Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/239

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Man glaubt, dass die Männchen diese Hörner dazu benutzen mit einander zu kämpfen, denn „ein ungebrochenes ist selten zu beschaffen und gelegentlich kann man eins finden, an welchem die Spitze eines andern in die gebrochene Stelle eingekeilt ist“.[1] Der Zahn auf der anderen Seite des Kopfes besteht bei dem Männchen aus einem ungefähr zehn Zoll langen Rudimente, welches in der Kinnlade eingebettet liegt; zuweilen aber, wenn auch selten, sind die Zähne auf beiden Seiten wohl entwickelt. Bei den Weibchen sind beide Zähne immer rudimentär. Der männliche Cachelot hat einen grösseren Kopf als das Weibchen und diese Grösse unterstützt ohne Zweifel diese Thiere bei ihren im Wasser zu haltenden Kämpfen. Endlich ist der männliche erwachsene Ornithorhynchus mit einem merkwürdigen Apparate versehen, nämlich mit einem Sporn am Vorderbeine, welcher dem Giftzahne einer Giftschlange ausserordentlich ähnlich ist; nach der Angabe Harting's ist aber die Absonderung dieser Drüse nicht giftig; und am Beine des Weibchens findet sich ein Loch, allem Anscheine nach zur Aufnahme des Sporns.[2]

Wenn die Männchen mit Waffen versehen sind, welche die Weibchen nicht besitzen, so lässt sich kaum zweifeln, dass sie dazu benutzt werden, mit anderen Männchen zu kämpfen und dass sie durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt und allein auf das männliche Geschlecht vererbt worden sind. Es ist mindestens in den meisten Fällen nicht wahrscheinlich, dass die Weibchen deshalb derartige Waffen nicht erlangt haben, weil sie ihnen nutzlos oder überflüssig oder in irgend welcher Art schädlich wären. Da dieselben im Gegentheil häufig von den Männchen zu verschiedenen Zwecken und ganz besonders zur Vertheidigung gegen ihre Feinde benutzt werden, so ist es eine überraschende Thatsache, dass sie bei den Weibchen so vieler Thiere so schwach entwickelt sind oder vollständig fehlen. Ohne Zweifel wäre bei weiblichen Hirschen die in jedem der aufeinander folgenden Jahre wiederkehrende Entwickelung grosser sich verzweigender


  1. Mr. R. Brown, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1869, p. 553. s. Prof. Turner, in: Journ. of Anat. and Phys. 1872, p. 76, über die Homologien dieser Stosszähne; s. auch J. W. Clarke, über die Entwickelung zweier Stosszähne bei Männchen, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1871, p. 42.
  2. Owen, über den Cachelot und Ornithorhynchus a. a. O. Vol. III, p. 638 und 641. Harting wird von Dr. Zouteveen in der holländischen Uebersetzung des vorliegendes Werkes citirt.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/239&oldid=- (Version vom 31.7.2018)