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hindurch denselben allgemeinen Styl der Verzierung oder andere Anziehungsmittel bewundern und trotzdem unbedeutende Veränderungen der Farben, der Form oder der Töne würdigen.

Zusammenfassung der vier Capitel über Vögel. — Die meisten männlichen Vögel sind während der Paarungszeit in hohem Grade kampfsüchtig und einige besitzen speciell zum Kampfe mit ihren Nebenbuhlern angepasste Waffen. Aber die kampfsüchtigsten und die bestbewaffneten Männchen hängen in Bezug auf den Erfolg selten oder niemals allein von dem Vermögen, ihre Nebenbuhler zu vertreiben oder zu tödten, ab, sondern haben ausserdem noch specielle Mittel zur Bezauberung des Weibchens. Bei einigen ist es die Fähigkeit zu singen oder fremdartige Rufe auszustossen, oder Instrumentalmusik hervorzubringen; und in Folge dessen weichen die Männchen von den Weibchen in ihren Stimmorganen oder in der Bildung gewisser Federn ab. Aus den merkwürdig verschiedenartigen Mitteln zur Hervorbringung verschiedenartiger Laute gewinnen wir eine hohe Meinung von der Bedeutung dieses Mittels der Brautwerbung. Viele Vögel versuchen die Weibchen durch Liebestänze oder Geberden, die auf dem Boden oder in der Luft und zuweilen auf dazu hergerichteten Plätzen ausgeführt werden, zu bezaubern. Aber Ornamente vielerlei Art, die brillantesten Farbentöne, Kämme und Fleischlappen, wunderschöne Schmuckfedern, verlängerte Federn, Federstütze u. s. f. sind bei Weitem die häufigsten Mittel. In einigen Fällen scheint blosse Neuheit als Zauber gewirkt zu haben. Die Zierathen der Männchen müssen für sie von höchster Bedeutung gewesen sein, denn sie sind in nicht wenigen Fällen auf Kosten einer vergrösserten Gefahr vor Feinden und selbst mit etwas Verlust an Kraft in den Kämpfen mit ihren Nebenbuhlern erlangt worden. Die Männchen sehr vieler Species erhalten ihr ornamentales Kleid nicht eher als bis sie zur Reife gelangen, oder sie nehmen es nur während der Paarungszeit an, oder es werden die Farbentöne zu dieser Zeit lebhafter. Gewisse ornamentale Anhänge werden während des Actes der Bewerbung selbst vergrössert, schwellen an und werden hell gefärbt. Die Männchen entfalten ihre Reize mit ausgesuchter Sorgfalt und zu ihrer besten Wirkung; und dies geschieht in der Gegenwart der Weibchen. Die Brautwerbung ist zuweilen eine sich in die Länge ziehende Angelegenheit, und viele Männchen und Weibchen versammeln sich an einem bestimmten Platze.

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/230&oldid=- (Version vom 31.7.2018)