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verdünnten, an irgend einem beliebigen Theile des Körpers sitzenden Federn besassen, die erfolgreichsten sein; und hierdurch können in langsamen Abstufungen die Federn beinahe in jeder Ausdehnung modificirt worden sein. Natürlich werden die Weibchen nicht jede unbedeutende aufeinanderfolgende Abänderung in der Form beachten, sondern nur die durch so veränderte Federn hervorgebrachten Laute. Es ist eine merkwürdige Thatsache, dass in derselben Classe von Thieren so verschiedenartige Laute sämmtlich den Weibchen der verschiedenen Species angenehm sein sollen, wie das Meckern der Bekassine mit ihrem Schwanze, das Klopfen des Spechtes mit dem Schnabel, das rauhe trompetenartige Geschrei gewisser Wasservögel, das Girren der Turteltaube und der Gesang der Nachtigall. Wir dürfen aber den Geschmack der verschiedenen Arten nicht nach einem gleichförmigen Maassstabe beurtheilen; auch dürfen wir hierbei nicht den Maassstab des menschlichen Geschmacks anlegen. Selbst in Bezug auf den Menschen müssen wir uns daran erinnern, welche unharmonische Geräusche das Ohr der Wilden angenehm berühren, wie das Schlagen der Tamtams und die grellen Töne von Rohrpfeifen. Sir S. Baker bemerkt,[1] dass „wie der Magen der Araber das rohe Fleisch und die warm aus dem Thiere genommene noch rauchende Leber vorzieht, so ziehe sein Ohr auch seine in gleicher Weise rauhe und unharmonische Musik aller andern vor.“

Liebesgeberden und Tänze. – Die merkwürdigen Liebesgeberden verschiedener Vögel, besonders der Gallinaceen, sind bereits gelegentlich erwähnt worden, so dass hier nur wenig hinzugefügt zu werden braucht. In Nordamerica versammeln sich grosse Mengen eines Waldhuhns, des Tetrao phasianellus, jeden Morgen während der Paarungszeit auf einem ausgewählten ebenen Flecke und hier laufen sie rund herum in einem Kreise von ungefähr fünfzehn oder zwanzig Fuss im Durchmesser, so dass der Boden vollständig kahl getreten wird, wie ein Elfenring. Bei diesen „Rebhuhntänzen“, wie sie von den Jägern genannt werden, nehmen die Vögel die fremdartigsten Stellungen an und laufen herum, einige nach links, einige nach rechts. Audubon beschreibt die Männchen eines Reihers (Ardea herodias), wie sie auf ihren langen Beinen mit grosser Würde vor ihren Weibchen



  1. The Nile Tributaries of Abyssinia. 1867, p. 203.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/75&oldid=- (Version vom 31.7.2018)