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alle die Hennen mit seinem Nebenbuhler“.[1] Dieser Nebenbuhler war ein schwarzschultriger oder lackirter Pfauhahn, welcher für unsere Augen ein schönerer Vogel ist als die gewöhnliche Art.

Lichtenstein, welcher ein guter Beobachter war und ausgezeichnete Gelegenheit zur Beobachtung am Cap der guten Hoffnung hatte, versicherte Rudolphi, dass der weibliche Wittwenvogel (Chera progne) das Männchen verlasse, wenn dasselbe der langen Schwanzfedern beraubt wird, mit welchen es während der Paarungszeit verziert ist; ich möchte vermuthen, dass diese Beobachtung an Vögeln im Zustande der Gefangenschaft gemacht sein muss.[2] Das Folgende ist ein analoges Beispiel: Dr. Jäger,[3] früher Director des zoologischen Gartens in Wien, führt an, dass ein männlicher Silberfasan, welcher über die anderen Männchen gesiegt hatte und der angenommene Liebhaber der Weibchen war, sein ornamentales Gefieder verletzt hatte. Er wurde darauf sofort von einem Rivalen verdrängt, welcher die Oberhand erhielt und später den Trupp anführte.

Es ist eine merkwürdige Thatsache, da sie zeigt, wie bedeutungsvoll die Farbe bei der Werbung der Vögel ist, dass Mr. Boardman, ein bekannter Sammler und Beobachter von Vögeln seit vielen Jahren in den nördlichen Vereinigten Staaten, trotz seiner grossen Erfahrung niemals gesehen hat, dass sich ein Albino mit einem andern Vogel gepaart hätte; und doch hat er Gelegenheit gehabt, viele zu verschiedenen Species gehörige Albinos zu beobachten.[4] Es kann kaum behauptet werden, dass Albinos im Naturzustande unfähig sind, sich fortzupflanzen, da sie in der Gefangenschaft mit der grössten Leichtigkeit gezogen werden können. Es scheint daher, als müsse man die Thatsache, dass sie sich nicht paaren, dem Umstande zuschreiben, dass sie von ihren normal gefärbten Genossen verworfen werden.

Weibliche Vögel üben nicht bloss eine Wahl aus, sondern umwerben in einigen wenigen Fällen das Männchen oder kämpfen sogar


  1. Proceed. Zoolog. Soc. 1835, p. 54. Der schwarzschultrige Pfau wird von Mr. Sclater für eine besondere Species gehalten, welche Pavo nigripennis benannt ist; die Thatsachen scheinen mir aber dafür zu sprechen, dass es nur eine Varietät ist.
  2. Rudolphi, Beiträge zur Anthropologie. 1812, S. 184.
  3. Die Darwinsche Theorie und ihre Stellung zu Moral und Religion. 1869, S. 59.
  4. Diese Angabe macht A. Leith Adams in seinen „Field and Forest Rambles“, 1873, p. 76; sie stimmt mit seinen eigenen Erfahrungen überein.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/125&oldid=- (Version vom 31.7.2018)