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Mr. R. B. Sharpe mitgetheilt hat, während des Nestbaues sehr zerknittert.

In diesen beiden letztgenannten Fällen muss die bedeutende Länge der Schwanzfedern in einem gewissen Grade für das Weibchen unzuträglich sein, und da in beiden Species die Schwanzfedern des Weibchens etwas kürzer sind als die des Männchens, so könnte man schliessen, dass ihre volle Entwickelung durch natürliche Zuchtwahl gehemmt sei. Es würde aber die Pfauhenne, wenn die Entwickelung ihres Schwanzes nur dann gehemmt worden wäre, wenn derselbe unzuträglich oder gefährlich lang geworden wäre, einen viel längeren Schwanz erlangt haben als sie factisch besitzt, denn ihr Schwanz ist im Verhältniss zur Grösse ihres Körpers nicht nahezu so lang wie der vieler weiblicher Fasanen und auch nicht länger als der des weiblichen Truthuhns. Man muss auch im Sinne behalten, dass in Uebereinstimmung mit dieser Ansicht, sobald der Schwanz der Pfauhenne gefährlich lang und in Folge hiervon seine Entwickelung gehemmt würde, sie beständig auf ihre männlichen Nachkommen eingewirkt haben und den Pfauhahn gehindert haben würde, seinen jetzigen prachtvollen Behang zu erlangen. Wir können daher schliessen, dass die Länge des Schwanzes beim Pfauhahn und seine Kürze bei der Pfauhenne das Resultat davon sind, dass die nöthigen Abänderungen beim Männchen von Anfang an allein auf die männlichen Nachkommen vererbt worden sind.

Wir werden zu einer nahezu ähnlichen Schlussfolgerung in Bezug auf die Länge des Schwanzes bei den verschiedenen Species von Fasanen geführt. Bei dem Ohrenfasan (Crossoptilon auritum) ist der Schwanz in beiden Geschlechtern von gleicher Länge, nämlich sechszehn oder siebzehn Zoll; bei dem gemeinen Fasane ist er ungefähr zwanzig Zoll lang bei dem Männchen und zwölf beim Weibchen. Bei dem Sömmerringsfasane ist er beim Männchen siebenunddreissig und beim Weibchen nur acht Zoll lang, und endlich bei Reeve's-Fasanen ist er zuweilen factisch beim Männchen zweiundsiebenzig Zoll lang und sechszehn Zoll beim Weibchen. Es ist daher in den verschiedenen Species der Schwanz des Weibchens beträchtlich seiner Länge nach verschieden und zwar ohne Bezug auf den Schwanz des Männchens; und dies lässt sich, wie mir scheint, mit viel grösserer Wahrscheinlichkeit durch die Gesetze der Vererbung erklären — d. h. dadurch, dass die aufeinanderfolgenden Abänderungen vom Anfange an mehr


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/168&oldid=- (Version vom 31.7.2018)