Seite:Bousset-S359.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Es fragt sich dann, wie die zehn Könige zu zählen sind. Denn es bleibt zweifelhaft, ob man mit Cäsar[1] oder Augustus beginnen soll. Ferner kann die Zählung schwanken, je nachdem man die drei Herrscher des Interregnums mitzählt oder nicht. Im ersteren Falle wäre der zehnte Herrscher Titus (Vespasian), im letzteren Trajan (oder Nerva)[2]. Im ersteren Fall käme man mit dem Kapitel in die Zeit der Zerstörung Jerusalems, im letzteren in die Zeit der beginnenden allgemeinen Christenverfolgung. Doch erheben sich gegen diese ganze Ausdeutung der Stelle ernstliche Schwierigkeiten. Im Sinne des Apok letzter Hand kann sie nicht sein. Denn dieser zählt den antichristlichen Herrscher, der nach ihm sicher ein römischer Cäsar ist, in dem vorliegenden Kapitel ausdrücklich als eines der sieben Häupter (s. u.). Ferner hat der Verfasser unsrer Apk wahrscheinlich unter Domitian geschrieben (s. die Einleitung S. 133ff.). Auf Domitian führt aber die Zehnzahl der Hörner, wie man auch rechnen möge (abgesehen von der willkürlichen Deutung Völters s. u. Anm. 2), nicht. Nun werden in Kap. 17 die zehn Hörner ausdrücklich auf zehn Könige gedeutet, die mit dem Tiere, dem römischen Reich, verbündet sind. Die Annahme liegt nahe, daß der Verfasser der Apk hier bereits auf jene zehn Könige im voraus hingedeutet und den Hörnern als Symbolen der in der Zukunft gleichzeitig mit dem antichristlichen Regenten herrschenden Fürsten die Kronen gegeben habe. Wen er dann unter den zehn Königen verstanden wissen will, werden wir in der Auslegung von Kap. 17 sehen. — Die sieben Häupter haben für den Apok. letzter Hand jedenfalls eine größere und zwar zeitgeschichtliche Bedeutung. Er betrachtet, wie schon gesagt, den Herrscher der antichristlichen Zeit, der sicher ein römischer Cäsar ist, als eines der sieben Häupter. Er deutet, wenn auch hier seiner Quelle folgend, die sieben Häupter in Kap. 17 ausdrücklich auf sieben Könige. Verkehrt aber wäre es dennoch, nun auf Grund dieser Gleichung — sieben Häupter = sieben römische Könige — hier bereits eine Zeitbestimmung für seine Weissagung wagen zu wollen. Denn der Apok. ist bereits abhängig von älteren Traditionen. Er gab seinem Tiere nicht sieben Häupter, weil er genau sieben römische Kaiser kannte, sondern er hat jedenfalls das ihm überlieferte Bild des siebenköpfigen Tieres auf sieben römische Kaiser — und zwar wahrscheinlich recht künstlich — gedeutet. Eine ältere Deutung der sieben Häupter, die der Apok. nicht selbst entwarf, sondern nur herübernahm und sich zurechtlegte, so gut es ihm gelingen wollte, liegt 17,10ff. vor. Dahinter aber liegen noch ältere Traditionen auf der einen Seite von sieben Weltregenten, die nach einander über die Welt herrschen sollen (s. die Erklärung zu 17,10ff.), andrerseits von dem siebenköpfigen Tier. Ob dieses Bild von dem siebenköpfigen Tier ursprünglich aus einer einfachen Addition der Häupter der vier Tiere in Da 7,1ff. entstanden ist (Sp.), oder ob dahinter noch ältere Traditionen liegen (s. oben 12,3 das zur Erscheinung des siebenköpfigen Drachen


  1. So rechnet die Adlervision des IV Esra offenbar von Cäsar an, vgl. 12,15.
  2. Vlt. II rechnete bis Hadrian, indem er das Tier selbst als elften König mitzählt, Vlt. III zählt 11 Kaiser, rechnet aber die Regenten des Interregnums ein und kommt so bis Domitian. Vlt. IV 133 endlich deutet den zehnten Kaiser auf Trajan.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1906, Seite 359. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S359.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)