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letzteren sind die lebendigen Beweise dafür, dass ein derartiger Zustand der Dinge, früher möglich war. Junge Löwen und Pumas sind mit schwachen Streifen oder Reihen von Flecken gezeichnet, und da viele verwandte Arten sowohl in der Jugend als im erwachsenen Zustande ähnlich gezeichnet sind, so wird kein Naturforscher, welcher an eine allmähliche Entwickelung der Species glaubt, daran zweifeln, dass der Urerzeuger des Löwen und Puma ein gestreiftes Thier war und dass die Jungen Spuren dieser Streifen behalten haben, ebenso wie solche bei den Jungen schwarzer Katzen sich finden, welche im erwachsenen Zustande nicht im Mindesten gestreift sind. Viele Arten der Hirschfamilie sind im geschlechtsreifen Alter nicht gefleckt und doch sind sie jung mit weissen Flecken bedeckt, wie es auch einige wenige Species in ihrem erwachsenen Zustande sind. So sind ferner auch in der ganzen Familie der Schweine (Suidae) und bei gewissen im Ganzen nur entfernt damit verwandten Thieren, wie beim Tapir, die Jungen mit dunklen Längsstreifen gezeichnet; hier haben wir indessen einen Character vor uns, welcher allem Anscheine nach von einem ausgestorbenen Urerzeuger herrührt und jetzt nur von den Jungen noch beibehalten wird. In allen derartigen Fällen sind die Farben der alten Thiere im Laufe der Zeit abgeändert worden, während die Jungen unverändert geblieben oder nur wenig abgeändert worden sind; und dies ist nach dem Gesetze der Vererbung auf entsprechende Altersstufen bewirkt worden.

Dasselbe Princip gilt auch für viele zu verschiedenen Gruppen gehörige Vögel, bei welchen die Jungen einander in hohem Grade gleichen und von ihren respectiven Eltern im erwachsenen Zustande bedeutend verschieden sind. Die Jungen beinahe sämmtlicher Gallinaceen und einiger entfernt damit verwandter Vögel, wie der Strausse, sind im Dunenkleide längsgestreift; dieser Character weist aber auf einen so weit zurückliegenden Zustand der Dinge zurück, dass er uns kaum hier angeht. Junge Kreuzschnäbel (Loxia) haben zuerst gerade Schnäbel wie die andern Finken, und in ihrem gestreiften Jugendgefieder gleichen sie dem erwachsenen Hänfling und dem weiblichen Zeisig ebensowohl wie den Jungen des Stieglitz, Grünfinken und einiger andern verwandten Arten. Die Jungen vieler Arten von Ammern (Emberiza) gleichen sowohl einander, als auch dem erwachsenen Zustande der Grau-Ammer, E. miliaria. In beinahe der ganzen grossen Gruppe der Drosseln haben die Jungen eine gefleckte Brust, — ein


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/185&oldid=- (Version vom 31.7.2018)