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Perioden durch die reichliche Kreuzung vieler Individuen nahezu gleichförmig gehalten worden sein.

Bei denjenigen Species, bei welchen die Geschlechter in der Farbe verschieden sind, ist es möglich oder wahrscheinlich, dass zuerst eine Neigung bestand, die aufeinanderfolgenden Abänderungen auf beide Geschlechter gleichmässig zu überliefern, dass aber, wenn dies eintrat, die Weibchen nur durch die Gefahr, welcher sie während der Zeit der Bebrütung ausgesetzt worden wären, verhindert wurden, die hellen Färbungen der Männchen anzunehmen. Wir haben aber keine Beweise dafür, dass es möglich ist, mittelst der natürlichen Zuchtwahl eine Form der Ueberlieferung in eine andere umzuwandeln. Andererseits würde nicht die mindeste Schwierigkeit vorhanden sein, ein Weibchen düster gefärbt zu machen und dem Männchen noch immer seine helle Färbung zu erhalten, und zwar durch die Auswahl nacheinander auftretender Abänderungen, welche von Anfang an in ihrer Ueberlieferung auf ein und dasselbe Geschlecht beschränkt waren. Ob die Weibchen vieler Species factisch in dieser Weise modificirt worden sind, muss gegenwärtig noch zweifelhaft bleiben. Wenn durch das Gesetz der gleichmässigen Ueberlieferung der Charactere auf beide Geschlechter die Weibchen ebenso auffallend gefärbt worden sind wie die Männchen, so sind, wie es scheint, auch oft ihre Instincte modificirt worden und sie sind dazu veranlasst worden, kuppelförmige oder verborgene Nester zu bauen.

In einer kleinen und merkwürdigen Classe von Fällen sind die Charactere und Gewohnheiten beider Geschlechter völlig vertauscht worden; denn die Weibchen sind hier grösser, stärker, lauter und heller gefärbt als ihre Männchen. Sie sind auch so streitsüchtig geworden, dass sie oft, wie die Männchen anderer kampfsüchtiger Species um den Besitz der Weibchen, so um den Besitz der Männchen mit einander kämpfen. Wenn sie, wie es wahrscheinlich erscheint, beständig ihre weiblichen Nebenbuhler wegtreiben und ihre hellen Farben oder andere Reize entfalten und damit die Männchen anzuziehen versuchen, so können wir verstehen, wie es gekommen ist, dass sie allmählich mittelst der geschlechtlichen Zuchtwahl und der geschlechtlich beschränkten Vererbung schöner als die Männchen geworden sind, während die letzteren nicht modificirt oder nur unbedeutend modificirt wurden.

Sobald das Gesetz der Vererbung zu entsprechenden Lebensaltern

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/233&oldid=- (Version vom 31.7.2018)