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Walther Kabel: Das wildeste Volk der Erde. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 8, S. 214–216

holländische Reisende van Kempen hat die Lebensgewohnheiten dieses äußerst scheuen Menschenschlages nur mit größter Mühe ergründen können.

Der Volksstamm der Kubu zerfällt in zwei völlig verschiedene Teile, die Orang-Kubu, welche zumeist Mohammedaner sind und Ackerbau treiben, und die wilden Kubu, die in den unzugänglichsten Urwäldern Südsumatras ein Leben führen, das sich wenig über das Tierische erhebt. In kleinen Familienhorden durchschweifen sie ohne festen Wohnsitz das Land. Die Nacht über verbergen sie sich in Höhlen oder erklettern Bäume, wo sie sich mit Ranken festbinden. Hütten kennen sie nicht. Kempen erzählt in seinen „Reisebildern aus Sumatra“, daß er nur ein einziges Mal eine Kubufamilie angetroffen habe, die sich aus abgebrochenen Zweigen ein Schutzdach gegen den Regen gefertigt hatte.

Die Kubu sind von kleiner Gestalt und geradezu abschreckender Häßlichkeit. Ihre geistigen Fähigkeiten werden von denen vieler Tiere übertroffen. Die Kleidung besteht aus Stücken von Baumrinde, die als Lendenschurz ohne jede Bearbeitung getragen werden. Als Waffe führen sie einen langen, an einem Ende zugespitzten Zweig. Bogen und Pfeile gibt es bei ihnen nicht, ebensowenig Schmuckstücke, Haustiere und Geräte. Ihr einziger Lebenszweck ist das Aufsuchen von Nahrung. Als solche gilt ihnen alles, was nur einigermaßen genießbar ist. Fleisch verschlingen sie roh. Besonders bevorzugt ist eine Schlangenart, die bei ihnen als Delikatesse gilt.

Der Begriff des Eigentums, der Familie und einer übergeordneten Macht ist ihnen gänzlich unbekannt. Die Eheschließung geschieht formlos. Erwachsene Kinder trennen sich einfach von der Horde und bilden eine neue. Irgendwelche religiösen Vorstellungen, und sei es auch der krasseste Aberglaube, sind den wilden Kubu fremd.

Der erwähnte holländische Reisende stieß nirgends auf Spuren eines Götterkultus, ja nicht einmal auf solche von Totenverehrung, die doch bei den primitivsten Völkern Innerafrikas nachweisbar sind. Stirbt ein Kubu, so lassen ihn die Seinen einfach liegen, wo er liegt; Krieg zwischen den einzelnen

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Das wildeste Volk der Erde. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 8, S. 214–216. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1911, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_wildeste_Volk_der_Erde.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)