlich vor ihm mitten im Wege, es regte sich im Busche, im Wege saß die Spinne, im Busche wankte roth ein Federbusch und hoch hob sich die Spinne als wie zum Sprunge. Da rief Christen mit lauter Stimme zum dreieinigen Gott, und aus dem Busche tönte ein wilder Schrei; es schwand die rothe Feder; in des Bübchens Arme legte er das Kind und ergriff, dem Herren seinen Geist empfehlend, mit starker Hand die Spinne, die wie gebannt durch die heiligen Worte am gleichen Flecke sitzen blieb. Gluth strömte durch sein Gebein, aber er hielt fest; der Weg war frei und das Bübchen verständigen Sinnes eilte dem Priester zu mit dem Kinde. Christen aber, Feuer in der starken Hand, eilte geflügelten Laufes seinem Hause zu. Schrecklich war der Brand in seiner Hand, der Spinne Gift drang durch alle Glieder. Zu Gluth ward sein Blut. Die Kraft wollte erstarren, der Athem stocken, aber er betete fort und fort, hielt Gott fest vor Augen, hielt aus in der Hölle Gluth. Schon sah er sein Haus, mit dem Schmerz wuchs sein Hoffen, unter der Thüre war das Weib. Als dasselbe ihn kommen sah ohne Kind, stürzte es sich ihm entgegen, einer

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Jeremias Gotthelf: Die schwarze Spinne. In: Bilder und Sagen aus der Schweiz, Band 1. Jent & Gaßmann, Solothurn 1842, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bilder_und_Sagen_aus_der_Schweiz_I.pdf/109&oldid=- (Version vom 31.7.2018)