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Der Mischling dankte für beides, setzte sich aber und beschaute sich die Bilder der Kinder des Kapitäns, die in einem Rahmen vereinigt auf dem Tische standen.

„Ihr liebt sie wohl sehr?“ fragte Kiato dann nach einer Weile.

„Ob ich sie liebe …!! Natürlich!!“ meinte der Kapitän ernst. „Ich ersetze ihnen auch die Mutter. Meine Frau ist vor zwei Jahren gestorben.“

„Ihr Europäer seid seltsame Menschen“, sagte Kiato wieder nach einer Pause. „Ihr habt zuviel Gemüt. Das taugt nichts.“

Berger lächelte.

„Der Chinese, der Ostasiate überhaupt, besitzt nicht gerade das, was wir Deutschen Herz nennen, – leider nicht! – Seid Ihr verheiratet, Kiato?“

Der angebliche Kaufmann schüttelte den Kopf. In sein Gesicht war plötzlich ein undeutlicher Zug wie von Wehmut und Schmerz getreten.

„Ich war verheiratet. Die Cholera … In drei Tagen Frau und Kinder tot … Aber das ist lange her … Und es ist gut so – ja! Familie ist ein Ballast, wenn man vorwärtskommen will.“

Er sprach andauernd mit halber Stimme und lauschte angestrengt nach draußen.

Jetzt plötzlich auf Deck ein gellender Pfiff.

Kiato zog etwas die Augenbrauen hoch. Dann sagte er schnell und sehr laut, als ob er die Aufmerksamkeit Bergers ablenken wollte:

„Wie lange seid Ihr eigentlich schon in Hongkong, Kapitän?“

Aber der war doch durch den Pfiff stutzig geworden.

„Habt Ihr gehört, Kiato? Was mag …“

Er kam nicht weiter.

An Deck knallten kurz hintereinander fünf Schüsse.

Berger war jeder Blutstropfen aus dem Gesicht gewichen. Er war hochgeschnellt. Eine furchtbare Ahnung

Empfohlene Zitierweise:
W. Belka: Das Piratennest auf Neu-Helgoland. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1916, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Piratennest_auf_Neu-Helgoland.pdf/8&oldid=- (Version vom 31.7.2018)