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Was bedeutete das?! – Nur eine Ähnlichkeit?! Wie kam gerade dieses Bild an Bord eines Kutters, dessen schweigsamer Besitzer und Kapitän ein Landsmann von mir, ein Schwede war? – Daß das Ehepaar Jörnsen innige Beziehungen zu Deutschland gehabt hatte, ging freilich schon daraus hervor, daß es die Sprache der Heimatgefilde meiner Mutter so vollkommen beherrschte. Und doch – – dieses Bild?!

Ich konnte mich jetzt auch auf meine Augen und auch insbesondere auf meine Fähigkeit, Gesichtszüge selbst nach Jahren noch wiederzuerkennen, wenn ich mir nur deren charakteristische Merkmale eingeprägt hatte, unbedingt verlassen. Dieses Gesicht, diese eckige, hohe, kluge Stirn, diese Nase, diese Mundpartie – das war die verjüngte Wiedergabe des Antlitzes meines Kameraden Boche Boche. Bestimmt war er’s. So über jeden Zweifel erhaben diese verblüffende Feststellung, daß ich darüber meine Pflicht völlig vergaß und erst das Knallen des Außenklüvers, der im Winde bedenklich flatterte, mich rasch zurück ans Ruder rief. Ein Griff in die Radspeichen, ein Blick zum Kompaß, und der Torstensen, der inzwischen beträchtlich abgefallen war, neigte sich wieder unter der Segellast im vollen Winddruck zur bisherigen Schrägung und hüpfte lustig über den nächsten Wogenkamm hinweg. Nur ein einziger Spritzer war über Bord gekommen, nur ein einziges Mal hatte der Klüver verräterisch geknallt. Dennoch tauchte schon des Alten grauer Kopf über dem gewölbten Bleche des Niedergangs auf.

„Eingenickt, Abelsen?“

„Ja, leider …“

Empfohlene Zitierweise:
Max Schraut: Das tote Hirn. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1930, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_tote_Hirn.pdf/66&oldid=- (Version vom 31.7.2018)