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„Noch nicht, Olaf … Jörnsen probiert den Motor, den er gründlich gereinigt hat. Er war vorhin hier. Der Wind soll nach Süd gedreht haben. Daher auch die Kälte. Und in der Magelhaens-Straße steht nur noch schwache See. Der Alte will sehr bald Anker lichten. Was ihn zur Eile treibt, weiß ich nicht. Ich weiß ja überhaupt nichts. Ich bin hier im abenteuerlichen Spiel jetzt die blinde Kuh.“ – So, wie er dies vor sich hinsprach – mit gesenktem Kopf, mit Augen, die am Boden hingen, mit krankem, müdem Zug um den blassen Mund, war er für mich wie der verkörperte Vorwurf. Eine unklare Ahnung kam mir, daß seine letzte Bemerkung „ganz die blinde Kuh“ für mich die Andeutung enthielte, er schenke auch meinen Angaben über das, was während seiner Leidenstage im Boote geschehen, keinen Glauben mehr. Ich wurde dadurch noch unsicherer. Ich fühlte, daß er mir als Freund entglitt, daß meine unwahre Schilderung meiner Haft in der Geheimkammer drüben von ihm, der so kritisch zu prüfen verstand, allerlei Zweifel geweckt hatte! Zum Glück erschien jetzt Frau Jörnsen, schlumpig und schmutzig wie immer, und brachte den Kaffee. Sie begrüßte uns kurz. Redselig war sie nie gewesen. Für Boche Boche fand sie ein paar kühl-freundliche Worte über die überraschende Besserung in seinem Aussehen und seinen Bewegungen. Er half ihr den Tisch decken. „Ich bin eben doch noch nicht reif für das Ende gewesen,“ sagte er nur, und auch der Satz war vielleicht nicht ohne Doppelsinn.

Wir waren wieder allein. Ich rasierte mich flink. Der Kamerad füllte seinen Becher und begann zu frühstücken. Als ich ihm gegenüber

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Max Schraut: Das tote Hirn. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1930, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_tote_Hirn.pdf/142&oldid=- (Version vom 31.7.2018)