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chinesischen Nachtwächter ihre nächtlichen Runden begleiten. Wie oft habe ich diesem leisen, dann lauter werdenden, dann wieder verhallenden tak, tak, tak, gelauscht. In heißen Mitsommernächten, wenn die Moskitos gegen die Netze schwirrten und die ganze Erde die Hitze auszuströmen schien, die sie tags über eingesogen hatte, da hörte ich, wie eine dumpfe monotone Begleitung all meiner nächtlich wirren Gedanken diesen gleichmäßigen Klang. Und in kalten Winternächten in Peking, wenn der Schnee die große, graue Stadt, die hohen Mauern und die weite Ebene draußen bedeckte, und die ganze lebende Welt in tiefer Stille untergegangen schien – da tönte es in der großen Ruhe wie letztes, alles überdauerndes Leitmotiv: tak, tak, tak – Freud, Leid, Tod – Freud, Leid, Tod!

Besonders erinnere ich mich einiger Frühlingsnächte, da ich in Peking schwer krank lag und des Lebens Funken wie ein schwaches Irrlicht unstet zwischen mir und dem großen grauen Nichts da draußen hin und her sprang, nicht wissend, ob es gehen oder bleiben solle. Die Fenster standen weit offen; aus dem Hof drang der Duft des weißen Flieders herein; von meinem Bette aus sah ich in den sternbesäeten Himmel. Ein großes Gefühl unendlicher Schwäche überkam mich und doch seliger Befreiung – es war mir als schwebe ich gerade

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Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/253&oldid=- (Version vom 31.7.2018)