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in der Länge und der Krümmung der Luftröhrenäste.[1] Es haben also in diesen Fällen sehr bedeutungsvolle Gebilde je nach dem Geschlechte gewisse Modificationen erfahren.

Es ist oft schwierig zu entscheiden, ob die vielen fremdartigen Töne und Geschreie, welche männliche Vögel während der Paarungszeit ausstossen, als ein Reizmittel oder nur als ein Lockruf für das Weibchen dienen. Das sanfte Girren der Turteltaube und vieler andern Tauben gefällt dem Weibchen, wie man wohl vermuthen kann. Wenn das Weibchen des wilden Truthahns am Morgen seinen Ruf ertönen lässt, so antwortet das Männchen mit einem von dem gewöhnlichen kollernden Geräusche verschiedenen Tone. Ersteres bringt es hervor, sobald es mit aufgerichteten Federn, rauschenden Flügeln und geschwollenen Fleischlappen vor dem Weibchen sich brüstend einherstolzirt.[2] Das Kollern des Birkhahns dient sicher als Lockruf für das Weibchen; denn man hat erfahren, dass es vier oder fünf Weibchen aus weiter Entfernung zu einem in Gefangenschaft gehaltenen Männchen hingerufen hat. Da aber der Birkhahn sein Kollern Stunden lang während aufeinanderfolgender Tage und, wie es der Auerhahn thut, „mit Alles überwältigender Leidenschaft“ fortsetzt, so werden wir zu der Vermuthung geführt, dass die Weibchen, welche bereits anwesend sind, hierdurch bezaubert werden.[3] Die Stimme des gemeinen Raben wird bekanntlich während der Paarungszeit verschieden und ist daher in einer gewissen Weise geschlechtlich.[4] Was sollen wir aber zu dem rauhen Geschreie z. B. mancher Arten von Macaws sagen? Haben diese Vögel wirklich einen so schlechten Geschmack für musikalische Laute als sie dem Anscheine nach für Farben haben, wenigstens nach dem unharmonischen Contrast ihres auffallend gelben und blauen Gefieders zu urtheilen? Es ist allerdings möglich, dass die lauten Stimmen vieler männlichen Vögel, ohne dass dadurch irgend ein Vortheil für sie erzielt worden ist, das Resultat der vererbten Wirkungen des beständigen Gebrauchs ihrer Stimmorgane sind, wenn sie durch die kräftigen Leidenschaften der Liebe,



  1. Rud. Wagner, Lehrbuch der Anatomie der Wirbelthiere. 1843. S. 128. In Bezug auf die Angabe vom Schwan s. Yarrell, History of Brit. Birds. 2. edit. 1845. Vol. III, p. 193.
  2. C. L. Bonaparte, citirt in: The Naturalist’s Library. Birds. Vol. XIV. p. 126.
  3. L. Lloyd, The Game Birds of Sweden. 1867, p. 22, 81.
  4. Jenner, Philosoph. Transact. 1824, p. 20.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/69&oldid=- (Version vom 31.7.2018)