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daß ein Entrinnen aus diesem gewaltigen Felsengrabe völlig unmöglich war. Auf dem Grunde dieses enormen Felsloches, das eine Laune des Schöpfers zu einem festen Gefängnis ausgestaltet hatte, bemerkten wir sehr bald eine Anzahl von Hütten, vor denen halbnackte Menschen, mager wie lebende Gerippe, sich hin und her bewegten. Das ‚Jenseits auf Erden‘ war endlich entdeckt.

Als der Resident durch seine Leute die Umgebung des Tales absuchen ließ, wurden in einer einigermaßen wohnlich eingerichteten Höhle auch jene beiden Brahmanen aufgestöbert, die das neue Opfer eines wahnwitzigen religiösen Brauches den Überbringern abgenommen und an diesen Ort des Schreckens befördert hatten[1]. Denn dies war das ‚Tal der Toten‘ in der Tat, wie unsere näheren Untersuchungen zeigten. Nicht weniger als 115 Personen, Männer, Weiber und Kinder, fanden wir in dem Talkessel eingesperrt. Sie lebten wie Tiere zusammen. Ihre Nahrung bestand aus den wenigen Feldfrüchten, die in einer Ecke des Tales gediehen, und aus einer Kaninchenart, die sie in Ställen züchteten. Wasser spendete ihnen ebenso unzureichend ein tiefes Felsloch, in dem sich der Regen wie in einer natürlichen Zisterne ansammelte. Die armen Wesen, vertiert, stumpf, dem Wahnsinn nahe, starrten vor Schmutz. Ihre fast unbekleideten Körper waren mit Geschwüren bedeckt. Starb einer dieser lebendig Begrabenen, so scharrten seine Gefährten den Leichnam oberflächlich in dem harten Geröllboden ein, von

  1. Vorlage: die als neue Opfer eines wahnwitzigen religiösen Brauches den Überbringern abgenommen und an diesen Ort des Schreckens befördert worden waren. Siehe: Ein Jenseits auf Erden, Seite 215 – Es ergibt sich nämlich sonst ein völlig anderer Sinn, da es sich um ein Opfer und zwei Brahmanen handelt und nicht um zwei Opfer.
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Das Auge des Brahma. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Auge_des_Brahma.pdf/125&oldid=- (Version vom 30.6.2018)