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Graf. Sie grausame Schauspielerin, Sie haben meinem Herzen einen argen Streich gespielt.

Sophie. Was that ich denn? – Ich habe den Vorzügen Ihres Standes und Ihrer Geburt die meiner Kunst und meiner Erziehung entgegengesetzt, die einzigen Waffen, die eine Künstlerin hat. Mein schärfstes Schwert hab’ ich ja gar nicht gegen Sie gezückt! – (Sie holt ihre Rolle hervor) Hier, meine neueste Rolle, Immermanns „Opfer des Schweigens“ – mein Pergament, Herr Graf, vielleicht nicht so alt als das Ihrige, aber desto frischer und blühender. – Laß sehen, welchen Namen man einst lauter nennen wird, den Namen Klockenberg oder Immermann! – Soll ich Ihnen meine Rolle recitiren? Nein, ich will so grausam nicht seyn! (Sie steckt die Rolle langsam wieder ein) Ich bin Ihnen schon in Prosa gefährlich gewesen, mit der Poesie will ich’s gar nicht versuchen. (Mit leichterem Ton) Ja, ja, Herr Graf, Sie haben mich nur in meinem Alltagskleid gesehen, und haben mir zu Füßen gelegen – Sie werden fernerhin die nicht verdammen, die mir vor der Bühne ihre kleinen Opfer bringen.

Graf. Unbegreiflich!

August. Ich begreif’ es wohl!

Sophie (zum Grafen). Sind Sie versöhnt mit mir? – Reichen Sie mir die Hand! Nicht wahr, Sie kommen bald einmal in die Residenz und sehen mich spielen?

Graf. Ach, meine Gnädige, ich wollte sagen, meine verehrte Mademoiselle – ich glaube nicht, daß Sie mir in irgend einem Costüm, in irgend einer Rolle so schön gefallen könnten, wie Sie mir dort auf dem Canapee gefielen, wo Sie die Gräfin Strahlen waren und wo Sie mit mir plauderten.

Sophie. Also nur die Gräfin wollen Sie?

Graf. Ja – die Gräfin!

Sophie (halb für sich). Sie Vandale!

Graf. Warum sind Sie nur so schön, so liebenswürdig?

Sophie. Warum? – Sie sollten die Recensenten fragen, die sagen es mir alle Tage, und wissen für Alles einen Grund.

Graf. Warum mußten Sie um diese Stunde in dem Hohlwege liegen?

Sophie. Das weiß ich vollends nicht! Da müssen Sie sich an meinen Postillon wenden, oder an den Himmel, der es so gefügt hat!

Empfohlene Zitierweise:
Clementine Schrader: Der Hohlweg. Lustspiel in einem Akt. Vereins-Buchhandlung, Berlin 1843, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Clementine_Schrader_-_Der_Hohlweg_(1843).pdf/29&oldid=- (Version vom 16.6.2023)