Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/376

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Geschichte des Menschen gespielt hat, vorgebrachten Ansichten ermangeln der wissenschaftlichen Präcision. Wer die Wirksamkeit dieser Kräfte bei niederen Thieren nicht zugibt, wird wahrscheinlich Alles, was ich in den letzten Capiteln über den Menschen geschrieben habe, nicht weiter beachten. Wir können nicht positiv sagen, dass dieser Character, aber nicht jener, hierdurch modificirt worden ist. Es ist indessen gezeigt worden, dass die Rassen des Menschen von einander und von ihren nächsten Verwandten unter den niederen Thieren in gewissen Characteren abweichen, welche für sie in den gewöhnlichen Lebensgewohnheiten von keinem Nutzen sind und von denen es äusserst wahrscheinlich ist, dass sie durch geschlechtliche Zuchtwahl modificirt worden sind. Wir haben gesehen, dass bei den niedrigsten Wilden die Völker eines jeden Stammes ihre eigenen characteristischen Eigenschaften bewundern, – die Form des Kopfes und Gesichtes, die viereckige Gestalt der Wangenknochen, das Hervorragen oder das Eingedrücktsein der Nase, die Farbe der Haut, die Länge des Haares am Kopfe, das Fehlen von Haaren am Gesichte und Körper, oder das Vorhandensein eines grossen Bartes und Derartiges mehr. Es kann daher nicht gefehlt haben, dass diese und andere solche Punkte langsam und allmählich übertrieben worden sind dadurch, dass die kraftvolleren und fähigeren Männer in jedem Stamme, welche die grösste Zahl von Nachkommen aufzuziehen ermöglicht haben, viele Generationen hindurch sich zu ihren Frauen die am schärfsten characterisirten und daher am meisten anziehenden Weiber gewählt haben. Ich für meinen Theil komme zu dem Schlusse, dass von allen den Ursachen, welche zu den Verschiedenheiten in der äusseren Erscheinung zwischen den Rassen des Menschen und in einem gewissen Grade auch zwischen dem Menschen und den niederen Thieren geführt haben, die geschlechtliche Zuchtwahl bei weitem die wirksamste gewesen ist.

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 362. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/376&oldid=- (Version vom 31.7.2018)