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Zu Hilberts algebraisch-zahlentheoretischen Arbeiten.
Von Helmut Hasse.

Hilberts Arbeiten zur algebraischen Zahlentheorie stehen nicht nur rein zeitlich, sondern auch inhaltlich betrachtet an der Wende zweier Jahrhunderte. Sie heben einerseits mit klarem, aufs Große gerichtetem Blick die den Arbeiten der Zahlentheoretiker des alten Jahrhunderts zugrunde liegenden Probleme in großer Allgemeinheit heraus, behandeln sie in dieser Allgemeinheit mit großenteils neuartigen Methoden, die den früheren an Eleganz und Einfachheit weit überlegen sind, und werden so andrerseits richtungweisend für die im neuen Jahrhundert einsetzende Entwicklung, die in den von Hilbert überall mit bewundernswerter Weitsicht vorgezeichneten Bahnen zu einer abschließenden Behandlung dieses Problemkreises geführt hat.

Es handelt sich dabei vornehmlich um das Problem des Reziprozitätsgesetzes, das man als im Brennpunkt dieser Entwicklung stehend bezeichnen muß. Um dieses Problem in der ihm vorschwebenden Allgemeinheit angreifen zu können, mußte Hilbert zunächst eine genügend breite Grundlage in der allgemeinen Theorie der algebraischen Zahlkörper legen, deren Fundamentalsatz, von der eindeutigen Primidealzerlegung, einige Zeit vor dem Einsetzen seines Schaffens durch die grundlegenden Arbeiten Dedekinds und Kroneckers bewiesen war. Nachdem er zunächst, in 2 und 3, den Elementen der Theorie, die er zu meistern gedenkt, durch eine elegante Wendung des Beweises dieses Fundamentalsatzes seinen Stempel aufgedrückt hat, wendet sich Hilbert in 4 zu einem eingehenden Studium der Galoisschen Zahlkörper. Das Prinzip dieser Untersuchung, deren Methoden und Ergebnisse für die ganze weitere Entwicklung der Theorie nicht nur des Reziprozitätsgesetzes, sondern weit darüber hinaus von der allergrößten Bedeutung geworden sind, ist die Abbildung der arithmetischen Eigenschaften (Primidealzerlegung, Restklassen nach Primidealpotenzen, Diskriminante) eines Galoisschen Körpers in seine Galoissche Gruppe.

Nunmehr wendet sich Hilbert seinem eigentlichen Problem, dem Reziprozitätsgesetz, zu. An die klassischen Untersuchungen von Gauss und Dirichlet anknüpfend, beginnt er mit der Verallgemeinerung des quadratischen Reziprozitätsgesetzes vom rationalen Zahlkörper auf den sog. Gaußschen Zahlkörper der ganzen komplexen Zahlen als Grundkörper. Ebenso wie das Reziprozitätsgesetz in in der Theorie der quadratischen

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David Hilbert: David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie. Julius Springer, Göttingen 1932, Seite 528. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:David_Hilbert_Gesammelte_Abhandlungen_Bd_1.djvu/545&oldid=- (Version vom 31.7.2018)