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„Ich … weiß es nicht … Wenn sie keine Lügnerin, keine Heuchlerin wäre, dann …“

„Sie ist’s …! Töte diese Liebe, Abelsen … Und wenn das Mädchen ein Engel wäre: sie würde nie die Deine werden! – Geh’, hole mir den Eimer Wasser …“

Ich gehorchte wie im Traum.

Und als ich dann allein auf dem Vorschiff stand und hinüberschaute zu den düsteren Bergen mit den blauen Gletscherkappen und den weißen Schneehängen, da wurde ich mir meiner ganzen Wehrlosigkeit gegenüber Holger Jörnsens eiserner Unerbittlichkeit bewußt. Nein – Boche Boche und ich waren ihm niemals ähnlich. Wir waren Zwerge im Vergleich zu ihm, Außenseiter des Lebens, nicht Herren unserer selbst … –

Frau Helga rief mich zum Essen. Wir speisten zu dreien in der kleinen Kajüte. Eine schweigsame Mahlzeit, bei der ich abermals die unübersteigbare Scheidewand zwischen mir und diesen beiden seltsamen Menschen spürte. Nachher verband ich Jörnsens Hände. Und dann legte ich mich vorn in der Back zum Schlafe nieder, weil mir plötzlich schwindlig[1] wurde und ich die Ohnmacht der Erschöpfung nahen fühlte. Wie ein Toter schlief ich bis neun Uhr abends. Erwachte und hörte den Motor arbeiten. Der Kutter war in Fahrt, und oben an Deck sah ich Holger Jörnsen am Steuerrade lehnen.

„Zyankali …“ begrüßte er mich.

„Du hast den Kaffee untersucht, Käpten?“

„Ja, Zyankali aus der Schiffsapotheke …“ Er hatte die unvermeidliche Pfeife im Munde …

Der Kutter schlängelte sich durch einen Irrgarten von Kanälen, zwischen finsteren Felsinseln

  1. Vorlage: schwindlich, siehe Seite 134.
Empfohlene Zitierweise:
Max Schraut: Das tote Hirn. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1930, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_tote_Hirn.pdf/122&oldid=- (Version vom 31.7.2018)