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Jeremias Gotthelf: Die schwarze Spinne. In: Bilder und Sagen aus der Schweiz, Band 1

geheißen und zum Tisch gezogen, und ein großer Teller voll Weinwarm vor sie gestellt und den sollte sie essen, sie hätte wohl noch Zeit, während man das Kind zurecht mache. Die arme Gotte wehrte sich mit Händen und Füßen, behauptete, sie hätte gegessen für manchen Tag, und könne nicht mehr schnaufen. Aber da half alles nichts. Alt und Jung war mit Spott und Ernst hinter ihr, bis sie zum Löffel griff, und seltsam, ein Löffel nach dem andern fand noch sein Plätzchen. Doch da kam schon wieder die Hebamme mit dem schön eingewickelten Kinde, zog ihm das gestickte Käppchen an mit dem rosenrothen Seidenbande, legte dasselbe in das schöne Deckbettlein, steckte ihm das süße Lulli ins Mäulchen und sagte: Sie begehre Niemand zu versäumen und hätte gedacht, sie wolle Alles zurecht machen, man könne dann immer gehen, wann man wolle. Man umstand das Kind und rühmte es wie billig, und es war auch ein wunderappetitlich Bübchen. Die Mutter freute sich des Lobes und sagte: „Ich wäre auch so gerne mit zur Kirche gekommen und hätte es Gott empfehlen helfen, und wenn man selbst dabei ist, wenn das Kind getauft wird, so sinnet man um so besser daran, was man versprochen hat. Zudem ist es mir so unbequem, wenn ich noch eine ganze Woche lang nicht vor das Dachtraufe darf, jetzt wo man alle Hände voll zu thun hat mit dem Anpflanzen.“ Aber die Großmutter sagte: So weit sei es doch noch nicht, daß ihre Sohnsfrau wie eine arme Frau in den ersten acht Tagen ihren Kirchgang thun müsse, und die Hebamme setzte hinzu, sie hätte es gar nicht gerne, wenn junge Weiber mit den Kindern zur Kirche gingen. Sie hätten immer Angst, es gehe daheim etwas Krummes, hätten doch nicht die rechte Andacht in der Kirche und auf dem

Empfohlene Zitierweise:
Jeremias Gotthelf: Die schwarze Spinne. In: Bilder und Sagen aus der Schweiz, Band 1. Jent & Gaßmann, Solothurn 1842, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bilder_und_Sagen_aus_der_Schweiz_I.pdf/16&oldid=- (Version vom 31.7.2018)