Seite:Dante Prosa 015.gif

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

sagt, weder Hesperus noch Lucifer ist so bewundernswürdig; sie ist nämlich dann der Phöbe ähnlich, wenn sie ihren Bruder auf dem Durchmesser anschaut, wegen der Purpurfarbe in der heiteren Morgenzeit. Was nun den Zustand betrifft, so hat die Gerechtigkeit bisweilen Widerstand am Wollen; denn wenn der Wille nicht von aller Begierde lauter ist, so wohnt die Gerechtigkeit, wenn sie gleich da ist, nicht im Glanz ihrer Reinheit; denn sie hat einen Gegenstand, der ihr, wenn auch noch so wenig, doch einigermaßen widersteht. Deswegen werden Diejenigen wohl zurückgewiesen, welche Willens sind den Richter zu ereifern. Was aber die Wirksamkeit betrifft, so hat die Gerechtigkeit einen Widerstand am Können; denn wenn die Gerechtigkeit eine auf einen Andern bezügliche Thatkraft oder das Vermögen ist, Jedem das Seine zukommen zu lassen, wie wird Jemand jener gemäß wirksam sein? Hieraus ergibt sich, daß, je mächtiger der Gerechte, um so umfassender seine Gerechtigkeit bei der Ausübung sein wird. Dieser Erklärung zufolge möge man so schließen: die Gerechtigkeit ist am mächtigsten in der Welt, wenn sie dem willfährigsten und mächtigsten Gegenstande innewohnt; von der Art ist allein der Monarch, also ist die dem Monarchen allein innewohnende Gerechtigkeit die mächtigste. Dieser Vorschluß geht nach der zweiten Figur mit innerer Verneinung, etwa so: Jedes b ist a, c allein ist a, also ist c allein b. Das heißt: Jedes b ist a, nichts als c ist a, also nichts als c ist b u. s. w. Der Vordersatz erhellt aus der vorhergehenden Erklärung. Der zweite erweist sich folgendermaßen, und zwar zuerst hinsichtlich des Wollens, sodann hinsichtlich des Könnens. Zur Beweisführung des ersten ist zu bemerken, daß der Gerechtigkeit am meisten die Begierde entgegen ist, laut Aristoteles im fünften Buch an den Nikomachus: Nach Wegräumung der Begierde steht der Gerechtigkeit weiter gar nichts entgegen; daher die Meinung des Philosophen ist, daß

Empfohlene Zitierweise:
Dante Alighieri: Dante Alighieri’s prosaische Schriften II. F. A. Brockhaus, Leipzig 1845, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_Prosa_015.gif&oldid=- (Version vom 15.2.2024)